Rönneburg. Anlieger des Wittheckgrabens in Rönneburg sollen Teile ihres Grundstücks abtreten. Angebot liegt bereits vor. Wie konnte es dazu kommen?

  • Schon in den 1970er-Jahren sollte am Wittheckgraben in Rönneburg ein Naturschutzgebiet entstehen, passiert ist seither nichts
  • Doch nun plant die Stadt hier eine öffentliche Parkanlage
  • Die Anwohner fürchten deshalb um das Idyll in ihren Gärten

Kurz vor Feiertagen erwartet man eigentlich nur nette Post. Doch was den Anliegern des Wittheckgrabens in Rönneburg da in den Tagen vor Weihnachten ins Haus flatterte, las sich überhaupt nicht freundlich und zugewandt: Die Freie und Hansestadt Hamburg in Gestalt ihrer Umweltbehörde BUKEA möchte entlang des Wittheckgrabens eine Parkanlage einrichten.

Dafür sollten die Anlieger einen Teil ihrer Grundstücke abtreten. Die Stadt sei auch bereit, ein bisschen Geld dafür zu zahlen, aber nicht viel. Allerdings würde das nächste Angebot deutlich niedriger ausfallen, sollte man nicht kurzfristig einwilligen – und überhaupt könne man noch anders.

Anwohner in Rönneburg fürchten um ihr Gartenidyll: Stadt bereitet Kaufangebot

Der Wittheckgraben ist ein kleiner Bach. Ungefähr einen halben Kilometer lang fließt durch ihn das Hangwassser der Rönneburger Hügel vom Quellteich unterhalb des Rotbergfelds in Richtung Kanzlershof, wo er in den Seevekanal mündet. Teilweise ist er verrohrt. Dort, wo er offen fließt, bietet er ein idyllisches Bild. Vor allem aus den Gärten der Anlieger betrachtet.

Biologe Jörgen Ringenberg (r.) führt Umweltsenator Jens Kerstan für das Großprojekt „Natürlich Hamburg“ auf die Orchideenwiese im Harburger Stadtpark.
Biologe Jörgen Ringenberg (r.) führt Umweltsenator Jens Kerstan für das Großprojekt „Natürlich Hamburg“ auf die Orchideenwiese im Harburger Stadtpark. © HA | Angelika Hillmer

Es gibt Abschnitte, wie etwa an der Straße Holzhäuser, an denen sich über den Bach hinweg eine Nachbarschaft an beiden Ufern gebildet hat, die keine Grundstückszäune kennt, nur Stege über den Bach. „Wir trauen uns hier alle gegenseitig, besuchen einander und pflegen Nachbarschaft über Grundstücksgrenzen und Generationen. Der Park würde das zerschneiden“, sagt Anwohnerin Angelika Grözinger.

Mitarbeiter der Behörde können Verwirrung der Anwohner nicht verstehen

Die Anlieger verkauften nicht. Stattdessen wandten sie sich an ihre Bezirksabgeordneten. Die CDU sprang als erstes darauf an und forderte Aufklärung von der BUKEA. Was es mit der geplanten Parkanlage denn auf sich habe, wollte man wissen.

Wir pflegen hier Nachbarschaft über Grundstücksgrenzen und Generationen. Der Park würde das zerschneiden.
Angelika Grözinger - Wittheckgraben-Anwohnerin

Ende April referierten Mitarbeiterinnen der Behörde dann im Regionalausschuss Harburg. Sie konnten die Verwirrung nicht verstehen. Erstens sei der Wittheckgraben seit den 1970er-Jahren als Naturschutzfläche ausgewiesen und zweitens wären die Pläne für die Parkanlage Rönneburg seit einigen Jahren im Transparenzportal der Freien und Hansestadt Hamburg zu finden.

Hamburger Transparenzportal selbst für Rechercheprofis schwer durchschaubar

Das Transparenzportal der Freien und Hansestadt Hamburg ist allerdings selbst für Rechercheprofis ein eher hinderlich gestaltetes Hilfsmittel. Außerdem muss man überhaupt erst einmal wissen, dass etwas im Schwange ist, um sein Glück im Transparenzportal zu versuchen.

Einige Hinweise hätte es jedoch schon gegeben. Als Anwohner Warner Hesse vor sechs Jahren das Grundstück neben dem seiner Eltern kaufte, wollte er zunächst eigentlich nur verhindern, dass ein Investor, der dort dichte Wohnbebauung plante, diese Pläne verwirklicht.

Industriemeister wollte für sich und seine Familie ein Haus bauen

Perspektivisch wollte der junge Industriemeister hier für sich und seine Familie ein Haus bauen. Er erhielt den Zuschlag für das Grundstück. Dann aber machte die Freie und Hansestadt Hamburg ihr Vorkaufsrecht geltend. „Bauen darf ich hier nicht“, sagt er, „die Kaufsumme aus dem Vorkaufsrecht wird erst fällig, wenn die Stadt das Grundstück nutzt, und sie liegt deutlich unter dem, was ich dem Vorbesitzer gezahlt habe und nun der Bank schulde.“

Beiderseits der Straße Pepers Seeg ist das Witthecktal sich selbst überlassen.
Beiderseits der Straße Pepers Seeg ist das Witthecktal sich selbst überlassen. © HA | Lars Hansen

Einen Hinweis gab es auch im Abendblatt. Im Sommer 2021 beschrieb unsere Autorin Angelika Hillmer unter dem Titel „Großprojekt: So soll Harburgs Natur gefördert werden“ die Pläne der BUKEA, mit vier Projekten im Hamburger Süden Grünanlagen aufzuwerten und neue Naturschutzgebiete zu schaffen. Darunter war auch der Wittheckgraben. Allerdings waren die Vorstellungen der BUKEA, was genau am Wittheckgraben passieren soll, noch wenig konkret.

Naturschutz seit 1972, aber Maßnahmen seitdem nicht wahrnehmbar

Und in der Tat steht der Wittheckgraben seit den 1970er Jahren, als man erstmals andachte, den Rönneburger und Langenbeker Landwirten die Felder abzukaufen und für den Wohnungsbau zu verplanen, unter Naturschutz, um den Bachlauf von der Bebauung auszunehmen. Aktive Naturschutzmaßnahmen waren seitdem jedoch nicht wahrnehmbar, wenn man die Anlieger fragt.

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„Jedenfalls nicht seitens der Stadt“, sagt Wolfgang Grözinger. „Das sieht man entlang der Straße Pepers Seeg, wo die Grünflächen öffentlich sind. „Dort lässt man alles nur verwildern und zuwuchern. Wir hingegen sorgen hier für Biodiversität und Artenschutz. In unseren Gärten gibt es Blühwiesen für Insekten, die Fledermäuse fühlen sich wohl, hier gibt es eine Nachtigall und Rehe und Füchse durchstreifen unsere Gärten.“

Man wolle entlang des Wittheckgrabens die Natur am Bach erlebbar machen

Die geplante „Parkanlage Rönneburg“ und die drei weiteren Maßnahmen – ein neues Naturschutzgebiet in Neuland, Aufwertungen im Harburger Stadtpark und im Heimfelder Holz – sind Teil des Großprojekts „Natürlich Hamburg“, 17 zum Teil sehr verschiedene Vorhaben in den Außengebieten der Hansestadt. „Entlang des Wittheckgrabens wollen wir die Natur am Bach erlebbar machen“, sagte Projektleiterin Barbara Engelschall im Ausschuss.

Von Rotbergfeld bis Dieckdamm soll ein Fußgängerweg nördlich am Bach entlanggehen, ähnlich, wie entlang der Engelbek in Langenbek. Verrohrte Partien sollen offengelegt, unerlaubt angelegte Stauteiche aufgelöst werden, dafür neue Amphibienteiche geschaffen werden. Die gesamte Anlage wollen die Planer naturnah nach den Vorstellungen von BUKEA und Umweltverbänden gestaltet wissen.

Um die Parkpläne zu verwirklichen, braucht die Stadt Land von den Anliegern

Ein Problem, das die BUKEA in Rönneburg hat: Nur die Hälfte der Grundstücke in der geplanten Parkanlage gehört der Stadt. Der Rest ist Privatbesitz. Zumindest einen großzügigen Uferstreifen müssten die Anwohner abtreten. Die jedoch fühlen sich durch das plötzliche Kaufangebot unter Druck gesetzt und verärgert. „Wir wollen hier alle nicht verkaufen, sondern lieber unsere schöne Nachbarschaft erhalten“, sagt Heike Helssen, eine Nachbarin der Grözingers.

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Was die Anwohner aber befürchten, ist eine Enteignung im Namen des Naturschutzes. Jedenfalls, sagen sie, wurde dies im Kaufangebot durch den Landesbetrieb Immobilien und Grundvermögen (LIG) der Freien und Hansestadt Hamburg zwischen den Zeilen angedeutet. Diesbezüglich wurden sie allerdings schon im Regionalausschuss beruhigt. Enteignungen seien nicht geplant.

In den nächsten fünf Jahren seien keine Maßnahmen geplant, sagt die Stadt

Das wiederholt auch die Pressestelle der BUKEA. Die vorgestellten Maßnahmen am Wittheckgraben seien eher wie der Vorschlag einer Ideallösung zu sehen. „Inwiefern eine Lösung ohne Flächenerwerb möglich ist, die den Zielen des Naturschutzgroßprojekts ,Natürlich Hamburg!‘ Rechnung trägt, wird noch geprüft“, schreibt Sprecherin Franziska Fleischhauer.

„Konkret sind in den kommenden fünf Jahren keine weiteren Maßnahmen geplant. Ob die Freie und Hansestadt Hamburg in dieser Zeit weitere Angebote zum Ankauf macht, ist noch offen.“