Harburg. Aus für beliebte Einrichtung am Küchgarten in Harburg. Im März geht sie mit neuem Konzept wieder an den Start. Wer davon profitiert.

Das Harburger Sozialkaufhaus fairKauf am Küchgarten wird am Mittwoch schließen. Allerdings nicht, wie im Herbst zu befürchten war, für immer, sondern für eine Umbaupause. Zum ersten März soll es in verkleinerter Form mit neuem Konzept weitergehen. Und dann sogar mehr Kunden ansprechen als bisher.

Im September 2023 berichtete das Abendblatt erstmals darüber, dass die Zukunft des Kaufhauses aufgrund von geplanten Kürzungen im Bundeshaushalt (umgesetzt durch das Jobcenter Hamburg) ungewiss sei. Davon betroffen sind knapp 60 Mitarbeiter, die im Rahmen von AGH-Stellen (Arbeitsgelegenheiten, früher Ein-Euro-Jobs) aus der Arbeitslosigkeit geholt wurden. Aber auch durchschnittlich 300 Kunden, die die soziale Einrichtung in der Harburger Innenstadt täglich besuchen, um preisgünstig gut erhaltene Gebrauchtwaren zu kaufen. 2010 gegründet, ist „fairKauf hamburg“ zur Institution geworden.

Harburger Sozialkaufhaus besteht seit 14 Jahren. Jetzt gibt es massive Veränderungen

Schon im Herbst stand fest: Die Förderung von Langzeitarbeitslosen in Form von AGH ist ein Auslaufmodell. Die Stellen werden generell nur für ein Jahr vergeben. Entsprechend hoch ist der Verwaltungsaufwand für die Beschäftigungsträger, im Fall des Harburger Kaufhauses für den Verein InVia Hamburg. Dessen Geschäftsführerin Sandra Kloke hat sich deshalb um einen anderen Förderweg bemüht: die Förderung nach dem Paragrafen 16i unter dem Stichwort „Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Dabei werden „normale“ Arbeitsvertäge abgeschlossen, und der Arbeitgeber erhält von den Jobcentern über fünf Jahre hohe Lohnkostenzuschüsse.

Am Montag, zwei Tage vor der Schließung, ist das Sortiment schon ausgedünnt. Möbel soll es auch später noch zu kaufen geben.
Am Montag, zwei Tage vor der Schließung, ist das Sortiment schon ausgedünnt. Möbel soll es auch später noch zu kaufen geben. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

In den ersten beiden Jahren übernimmt der jeweilige Jobcenter die Lohnkosten komplett, im dritten Jahr zu 90 Prozent, im vierten zu 80, im fünften zu 70 Prozent. „Wir haben bereits im Rahmen des Quartiersprojekts Upcycling Manufaktur 30 16i-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Küchgarten“, sagt Kloke. Nun sollen bis zu 20 Stellen hinzukommen, um den Kaufhausbetrieb aufrecht zu halten. Die selbst zu tragenden Lohnkosten erwirtschaftet fairKauf mit seinen Umsätzen.

Aus 60 geförderten Stellen sollen 20 Stellen werden. Café geht verloren

Zum Ende des Monats läuft die Förderung der 60 AGH-Stellen aus. Maximal 20 Stellen mit Lohnkostenzuschuss können neu geschaffen werden, wenn sich Bewerber finden, die die Voraussetzungen für die Förderung erfüllen. Allerdings ist diese erst einmal bis Ende 2024 befristet. Und: „Anders als bei AGH kann ich mit den Stellen nicht fest rechnen. Vielmehr wird jeder Einzelfall geprüft“, so Kloke. Zunächst gibt es zum Monatsende einen Schnitt: Für alle AGH-Kräfte, und auch für die pädagogischen und Verwaltungs-Mitarbeiter, endet dann das Projekt.

Verkleinert und mit neuen Förderbedingungen soll es im März weitergehen. Angesichts der unklaren Zukunft und mit dem Ziel, das Kaufhaus auf jeden Fall zu erhalten, hatte Kloke mit dem Vermieter im Herbst vereinbart, zum Jahreswechsel das erste Obergeschoss abgegeben. Damit mussten das Café und die Textilwerkstatt geschlossen werden. Auch einige Büros müssen ins Erdgeschoss umziehen. Hier wird zukünftig weniger Personal gebraucht, da die 16i-Beschäftigten anders als bei den AGH weniger stark betreut werden.

Mehr zum Thema

In der kommenden Woche beginnen Abbrucharbeiten im Obergeschoss. Deshalb wird fairKauf schon vom kommenden Mittwoch (24. Januar) an vorübergehend schließen. Kloke hofft, bis zum Neustarkt möglichst viele neue Kräfte mit den geförderten Arbeitsverträge zugewiesen zu bekommen. „Wir versuchen alles, dass die Kunden von der Umstrukturierung möglichst wenig merken.“ Auch Möbel solle es weiterhin geben, inklusive Abhol- und Lieferservice.

Nurdzhihan Emin hat in Harburg eine neue Beschäftigung gefunden. Im Sozialkaufhaus hat sie ihr Deutsch verbessert und ihre Depression in den Griff bekommen.
Nurdzhihan Emin hat in Harburg eine neue Beschäftigung gefunden. Im Sozialkaufhaus hat sie ihr Deutsch verbessert und ihre Depression in den Griff bekommen. © Angelika Hillmer | Angelika Hillmer

Die größte Veränderung wird es im Kundenkreis geben: fairKauf Hamburg wird ein „Kaufhaus für alle“. Anders als bei den AGH-Maßnahmen ist das Sozialkaufhaus zukünftig nicht mehr beschränkt auf Menschen, die Bürgergeld oder Grundsicherung beziehen, deren monatliches Einkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze liegt. „Wir haben jetzt die Chance, unser Kaufhaus für andere Zielgruppen zu öffnen“, sagt Kloke. Sie denkt dabei etwa an Rentner, Studierende und andere Menschen mit niedrigem Einkommen. Jede und jeder wird dort einkaufen können, sagt sie und betont den integrativen Aspekt. Niemand werde ausgegrenzt.

Harburger Neustart: An der Kasse zeigt sich „Zwei-Klassen-Gesellschaft“

Dass es dann eine heimliche „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ gibt, zeigt sich erst an der Kasse: Die bisherige Kundschaft ist im Besitz von Kundenkarten und zahlt weniger als Besucher ohne Kundenkarte. Kloke nennt ein Beispiel: „Wer mit Kundenkarte ein Sakko kauft, muss vielleicht drei oder fünf Euro bezahlen, alle anderen 20 Euro.“ Das neue Preissystem soll schon zur Wiedereröffnung gelten.

Anders als viele andere Hamburger AGH-Porjekte kann auch das Neugrabener Sozialkaufhaus des Hamburger Vereins KoALA zunächst weitermachen. Beim im SEZ an der Cuxhavener Straße beheimateten Kaufhaus wurden allerdings zunächst nur die AGH-Maßnahmen um drei Monate verlängert.