Harburg. Lang gehegter Wunsch Harburger Bühnenfans geht endlich in Erfüllung. Was die nächste Spielzeit bringt – von Loriot bis Siegfried Lenz.
- Eine echte Premiere miterleben – für viele Theaterfans ist das ein unvergessliches Ereignis
- In Harburg war das bislang nicht möglich, hier konnten aus Budgetgründen nur Wiederaufnahmen gezeigt werden
- Umso größer durfte nun die Freude unter den Harburger Theaterfans sein
In seiner kommenden Saison hält das Harburger Theater für seine Besucherinnen und Besucher eine Köstlichkeit bereit: Eine echte Premiere, eine Theaterproduktion also, die auf keiner anderen Bühne zuvor gezeigt wurde. Endlich dürfen Harburger Theaterliebhaberinnen und -liebhaber es sich in den Sesseln ihres Theaters gemütlich machen, mit diesem Gefühl, dass das, was jetzt gleich auf der Bühne geschieht, in erster Linie für ihre Sinne bestimmt ist.
In erster Linie – darum geht´s. Natürlich gab es auch in den 21 Spielzeiten davor Premieren in Harburg, sogenannte „Harburg-Premieren“. Diese Produktionen waren alle zu früheren Zeitpunkten schon in den Hamburger Kammerspielen oder dem Altonaer Theater gezeigt worden, an den anderen Standorten des Theaterbetriebs Stäitsch. Das Bergedorfer Theater „Haus im Park“, das ebenfalls zum genannten Verbund gehört, teilte bisher Harburgs Schicksal, auch hier liefen Wiederaufnahmen.
Bisher fehlte das Budget für Premieren am Harburger Theater
Den großen Hunger der Harburger hat Axel Schneider, seit 2003 Intendant aller vier Häuser, also geschickt geschürt. Immer wieder hagelte es Kritik. Nun will man dem Harburger Publikum entgegenkommen, machte Schneider während eines Pressetermins zur Vorstellung der neuen Spielzeit 2024/2025 immer wieder deutlich. In der Vergangenheit habe schlichtweg das benötigte Budget gefehlt. „Wir freuen uns, in Harburg eine Neuproduktion machen zu können, was wir sonst aufgrund fehlender Subventionen nicht konnten“, sagte er.
Genau genommen sind es sogar zwei neue Produktionen, die Schneider in seiner 22. Saison in Harburg präsentiert. Die eine kommt eher zufällig daher: Am 4. Oktober startet das Harburger Haus mit „Loriots heile Welt“, zu erleben sind unter anderem Hannelore Droege und Frank Roder.
„Das Gesicht“ von Siegfried Lenz feiert in Harburg Premiere
Nachdem „Loriots dramatische Werke“ – hier sollte es schon 2022 eine Hamburg-Premiere in Harburg geben, die dann der Pandemie zum Opfer fiel –, großen Erfolg in Harburg und Altona feierten, soll nun ein weiterer Klassiker des bekannten Komikers auf die Bühne gebracht werden. Durch Verzögerungen findet die Premiere erfreulicherweise in Harburg statt.
Die zweite Premiere, auf die sich das Harburger Publikum freuen darf, soll am 8. November gezeigt werden: „Das Gesicht“ von Siegfried Lenz. Am Deutschen Schauspielhaus fand 1964 die Uraufführung statt. Der Todestag des bedeutenden deutschen Autors jährt sich am 7. Oktober dieses Jahres zum zehnten Mal, am 17. März 2026 wiederum wäre der Hamburger mit ostpreußischen Wurzeln 100 Jahre alt geworden.
Regie führt bei „Das Gesicht“ Oberspielleiter Georg Münzel. Bei dem Pressetermin in dieser Woche nahm er eine Frage auf, die Axel Schneider schon vorweggestellt hatte: Man habe sich gefragt, welche Rolle das Theater in dieser schwierigen Zeit einnehmen müsse, ob es für Ablenkung und Unterhaltung sorgen müsse oder stattdessen vielmehr die Beschäftigung mit den aktuellen realen Bedrohungen in den Vordergrund stellen solle. Mit „Das Gesicht“ können man beides vereinen, betonte Münzel.
Die Komödie von Siegfried Lenz bietet aktuelle Bezüge
Im Zentrum der Geschichte steht ein Biedermann, dessen Leben wunderbar unaufgeregt ist, bis er aufgrund seines Aussehens in die Rolle des Präsidenten einer fiktiven totalitären Diktatur schlüpft. Zunächst ist er als Double engagiert, er tut, was ihm befohlen wird, weil er sich erpressbar gemacht hat. Dann muss er ihn tatsächlich repräsentieren und ist dabei überraschend echt und brutal. Gleichzeitig passieren jede Menge komische Dinge, die zum Lachen bringen.
Münzel berichtete, er habe sich durch den Stoff auch an den Hollywoodstreifen „Dave“ von 1993 erinnert gefühlt. „Die Geschichte bietet viel Doppeldeutigkeit und viel Aktualität“, sagte er.
Das Thema Achtsamkeit wird auf die Schippe genommen
Auch im Programm für 2024/2025 steht „Die Laborantin“, Regisseur ist Sewan Latchinian. Die Berlinerin Lilli Fichtner ist in der Hauptrolle zu sehen. Es handele sich um ein großartiges Stück für Jung und Alt, sagte Axel Schneider. Insbesondere für Schulklassen sei es interessant, könne er sich vorstellen, da es Ausblicke in die Zukunft biete. Handlungsraum ist eine sogenannte Wachstumsbranche: Menschen werden ihren Genen gemäß beurteilt.
Außerdem wird „Achtsam modern“ wiederaufgenommen. „Ich freue mich total, dass wir das nach Harburg bringen“, sagte Münzel, der bei dem Stück als Schauspieler in viele Rollen schlüpft. Im Zentrum steht ein Mann, der von seiner Frau dazu gezwungen wird, ein Achtsamkeit-Seminar zu besuchen – vor lauter Balance passiert ihm dann aber auch ein Mord.
„Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ wird aufgeführt
Auch das Stück „Eine verhängnisvolle Affäre“, das sehr erfolgreich in den Hamburger Kammerspielen gezeigt wurde, findet in der kommenden Saison seinen Weg nach Harburg, außerdem „Die Bücherinsel“ nach einem Roman von Janne Mommsen. Bei Letzterem spielt Nadja Wünsche eine Frau mit Lese- und Schreibschwäche, die sich in einen Deutschlehrer verliebt.
Die kleinen Theaterbesucherinnen und -besucher sollen auch auf ihre Kosten kommen: Der Klassiker „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ wird aufgeführt, außerdem „Das Neinhorn“. Eine „Jazz & Blues Night“ ist geplant, gleich zu Beginn der Spielzeit am 18. Oktober wird das Musical „Backbeat – Die Beatles in Hamburg“ aufgeführt und zu Silvester ist ein Auftritt von dem Bühnenzauberer Mellow Magic geplant.
Rund 800 Abonnenten zählt das Harburger Theater
Das Harburger Theater zählt aktuell rund 800 Abonnentinnen und Abonnenten. Vor der Corona-Pandemie seien es einmal 1500 gewesen, berichtete Schneider. „Wir bemühen uns, auch ein junges Publikum zu erreichen, aber wir wollen auch die Wünsche unserer treuen Kunden stärker einbeziehen“, verkündete der Intendant. Unter anderem sei eine Umfrage geplant, mittels der man herausfinden will, was das Bestandspublikum sich wünscht.
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Man wolle sich mehr als kleines Stadttheater begreifen, führte Schneider aus: „Ich merke ein neues Kick-off-Gefühl.“ Nach der Pandemie sei man besonders froh, die Berufe am Theater wieder ausüben zu können. Gerade jetzt, im Hinblick auf eine besonders besorgniserregende Nachrichtenlage, sei Kultur umso wichtiger.