Harburg. In den Harburger Sozialkaufhäusern bekommen Bedürftige Möbel und Kleidung. Warum die Einrichtungen auf der Streichliste stehen

  • Sozialkaufhäuser im Hamburger Süden: Drei Standorte stehen auf der Streichliste
  • Bezirkspolitiker in Harburg wollen sie – fast alle – erhalten
  • Letzte Entscheidung fällt im November

Das drohende Aus für die Sozialkaufhäuser im Bezirk Harburg beschäftigte die Harburger Bezirkspolitik. Nachdem fast alle Fraktionen der Bezirksversammlung, mit Ausnahme der AfD, eigene Anträge zum Erhalt der Arbeits- und Einkaufsgelegenheiten eingebracht hatten, haben sie sich jetzt auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt, in dem sie fordern, dass die Budget-Kürzungen, die zur Schließung der Sozialkaufhäuser in Harburg und Neugraben führen, zurückgenommen werden.

Auch wenn der Antrag unter der großen Mehrheit der Abgeordneten abgesprochen war, kam er bei der Sitzung am Dienstagabend zur Debatte. Angenommen wurde er dann einstimmig.

Drei Standorte stehen auf der Streichliste – in Neugraben, Harburg und Wilhelmsburg

Angekündigte Sparvorgaben aus dem Bundesfinanzministerium führen dazu, dass das Jobcenter „Team Arbeit Hamburg“, das für die Stadtteil-Jobcenter in der Hansestadt zuständig ist, den Etat für die sogenannten „Arbeitsgelegenheiten“ (AGH) – das sind Einrichtungen, in denen Langzeitarbeitslose wieder an das Arbeitsleben herangeführt werden – halbiert hat. Von bislang 1600 AGH-Stellen in ganz Hamburg sollen nur noch 800 übrig bleiben. Auf der Streichliste stehen neben dem Sozialkaufhaus „Fairkauf“ am Küchgarten in Harburg und dem „KoAla“ im Süderelbe-Einkaufszentrum im Hamburger Süden auch noch das Kaufhaus „SpenDabel“ in Wilhelmsburg. Alle drei verkaufen gespendete, oftmals aufgearbeitete, Gebrauchtwaren zu günstigen Preisen an Bedürftige.

Anlaufstellen für Hunderte, die sich reguläre Kleidungs- und Möbelgeschäfte nicht leisten können

Damit erfüllen sie in ihren Stadtteilen Funktionen, die über die AGH-Maßnahme weit hinaus gehen. Wie Viktoria Ehlers, Fraktionsvorsitzende der FDP es am Beispiel Fairkauf formulierte: „Die Einrichtung ist Anlaufstelle für hunderte Harburgerinnen und Harburger, die es sich finanziell nicht leisten können, normale Bekleidungs- und Möbelgeschäfte zu besuchen.“

Ehlers ging dabei auch hart mit ihrem Parteivorsitzenden, Bundesfinanzminister Christian Lindner, ins Gericht: „Solche Entscheidungen kann man nur treffen, wenn man kein Gespür für die Auswirkungen vor Ort hat, weil man im fernen Berlin sitzt!“, sagte sie unter großem Applaus der Abgeordneten

Ein Blick in die Schneiderei des Sozialkaufhauses fairKauf am Küchgarten 19 in Harburg.
Ein Blick in die Schneiderei des Sozialkaufhauses fairKauf am Küchgarten 19 in Harburg. © Harburg | Angelika Hillmer

In acht AGH-Maßnahmen sind 150 der 1000 Langzeitarbeitslosen im Bezirk Harburg beschäftigt. 15 Plätze sind derzeit unbesetzt. Ein geplantes Ende der Förderung ist bislang für drei Projekte bekannt: neben den beiden Sozialkaufhäusern auch noch der Schreibservice in Süderelbe.Team-Arbeit-Hamburg-Chef Dirk Heyden sieht seine Pläne nicht als Streichung der 800 hamburgweiten AGH-Stellen, sondern als Rettung der 800 anderen.

Falsche Verteilung vorhandener Mittel oder Schutz der verbleibenden Einrichtungen?

„In dieser Phase der Unsicherheit haben sich die Sozialbehörde und die Agentur für Arbeit gemeinsam mit dem Jobcenter dafür entschieden, den Trägern für Arbeitsgelegenheiten (AGH) zunächst eine Planungssicherheit für 800 AGH-Plätze ab Februar .2024 zu geben“, schreibt er. „Das Jobcenter geht damit im Interesse der Menschen in Vorleistung. AGH ist nur ein Instrument zur Förderung von Langzeitarbeitslosen. Langzeitarbeitslose werden auch durch die übrigen Instrumente gefördert.“

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Das sieht Karen Risse vom Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit Hamburg (LAG) dem Verband der Beschäftigungsträger, anders: „Man kann nicht einfach solche Einrichtungen schließen und den Stadtteilen keine Alternativen bieten“, sagt sie. „Wenn man das vorhandene Geld anders verteilt, muss es nicht so ausgehen, dass die Menschen, die es am meisten brauchen, als erste betroffen sind.“

Sozialkaufhaus erfährt gerade große Unterstützung aus der breiten Bevölkerung

Heinz Schramm, stellvertretender Projektleiter bei Fairkauf, freut sich über die Unterstützung aus der Politik. Unterstützung aus der breiten Bevölkerung erfährt sein Sozialkaufhaus derzeit spürbar; unter anderem, als Fairkauf-Mitarbeiter gerade am verkaufsoffenen Sonntag Unterschriften für ihren Erhalt sammelten. „Möglicherweise bewirkt das ja etwas“, sagt er. Mitte November wird in Berlin endgültig über den Etat für die Jobcenter entschieden. Zuvor befasst sich am 12. Oktober auch noch der Sozialausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft mit dem Thema.