Harburg. Heute ist Katharina Curtius Unternehmerin und „Handwerkerin des Jahres“. Dafür musste sie einen Rosenkrieg und wahre Geldsorgen überwinden.

  • Katharina Curtius, Hamburger „Handwerkerin des Jahres“, führt mit Leidenschaft ihr eigenes Zahntechnikunternehmen in Harburg
  • Der Weg zur Gründung ihres Labors war steinig und von privaten Sorgen und Geldproblemen begleitet
  • Doch auch ein Rosenkrieg, hohe Schulden und die Verantwortung für zwei Kinder konnten die gebürtige Polin nicht stoppen

„Ich brenne für das Thema Handwerk“, sagt Katharina Curtius und strahlt. Sie brennt nicht nur für ihr Handwerk, die Zahntechnik, sondern auch für ihr kleines Unternehmen, das sie in Harburg gegründet hat. Und für ihre beiden erwachsenen Kinder. Unter widrigen Bedingungen hatte Curtius zunächst ihre Meisterprüfung abgelegt und ein knappes Jahr später das Labor Selig an der Maretstraße übernommen, mit moderner Technik versehen und damit in die Zukunft geführt. Seit November darf sich Curtuis Handwerkerin des Jahres nennen, sie setzte sich beim Handwerkerpreis der Handwerkskammer und der Haspa unter Kollegen aller Handwerksbereichen durch.

Über Jahrzehnte hatte die gebürtige Polin bereits als Zahntechnikerin gearbeitet, als sie sich 2015 entschied, ihren Meister zu machen. Ihr sei es wichtig, ihr Wissen an die nächste Generation, an Auszubildende, weitergeben zu können. Curtius wohnte mit ihrer Familie im Taunus. „Mein Sohn war damals 15 und hatte für das Abitur gelernt. Ich habe mir gesagt: Was er kann, kann ich auch. So lernten wir eine zeitlang gemeinsam.“ Jan Alexander war allerdings deutlich schneller am Ziel. Er machte mit 16 Abitur. Mit der Note 1,3.

Zahntechnikerin in Harburg: Meisterausbildung in der Freizeit dauert fünf Jahre

Die Meisterausbildung läuft über fünf Jahre, immer freitags am Abend und jeden Sonnabend, parallel zu Job und Familie. „Es geht nicht nur um Werkstoffe und Technik, auch um Anatomie. Man muss den gesamten menschlichen Körper kennen. Etwa um bei Allergien die richtigen Materialien zu wählen.“ Auch Rhethorik und Buchhaltung standen auf dem Lehrplan. Schließlich gründen ausgelernte Meister oft eigene Betriebe.

Die praktischen und mündlichen Prüfungen im März und Mai 2020 standen unter keinem guten Stern: „Im Oktober 2019 hatte mich mein Mann für eine 30 Jahre jüngere Frau verlassen. Und zur Prüfungszeit brach Corona in Deutschland aus.“ Die Prüfungen wurden zum Glück dennoch durchgezogen. Curtius bestand. Ihr Sohn studierte inzwischen Medizin in Rumänien. Die beiden Frauen der Familie wollten in dem Haus, das Teil eines Rosenkriegs geworden war, nicht mehr wohnen. Ein Ortswechsel musste her. „Mich zog es nach Lübeck, an die Ostsee. Denn ich bin in Stettin geboren“, sagt die heute 54-Jährige. „Aber meine Tochter wollte lieber nach Hamburg.“ Johanna Maria hat 2023 in Niendorf Abitur gemacht.

Hamburg: Erst fehlte der Job, dann die Wohnung

Monatelang pendelte Katharina Curtius zwischen dem Taunusort Wehrheim und Hamburg, erst auf der Suche nach einem Job. Dann auf der Suche nach einem Labor. Dann auf der Suche nach einer Wohnung. Vorhandene Jobangebote konnte sie nicht annehmen, weil die Gehälter angesichts ihrer finanziellen Lasten im Scheidungsverfahren nicht ausreichten. Ihr Mann war arbeitslos geworden. Sie musste die Schulden auf dem Haus allein abbezahlen und auch für die Kinder sorgen. So wählte sie den Weg in die Selbstständigkeit.

Unter drei Angeboten entschied sich Curtius, das Harburger Labor Selig zu übernehmen. Der Kaufpreis war überschaubar, aber die Räumlichkeiten und Ausstattung mussten dringend modernisiert werden. Mit einem Haspa-Gründungsdarlehen und „immer, wenn Geld da war,“ erhielt das Labor nach und nach modernste Technik. So hat ein 3D-Scanner Einzug gehalten, und sämtliche Brennvorgänge werden nicht mehr mit Gas, sondern mit Strom per Induktion durchgeführt.

In schwierigen Fällen fährt die Technikerin zum Patienten beim Zahnarzt

Heute fertigt das Labor für neun Zahnärzte Kronen, Brücken, Implantate, Voll- und Teilprothesen, Modellgüsse, Korrektur- und Knirscherschienen an. Ein Geselle steht Curtius zur Seite, dazu ein Azubi, zwei Bürokräfte und zwei Fahrer. Bei komplizierten Fällen fährt die Zahntechnikerin auch schon mal in die Praxen ihrer Kunden und schaut zusammen mit dem Zahnarzt den Patienten in die Münder. Der Kontakt mit den Betroffenen sei oft wichtig, weil sie schildern können, was zum Beispiel an einer nicht sitzenden Zahnprothese konkret stört, sagt die Technikerin.

Auszeichnung zur Handwerkerin des Jahres 2023: Katharina Curtius (Mitte) mit (v.l.) Handwerkskammerpräsident Hjalmar Stemmann, Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard, Gerriet Stadtlander (Handwerksbetrieb des Jahres), Haspa-Vorstand Olaf Oesterhelweg und Harald Vogelsang.
Auszeichnung zur Handwerkerin des Jahres 2023: Katharina Curtius (Mitte) mit (v.l.) Handwerkskammerpräsident Hjalmar Stemmann, Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard, Gerriet Stadtlander (Handwerksbetrieb des Jahres), Haspa-Vorstand Olaf Oesterhelweg und Harald Vogelsang. © ROMANUS FUHRMANN | Romanus Fuhrmann

Die Leidenschaft für gute handwerkliche Arbeit ist ihr bei jedem Satz anzumerken. Diese hat sicher dazu beigetragen, dass Katharina Curtius im November mit dem Hamburger Handwerkspreis ausgezeichnet wurde. Im Mai hatten die Haspa und die Handwerkskammer Hamburg öffentlich dazu aufgerufen, Vorschläge einzureichen. Gesucht wurden „außergewöhnliche, überraschende und nachhaltige Leistungen jenseits des Alltäglichen“ in der Hamburger Handwerkerschaft. Eine Jury aus Handwerkskammer und Hamburger Sparkasse wählte die Finalistinnen und Finalisten aus. Die Sieger wurden in einem öffentlichen Online-Voting ermittelt.

Nachdem Fachabitur in Schwelm folgt die Ausbildung

Sie habe sich sehr über den Preis gefreut, sagt Curtius. Weitere Kunden habe sie dadurch allerdings noch nicht bekommen. Und die bräuchte sie, um ihr kleines Unternehmen auf sichere Beine zu stellen – 2023 hatte sie einige Monate unentgeltlich gearbeitet, weil die Kassenlage ein eigenes Gehalt nicht hergab. Ihr Ziel sei, weitere zwei bis drei Zahnarztpraxen zu gewinnen und ihr Labor weiter zu modernisieren, sagt die Jungunternehmerin.

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Dass Katharina Curtius Zahntechnikerin wurde, ist im Grunde dem Arbeitsamt in Schwelm zu verdanken. Dort hatten sich ihre Eltern niedergelassen, nachdem sie mit ihrem damals 18-jährigen Sohn und der 14-jährigen Katharina von Polen nach Deutschland ausgesiedelt waren. Vater Curtius war Arzt und gründete eine Praxis. Tochter Katharina sprach kein Wort Deutsch und wurde deshalb an die Hauptschule verwiesen.

Frauen sollten mutiger sein, findet die Harburger Zahntechnikerin Katharina Curtius

„Ich lernte die Sprache, machte den Realschulabschluss. Als in der elften Klasse neben Englisch die zweite Fremdsprache Französisch hinzu kam, war ich überfordert. Ich ging nach der zwölften mit Fachabitur ab.“ Auf Jobsuche sei ihr beim Arbeitsamt gesagt worden, sie könne entweder Bauzeichnerin oder Zahntechnikerin werden. Sie wählte die Zahntechnik. Es folgte eine Ausbildung in Remscheid. Im Alter von 23 Jahren zog sie nach Hamburg, lernte sechs Jahre später ihren Mann kennen und folgte ihm nach Hessen.

Katharina Curtius musste viele Hürden nehmen, bis sie ihre berufliche Erfüllung in Harburg fand. Noch ist ihr Labor wirtschaftlich nicht ganz in trockenen Tüchern, aber sie ist sicher, dass sie es schafft: „Man muss bei sich bleiben, nicht gleich aufgeben. Und das Ziel haben, immer besser zu werden.“ Anderen Frauen mit Ambitionen, sich selbstständig zu machen, ruft sie zu: „Traut Euch! Auch mit über 50 Jahren kriegt man das hin!“ Sie brenne auch für das Frauenthema, sagt Katharina Curtius.