Harburg. „A long way down“ des britischen Kultautors hat alles, was ein grandioser Theaterabend braucht: Drama, Witz und Emotionen. Bloß hin!
- Wenn vier junge Menschen ihrem Leben ein Ende setzen wollen, ist das nicht unbedingt lustiger Theaterstoff
- Eigentlich. Aber wenn man eine gute Inszenierung erwischt, kann sich genau das Gegenteil einstellen
- Am Harburger Theater ist das beim aktuellen Stück „A long way down“ nach der Romanvorlage von Nick Hornby der Fall
„Sich zu toppen“ – „to top oneself“ ist eine flapsige englische Redewendung dafür, sich das Leben zu nehmen, sinnbildlich für den Sprung von einer Klippe oder einem Dach (Top) in die Tiefe und in den Tod. Das „Topper’s House“ auf dem sich die vier Charaktere von Nick Hornbys „A Long Way Down“ treffen, ließe sich mit derselben Flapsigkeit auch als „Springer-Hochhaus“ übersetzen, aber uns Deutschen geht die britische Pietätlosigkeit eher ab.
Deswegen ist es auch ein kleines Wagnis, Hornbys Selbstmorkandidaten-Roman für eine deutsche Bühne zu adaptieren. Axel Schneider, Intendant des „Stäitsch“-Bühnenverbundes, hat gewagt und gewonnen. Am Sonntag hatte „A Long Way Down“ seine Harburg-Premiere, und das Publikum war begeistert.
Nick-Hornby-Humor am Harburger Theater: Ein Wagnis, das gelingt
Martin, Maureen, JJ und Jess haben sich nicht zum Selbstmord verabredet. In dieser Silvesternacht ist jeder von ihnen vermeintlich allein auf das Dach des „Topper’s House“ gekommen, um hier ungestört sein Ende hinter sich zu bringen. Deswegen ist jeder auch erst einmal enttäuscht, die anderen zu treffen. Weil sich aus dieser Enttäuschung Gespräche ergeben, erfährt der Zuschauer die unterschiedlichen Motive für die Lebensmüdigkeit der Charaktere.
Der zynische Martin (Kai Hufnagel) ist aus dem Fernsehstar-Himmel gefallen, weil er mit einer 15-Jährigen schlief. Maureen (Anne Schieber) ist ausgelaugt und vereinsamt, weil sie 20 Jahre lang alleinerziehend ihren mehrfachbehinderten Sohn gepflegt hat. Jess‘ (Chantal Hallfeldt) Schwester ist vor einiger Zeit verschwunden und jetzt hat sie gerade ihr Freund sitzen lassen, was die impulsive Teenagerin zu irrationalen Absichten treibt. Und den Pizzaboten JJ (Johan Richter) hat die Erkenntnis, dass er wohl doch nie ein Rockstar wird, aus der Bahn geworfen.
Die vier fangen an, sich gegenseitig ihre Selbstmordgedanken auszureden
Das erfahren natürlich nicht nur die Zuschauer, sondern auch die Figuren selbst übereinander. Und weil jeder nur sein eigenes Leid für die ultimative Begründung des finalen und fatalen Schritts hält, fangen die vier an, sich gegenseitig ihre Selbstmordgedanken auszureden, zunächst noch in der Hoffnung, die jeweils anderen drei würden bald mal gehen, damit man abtreten kann. Nach und nach verfängt das Ausreden allerdings bei allen vieren. Man beschließt die kollektive Freitodverschiebung von Silvester auf den Valentinstag und zieht los, um Jess‘ Ex-Freund gründlich die Meinung zu geigen.
Im Laufe des Stücks erfahren die vier grundverschiedenen Charaktere immer mehr übereinander und damit auch über sich selbst und ihre Krisen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute, denn umbringen tut sich keine der dramatis personae. Zum Happy End singen sie einen Beatles-Song darüber, wie das Leben weitergeht.
Pierce Brosnan und Toni Colette spielen die Hauptrollen in der Roman-Verfilmung
Der Weg dahin ist es aber, der die schwarze Komödie so sehenswert macht: Wie der zynische Martin langsam menschlicher wird, die tiefstdeprimierte Maureen langsam Hoffnung schöpft, die über das doppelte Verlassenwerden zornige Jess ihre Aggressionsimpulse unter Kontrolle bekommt und JJ aufhört, geplatzten Träumen nachzuhängen.
Das bringt das Ensemble überzeugend über die Rampe. Während Hufnagel, Schieber und Richter das Stück bereits in den Vorjahren auf anderen „Stäitsch“-Bühnen aufführten, war Harburg für Chantal Hallfeldt am Sonntag eine Premiere in der Rolle der Jess. Sie meisterte die Aufgabe mit Bravour.
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Es gibt eine Verfilmung der Romanvorlage. Sogar Pierce Brosnan und Toni Colette spielen mit. Der Film ist nicht schlecht. Die knapp zwei Stunden im Harburger Theater sind allerdings noch einmal deutlich unterhaltsamer, als die 91 Minuten vor dem Fernseher. Dafür sorgen sowohl Schneiders Adaption, als auch Christian Nickels auf perfektes Timing bedachte Regie.
Weitere Aufführungen des Stücks: Sonnabend, 9. März 19.30 Uhr; Sonntag, 10. März, 15 Uhr. Karten ab 20 Euro unter www.harburger-theater.de oder an der Kasse des Helms-Museums.