Harburg. Bezirke Harburg und Bergedorf haben die wenigsten städtischen Ladesäulen. Wie sich Politiker eine Verbesserung der Situation vorstellen.
- Im Zuge der Verkehrswende spielt Elektromobilität eine immer größere Rolle
- Wer im südlichsten Hamburger Bezirk sein E-Fahrzeug laden will, muss lange suchen
- Stadtteil-Verkehrskonzepte sollen Ladestellen mehr als bisher berücksichtigen
- In ganz Hamburg sollen 2500 Ladesäulen kommerzieller Anbieter aufgestellt werden
Schon vor Jahrzehnten, als sogenannte „Solarmobile“ durch Harburgs Straßen kurvten, galten Elektroautos als Rettung der Umwelt. Das gilt erst recht, seitdem der Klimawandel ins Bewusstsein der Gesellschaft gerückt ist und es gilt, CO₂ einzusparen.
Die Elektromobilität zu fördern, ist immer noch ein Ziel der Politik. In Harburg merkt man bis heute allerdings wenig davon. Kein Wunder: Wer keine Lademöglichkeit am eigenen Haus hat – womöglich, weil er gar kein eigenes Haus besitzt – muss oft weit fahren, um das Auto laden zu können. Und er oder sie müssen viel Zeit haben, während das Fahrzeug lädt.
Ladesäulen in Hamburg: Harburg und Bergedorf bilden das Schlusslicht
801 städtische Ladesäulen gibt es in der Freien und Hansestadt Hamburg. Gut 750 davon befinden sich in den fünf Bezirken Mitte, Altona, Eimsbüttel, Nord und Wandsbek. Harburg hat im gesamten Bezirk 31 – nur Bergedorf hat noch weniger. Hinzu kommen Ladepunkte auf privatem Grund, wie Supermarkt-Parkplätzen oder Tankstellen.
Das sind in Harburg im Vergleich zu den öffentlichen Säulen noch vergleichsweise wenige. Ladepunkte und Ladesäulen sind nicht dasselbe. Die meisten Ladesäulen können zwei Autos laden, gelten somit als zwei Ladepunkte.
Vor allem der Harburger Osten ist Ladewüste. In den Stadtteilen Wilstorf, Rönneburg, Langenbek und Sinstorf, mit zusammen zirka 30.000 Einwohnern, gab es nach der Schließung des Rewe-Marktes zeitweise gar keine Ladesäule. Mittlerweile gibt es ganz am Rand des Gebiets eine städtische Säule mit zwei Schnellladepunkten sowie neuerdings eine private Ladesäule am Reeseberg und eine am Trelder Weg.
Wirtschaftsbehörde setzt vor allem auf private Stromanbieter
Die beiden letzteren sind bislang in kaum einer Standortkarte verzeichnet und sie haben weitere Probleme: „Sie sind ständig von normalen Autos zugeparkt, und oft funktionieren sie nicht“, sagt Benizar Gündoğdu, SPD-Bezirksabgeordnete, Wissenschaftlerin, Wilstorferin und Unternehmerin mit Elektroauto. „Ich musste schon häufig mit nur noch zwei oder drei Prozent Akku nach Fleestedt oder in die Harburger Innenstadt ausweichen und hoffen, dass ich dort an der Ladesäule ankomme.“
„Bei den städtischen Ladepunkten wird wenigstens dann und wann noch kontrolliert, ob die Autos, die dort stehen, auch E-Autos sind und ob sie auch laden“, sagt Gündoğdu, „aber bei den privaten bleibt das aus und deshalb stehen dort oft andere Fahrzeuge. Wir brauchen mehr öffentliche Ladesäulen in Harburg“, sagt sie.
Die Hamburger Wirtschaftsbehörde will die Ladeinfrastruktur ausbauen. Sie prognostiziert einen Bedarf von 10.000 Ladepunkten in ganz Hamburg im Jahr 2030 und hat damit das erste Problem: Von diesen 10.000 ist die Stadt so weit entfernt, dass sie sich bis 2030 lediglich zutraut, etwa die Hälfte davon schaffen zu können. Und dies sollen auch keine städtischen Ladepunkte werden, sondern von privaten Betreibern im öffentlichen Raum aufgestellt und unterhalten werden.
Klares Ziel: Ladenetz soll auch im Hamburger Süden dichter werden
Wie viele davon in den Bezirk Harburg kommen, ist nicht bekannt. Fest steht, dass das Netz auch im Hamburger Süden dichter werden soll. Die Behörde hat die Vergabe der Stationen in fünf Lose aufgeteilt, die nicht etwa jedes ein festgelegtes Gebiet sind, sondern von denen jedes kleine, über die ganze Stadt verteilte Räume beinhaltet, die versorgt werden müssen. Ein wenig erinnert die Ausschreibungskarte an eine wilde Blühwiese mit fünf verschiedenfarbigen Blumensorten.
Wie der Ausbau tatsächlich laufen wird und mit welcher Priorität die erfolgreichen Bieter dann welche bunten Kartenpunkte in Ladepunkte umwandeln werden, kann man nicht prognostizieren. Rainer Bliefernicht, Spitzenkandidat der CDU für die Bezirkswahl, fürchtet, dass Harburg auch in Zukunft schlechter versorgt ist, als andere Bezirke. „Bislang bestätigt sich unser Bild, dass Harburg stiefmütterlich behandelt wird“, sagt er. „Das muss sich ändern!“
Allerdings gehen andere Bezirksversammlungen mit ihren Forderungen nach Ladeinfrastruktur auch forscher zu Werke, als die Harburger Bezirkspolitik und auch im Bezirksamt gibt es niemanden, der explizit für das Thema zuständig wäre und den Ausbau der Harburger Kapazitäten in Hamburg einfordern könnte.
Grünen-Politiker Michael Sander: „Man muss generell weg vom Auto“
„Wir hatten das Thema dreimal im Mobilitätsausschuss“, sagt der Ausschussvorsitzende und Grünen-Co-Spitzenkandidat für die Bezirksversammlung, Michael Sander. „Und jedes Mal haben wir uns mit den Erklärungen der Fachbehörde zufriedengegeben. Private Autos mit Treibstoff zu versorgen, kann auch nicht öffentliche Aufgabe sein“, so Sander.
„Wo man etwas tun muss, ist in den Mehrfamilienhausgebieten und Reihenhauszeilen. Aber man schafft auch keine Mobilitätswende, indem man jedes Verbrennerauto eins zu eins mit einem Elektrofahrzeug ersetzt. Man muss generell weg vom Auto.“
Können sich etwa nur Wohlhabende die Elektromobilität leisten?
Linken-Kandidat Jörn Lohmann, er wohnt in Wilstorf, sieht das anders: „So, wie es jetzt aussieht, ist Elektromobilität nur etwas für Wohlhabende. Allen, die sich kein Haus mit eigenem Ladeanschluss leisten können, wird ein schlechtes Gewissen gemacht – und es werden Parkplätze abgebaut.“
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Etwas positiver in die Zukunft blickt der SPD-Spitzenkandidat Frank Richter: „Sukzessive kommen schon jetzt immer mehr Ladepunkte nach Harburg, auch von privaten Anbietern“, sagt er. „Im Parkraumkonzept Innenstadt und Binnenhafen sind einige weitere vorgesehen. Und auch im Verkehrsprojekt KoGoMo sowie dem Mobilitätskonzept Heimfeld/Eißendorf, die beide noch in Arbeit sind, werden sicherlich weitere Ladestandorte empfohlen. Großen Nachholbedarf haben wir aber noch im Süderelberaum.“