Harburg. Die Zahlen geben es nicht her – und doch ist vielen Harburgern im Zentrum mulmig. Die Lösungen könnten unterschiedlicher nicht sein.
Vor der Bezirkswahl hat das Abendblatt die Parteien, die derzeit im Harburger Rathaus vertreten sind, nach ihren Ideen in vier Themenbereichen gefragt: Verkehr, Vielfalt, Wohnungsbau und Sicherheitsgefühl. An vier Tagen präsentieren wir die Antworten von fünf der sechs Parteien, sortiert nach Fraktionsgröße. Die AfD hat nicht geantwortet.
Dazu, sich in seinem Stadtteil und seinem Bezirk wohlzufühlen, gehört auch das Gefühl, sich jederzeit überall frei bewegen zu können, ohne dass einem etwas Übles widerfährt. Das kann man für den Bezirk Harburg generell auch so behaupten: Die Wahrscheinlichkeit Opfer eines Verbrechens zu werden, ist nicht höher, als im Rest der Hansestadt.
Hamburger Bezirkswahl 2024: Im Stadtteil Harburg ist die Zahl der Straftaten hoch
Ein Ausreißer ist aber ausgerechnet der zentrale und namensgebende Stadtteil Harburg. Hier ist die Zahl vieler Straftaten deutlich höher, als im Rest des Bezirks. Zum Teil, weil sich hier mehr Gelegenheit bietet, etwa zum Ladendiebstahl, zum Teil, weil hier sehr viele Menschen aufeinandertreffen und manche davon auch aneinandergeraten.
Auch aber, weil die Sozialstruktur im Stadtteil sichtbare Verbrechen begünstigt, während die dezenten Straftaten woanders verübt werden. Das Sicherheitsgefühl im Bezirkszentrum ist auf alle Fälle ein Dauerbrenner der Politik.
Die Grünen wollen Ursachen bekämpfen, statt Symptome
„Wir nehmen die Ängste unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger ernst und wollen Angsträume durch verschiedenste Maßnahmen reduzieren“, sagt Grünen-Kandidatin Bianca Blomenkamp. „Gerade Quartiere wie das Phoenixviertel benötigen ein Bündel an Maßnahmen.“
Man müsse aber auch darauf achten, dass hier nicht einzelne Personengruppen als die Hauptverantwortlichen für Unsicherheitsgefühle herhalten müssen. „Pauschalisierungen sind hier nicht richtig“, sagt Blomenkamp. „Kriminalität entsteht häufig durch fehlende Perspektiven. Wir wollen Ursachen bekämpfen, nicht Symptome.“
Und noch einer populistischen Forderung erteilt Blomenkamp eine Absage: „Eine Vision, in der öffentlicher Raum lückenlos überwacht wird, ist für uns nicht erstrebenswert und widerspricht jeglichem Freiheitsgedanken!“
SPD: Mehr Miteinander macht mehr Sicherheit
SPD-Spitzenkandidat Frank Richter setzt auf Kommunikation, Information und nachbarschaftliche Zusammenarbeit: „Eine bessere Vernetzung der Akteure in den Stadtteilen sorgt für ein Mehr an sozialer Sicherheit und ein besseres Sicherheitsgefühl“, sagt er.
Gleichzeitig will die SPD mit Bürgerinnen und Bürgern Angsträume erkennen und beseitigen und dort, wo es wirklich notwendig ist, die sichtbare Polizeipräsenz ausbauen. Außerdem haben Richter und Genossen noch ein weiteres Sicherheitsthema im Blick: „Auch ein zügiger Ausbau der neuen Rettungswache in Süderelbe zur Feuer- und Rettungswache ist für das Sicherheitsgefühl der Anwohner notwendig“, so Richter.
CDU: Eine saubere Stadt ist die Grundlage der lebenswerten Stadt
„Die CDU Harburg strebt die Einführung des Bezirklichen Ordnungsdienstes (BOD) an“, sagt CDU-Spitzenkandidat Rainer Bliefernicht. „Ein solcher Dienst, der mit der Einhaltung von Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit („SOS“) insbesondere im zentrumsnahen Gebiet, aber auch in den weitläufigen Harburger Grünanlagen betraut ist, entlastet die Polizei. Ordnungswidrigkeiten können leichter geahndet und das Sicherheitsgefühl bereits durch Präsenz des Dienstes verstärkt werden. Der BOD ist personell entsprechend auszustatten.“
Zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls fordert die CDU, notwendige Fußgängertunnel ausreichend hell zu beleuchten und die Sicherheit zusätzlich durch Videoschutz zu erhöhen. Auch die ausreichende Ausleuchtung von Straßen und Nebenstraßen sowie Fußgängerwegen müsse flächendeckend gewährleistet sein.
Die CDU Harburg setzt sich für eine höhere Präsenz der Polizei in Harburg ein, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen und Kriminalität effektiver bekämpfen zu können. Bei Veranstaltungen im öffentlichen Raum sollten primär staatliche Ordnungskräfte präsent sein. „Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, ist vorrangig eine staatliche Aufgabe“, so Bliefernicht
Die Linke: Verständnis füreinander erhöht das Sicherheitsgefühl
Ähnlich, wie SPD und Grüne, setzt auch die Linke auf das Miteinander als Sicherheitsfaktor. „Dafür braucht es stadtteilbezogene Maßnahmen, die sich an den dortigen Gegebenheiten orientieren und die gefühlte und tatsächliche Sicherheit stärken“, sagt der Linken-Kandidat Jörn Lohmann. „Wir wollen nicht verbieten oder verdrängen, sondern den Rahmen für ein gutes Miteinander schaffen. Wir fordern eine Aufwertung des öffentlichen Raums!“
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Dafür sei es notwendig, dass deutlich mehr Streetworker:innen auf die Straße geschickt werden, dass mehr Sozialarbeiter:innen eingestellt werden und präventiv wirken, „damit die Menschen am Ende einen Mehrwert davon haben und das Verständnis und das Miteinander in den Quartieren gestärkt wird“, so Lohmann
FDP: Sicherheit durch Bildung, Integration und Verfolgung
„Die Menschen in Harburg brauchen nicht nur eine gefühlte Sicherheit, sondern sie sollen sich sicher fühlen, weil sie sicher sind“, sagt Dirk Kannengießer von der FDP.
Das liberale Konzept dafür sei ein Ganzheitliches, das schon in der KiTa beginnt und durch Bildung, kulturelle Integration und die gezieltere Verfolgung und Ahndung von Straftaten setzt. „Kurzfristige Einzelmaßnahmen bekämpfen oft nur die Symptome von Kriminalität und Gewalt, wir möchten jedoch die Ursachen an der Wurzel bekämpfen“, so Kannengießer.