Nenndorf. Dörfer leiden schon jetzt unter Staus auf Bremer Straße. Nun kommt heraus: Bei Planung der Großbaustelle hat wohl niemand an sie gedacht.

  • Zur falschen Zeit am falschen Ort: So dürften sich die Anwohner der Gemeinde Rosengarten fühlen
  • Wann immer der Verkehr im Hamburger Süden überlastet ist, bekommen sie es hautnah mit
  • Doch wie soll das alles erst werden, wenn ab Herbst 2024 die Bremer Straße kernsaniert wird?

Dass die Bremer Straße in Hamburg irgendwann einmal grunderneuert werden muss, wusste jeder, der in der Gemeinde Rosengarten Politik macht. Das wichtige Wort dabei war „irgendwann“ – also sicher nicht bald. Als vor wenigen Monaten aus dem Vagen aber spontan das Konkrete wurde und Hamburg die ersten Baumaßnahmen schon für dieses und die Hauptbautätigkeit für das kommende Jahr ankündigte, war der Alarm groß: Als „Hamburger Straße“ verlängert sich die Bremer Straße im Rang einer Bundesfernstraße nämlich durch Rosengarten.

Sanierung der B75: Wenn in Harburg nichts mehr geht, weichen Autofahrer über Dorfstraßen aus

Behinderungen auf der Bremer Straße in Hamburg haben gerne mal Auswirkungen auf die Dörfer links und rechts der Hamburger Straße Richtung Bremen.

„Schon seit zwei Jahren werden die nördlichen Ortschaften in der Gemeinde Rosengarten immer wieder hohen Verkehrsbelastungen ausgesetzt, sobald es in Richtung Hamburg zu Staulagen im Berufs- oder Ferienverkehr kommt“, sagt Andreas Schubert, Stellvertretender Ortsbürgermeister von Leversen-Sieversen. „Das führt zu erheblichen Belastungen der Einwohner, aber auch massiven Verkehrsvergehen.“

Geschwindigkeiten von bis zu 91 Kilometer pro Stunde – bei erlaubten 30

So hätten zum Beispiel Messungen in der Woche vor Ostern in der Straße „Im Dorfe“ in Leversen ergeben, dass in der dortigen 30er-Zone Geschwindigkeiten von bis zu 91 Kilometer pro Stunde gefahren wurden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 58 km/h.

Die hohe Belastung bedeutet, dass wir die Dorfstraßen häufiger werden sanieren müssen, als geplant – auf Kosten der Gemeinde und ihrer Steuerzahler.
Andreas Schubert - Stellv. Ortsbürgermeister Sieversen-Leversen

„Manchmal fahren Fernpendler schon in Rade von der Autobahn, wenn sich Stau andeutet und kommen dann über die Rosengartenstraße in den Ort. Wer in Richtung Elbtunnel will, fährt dann von hier Richtung Vahrendorf oder Ehestorf zum Heuweg“, sagt Schubert.

Dank Google Maps und Navi sind die Schleichwege einfach zu finden

Ein ausgefuchster Schleichwegekenner muss man dafür auch nicht mehr sein. Dank Navi kann man seinen Weg durch den Kreis längst mit fast jedem Intelligenzgrad finden. Nicht nur die Geschwindigkeitsverstöße werden durch den Ausweichverkehr mehr.

„Es kommt zu Vorfahrtmissachtungen und anderen Verkehrsgefährdungen“, sagt Schubert. „Des Weiteren werden durch den Schwerlastverkehr Durchfahrtsverbote für Lkw ignoriert. Es wird für Anwohner schon schwierig, von ihren Grundstücken zu kommen, da die Fahrzeugdichte auf den dörflichen Straßen so hoch ist, dass man von Fahrzeugen im Sekundentakt sprechen kann.“

Für diesen Verkehr sind die Dorfstraßen nicht ausgerichtet

Auch, wenn die meisten frisch asphaltiert sind: Dafür sind die Dorfstraßen nicht ausgerichtet. Nicht für die Fahrzeugmengen, die Geschwindigkeiten und nicht für das Gewicht. „Und das bedeutet, dass wir sie häufiger werden sanieren müssen, als geplant – auf Kosten der Gemeinde und ihrer Steuerzahler“, sagt Schubert.

Im Bereich des  „Friedhofsknotens“ wurde die Sanierung der Bremer Straße bereits vor neun Jahren vorgezogen. Lange Staus begleiteten die Bauarbeiten. Das dürfte auch 2025 der Fall werden.
Im Bereich des „Friedhofsknotens“ wurde die Sanierung der Bremer Straße bereits vor neun Jahren vorgezogen. Lange Staus begleiteten die Bauarbeiten. Das dürfte auch 2025 der Fall werden. © Lars Hansen | Lars Hansen

Die betroffenen Ortsbürgermeister und -Vorsteher haben deshalb über alle Parteigrenzen hinweg einen Beschluss des Gemeinderats Rosengarten initiiert. Die Gemeinde soll Kontakt zu den Verkehrskoordinatoren des Landkreises Harburg und der Freien und Hansestadt Hamburg aufnehmen, um denen die Befürchtungen der Ortsräte mitzuteilen, Lösungen zu suchen und eine Informationsveranstaltung für die Anwohner zu organisieren. „Soweit wir wissen, hat auch keine Absprache zwischen Hamburg und dem Landkreis stattgefunden“, sagt Andreas Schubert.

Auswirkungen für den Verkehr sind dem Landkreis offenbar durchaus bekannt

Das stimmt so nicht ganz, sagen die Angesprochenen. Bei der regelmäßigen Regionalkonferenz der Hamburger Verkehrsbehörde wurde die Maßnahme Bremer Straße und ihre voraussichtliche Verkehrsführung Ende Februar vorgestellt, danach noch einmal Ende April bei der länderübergreifenden Baustellenkoordinierung für Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein.

An beiden Terminen habe die Verkehrskoordinatorin des Landkreises Harburg teilgenommen, heißt es sinngleich aus Winsen und Hamburg.

Möglichkeit zu reagieren sei nicht gegeben gewesen

„Die Notwendigkeit der Baumaßnahme Bremer Straße ist bereits seit mehreren Jahren Thema im Bereich verschiedener Baustellen-Koordinierungsrunden und auch in Verbindung mit Projekten im Bereich Harburg“, sagt Landkreis-Sprecherin Katja Bendig. „Zeitlich war sie zunächst für Ende der 2020er-Jahre vorgesehen. Anfang 2024 haben sich in Hamburg intern kurzfristig andere Planungen ergeben.“

Da man allerdings vor Ende Februar nicht von den neuen Zeitplänen wusste und die Gespräche über die Planungsstände dann erst anlaufen sollten, sei die Möglichkeit frühzeitig darauf zu reagieren im Grunde nicht gegeben gewesen.

Landkreis Harburg hat seine eigenen Straßenbau-Pläne bereits überprüft

„Die inzwischen geäußerten Bedenken werden seitens des Landkreises Harburg selbstverständlich kommuniziert“, sagt Katja Bendig. „Die Rosengarten-Dörfer selbst haben auch Wege der Kontaktaufnahme mit der Hamburger Verkehrsbehörde initiiert. Die weitere Projektentwicklung mit ihren verkehrlichen Auswirkungen ist derzeit in vielen Bereichen Thema und wird in Überlegungen einbezogen.“

Mehr zur Baustellen-Hochburg Harburg

Offizielle Umleitungen über Straßen im Landkreis Harburg sind von den drei Bauherren an der Bremer Straße – Hamburg Wasser, Autobahn GmbH und Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer – auch nicht vorgesehen. 2024 baut ohnehin zunächst nur Hamburg Wasser und das mit vergleichsweise geringen Verkehrsbeeinträchtigungen.

Von der B75 kommend sollen Autofahrer über A7 und B73 ausweichen

2025 soll die Bremer Straße dann aber ein Jahr lang grundsaniert werden und wird dafür zur Einbahnstraße stadtauswärts. Von der B75 kommend sollen Autofahrer dann über die A7 zur B73 oder über die Maldfeldstraße zur Winsener Straße fahren; alles auf Hamburger Stadtgebiet.

„Gleichzeitig kann aber natürlich davon ausgegangen werden, dass die Gesamtmaßnahme auch auf den hiesigen Straßen zu zusätzlichen Verkehrsbelastungen führen wir“, sagt Kreissprecherin Bendig. „Dies wird seitens des Landkreises Harburg immer wieder mit den verschiedenen Beteiligten thematisiert. Unser Ziel ist es, daraufhin zu wirken, dass die Belastung für die Bürger im Landkreis so gering wie möglich ausfällt.“

Baustellen-Planung im Landkreis Harburg: Auf Pendlerstrecken bleibt alles frei

Der Landkreis Harburg hat außerdem seine eigenen Straßenbau-Pläne bereits überprüft und die Kreisstraßen, die für die Pendlerflüsse während der Bauzeit der Baumaßnahme Bremer Straße dienen, von eigenen Baumaßnahmen freigeplant. Diese Planungen werden derzeit noch einmal angepasst, da sich der Baustart von Hamburg Wasser um einige Monate verschiebt.