Harburg. Wirtschaftsverein und CDU warnen vor Abwanderung ins Umland. Warum der Bezirk Harburg das Flächenangebot für ausreichend hält.

Beim politischen Tauziehen um die letzten Freiflächen in Hamburg und im Bezirk Harburg werden die Bedürfnisse von Industrie und Gewerbe zu wenig berücksichtigt. Das kritisiert der Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden, der rund 270 Mitgliedsunternehmen vertritt. „Wenn Hamburg die Stadt der kurzen Wege ausruft, dann muss es eine verlässliche Infrastruktur geben“, sagt die Vereinsvorsitzende Franziska Wedemann. „Kleine Handwerksbetriebe und innovative Unternehmen sollten in Mischgebieten zwischen Wohnhäusern einen Platz haben, ohne dass ein Anwohner wegen Ruhestörung gleich zum Anwalt läuft.“

Generell herrsche ein erheblicher Mangel an Gewerbeflächen zur Ansiedlung von Unternehmen oder zur Bindung bestehender Unternehmen an den Standort Harburg, sagte Wedemann kürzlich in einer Präsentation vor dem Wirtschaftsausschuss. Die CDU-Fraktion stellte anschließend den Antrag in der Bezirksversammlung, der Bezirk möge analog zum Wohnungsbauprogramm ein Gewerbeflächenprogramm erstellen, erhielt dafür aber keine Mehrheit.

Gewerbeflächen für Handwerker und andere Betriebe fehlen

„Der Antrag basiert auf Erfahrungen von Handwerkern und Gewerbetreibenden, die im Bezirk eine bestimmte Fläche suchen und nicht finden, sei es der Malermeister mit seinem Betrieb oder irgendein anderes Gewerbe“, sagt Uwe Schneider, Kreisvorsitzender der CDU Hamburg-Harburg.“ Er spricht von einem „Skandal“, dass „hier notwendige und einfache Unterstützungsmaßnahmen für unsere Harburger Handwerker und Gewerbetreibende, kommentarlos verweigert werden“.

Jedes Mal, wenn ein Harburger Betrieb schließt oder ins Umland abwandert, sei die Aufregung groß, so Schneider. „Und jedes Mal wird die Frage gestellt, wie konnte das passieren?“ Ähnlich sieht es Wedemann und bezieht sich auf die gesamte Stadt: „Hamburg hält eigene Gewerbeflächen als Vorratsflächen für ein Superunternehmen vor, das vielleicht einmal nach Hamburg kommen will. Der Mittelstand geht leer aus. Wenn Betriebe in den Beckedorfer Bogen nach Seevetal ziehen, freut sich der Landkreis.“

Flächen im Baugebiet Fischbeker Reethen erst mittelfristig verfügbar

In den kommenden zehn Jahren seien im Bezirk Harburg lediglich zehn Hektar Gewerbebauland zu erwarten, sagt Immobilienentwickler Heinrich Wilke (Fa. Imentas), Beirat des Wirtschaftsvereins. „Das ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch 100 Hektar würden vom Markt aufgenommen werden. Aber die sind auf absehbare Zeit nicht verfügbar.“ Zudem werden Gewerbeflächen nicht nur im Bezirk, sondern auch im Umland zunehmend knapp, so Wilke: „Auch in Seevetal oder Neu Wulmstorf werden kaum noch Flächen entwickelt.“

Die genannten zehn Hektar Gewerbebauland im Bezirk Harburg werden im Neubaugebiet Fischbeker Reethen liegen. Als Puffer zwischen der Wohnbebauung im Süden und der Bahntrasse im Norden. Derzeit befindet sich das Projekt noch in der Vorbereitungsphase; Grundstücke werden noch nicht vermarktet.

Handwerkerhöfe: Kein Standort-Kandidat liegt im Bezirk Harburg

In der „Handwerkerhof-Strategie 2030“ der Handwerkskammer Hamburg sind die Fischbeker Reethen nicht genannt. „Das Positionspapier umfasst potenzielle Projekte, die mittelfristig umsetzbar sind“, sagt Kammersprecherin Christiane Engelhardt. „Zum Zeitpunkt der Erstellung Anfang 2021 waren die Fischbeker Reethen ein langfristiges Projekt. Derzeit wird die Strategie überarbeitet, und in der neuen Version wird das Projekt vertreten sein.“

Im aktuellen Papier ist der gesamte Bezirk Harburg ein weißer Fleck. Kein einziger der stadtweit 19 Kandidaten für die Entwicklung von Handwerkerhöfen ist in Harburg zu finden. Solche Höfe sind mehrgeschossige Gebäude, in denen mehrere Betriebe mit unterschiedlichen Gewerken in überwiegend eigenen Betriebsräumen arbeiten.

Harburger Bezirksamt sieht keinen Mangel an Gewerbeflächen

Trotz bisher fehlender Projekte sieht die Handwerkskammer durchaus Potenzial in Harburg: „Wir unterstützen aktiv die Flächenerschließung für das Handwerk in Hamburg-Harburg und sind mit der gesamtstädtischen Wirtschaftsförderung, Hamburg Invest, regelmäßig im Austausch über geeignete Flächenpotenziale“, so Engelhardt. „Im Masterplan Handwerk 2030 etwa hat der Senat sein Ziel bekräftigt, in den Fischbeker Reethen einen Handwerker- und Gewerbehof zu realisieren.“

Vom Austausch zwischen Bezirk und Handwerkskammer spricht das Bezirksamt. Es kann keinen Flächenmangel erkennen: „Bei den Gesprächen kristallisierte sich heraus, dass aufgrund der Flächenstruktur der Bezirke Harburg und Bergedorf, die sich von den stark verdichteten Bezirken unterscheidet, die Nachfrage von Handwerksbetrieben nach entsprechenden Flächen nicht ausreichend gegeben ist“, so Bezirksamtssprecher Dennis Imhäuser.

Dies habe, so Imhäuser, eine Abfrage der Handwerkskammer unter den Mitgliedsunternehmen ergeben. Fazit: „Die aktuellen Flächenbedarfe im Bezirk Harburg sind durch die vorhandenen Angebote an privaten und städtischen Flächen gedeckt. Mit dem Puhsthof Sinstorf und dem Tempowerk gibt es zwei umgesetzte Gewerbeprojekte im Bezirk.“

Darüber hinaus zählt die Bezirksverwaltung neun Flächen auf, die in diesem Jahr zu haben sind und zwei weitere, die voraussichtlich 2024 zur Verfügung stehen werden. Die größte Fläche (18,60 Hektar) ist der geplante Logistik-Standort an der Neuländer Straße/Autobahn-Anschlussstelle Harburg. Er liegt seit 2020 brach. Damals sprang die Post/DHL als Investor ab.

Eine Straße führt ins Nichts: 18 Hektar Baubrache an der Autobahn-Anschlussstelle Harburg. Die Stadt sucht einen Investor für den Logistikstandort.
Eine Straße führt ins Nichts: 18 Hektar Baubrache an der Autobahn-Anschlussstelle Harburg. Die Stadt sucht einen Investor für den Logistikstandort. © HA | Lars Hansen

Viele andere Flächen bieten zwischen 1000 und 10.000 Quadratmeter und sind im Bezirk verstreut. Zukünftige Potenziale sieht der Bezirk bei den Fischbeker Reethen, am Östlichen Bahnhofskanal oder an der Harburger Poststraße hinter dem P+R-Parkhaus.

Auch die vom Wirtschaftsverein geforderten gemischten Nutzungen seien Teil der Stadtplanung, sagt Imhäuser: „Das Bezirksamt entwickelt Industrie- und Gewerbeflächen, Wohnungsbauflächen und gemischte Funktionen neben weiteren Nutzungen (Gemeinbedarf, etc.) in vielen aktuell laufenden Bauleitplanverfahren in unterschiedlichen Konstellationen.“ Gemischte Nutzungen gebe es zum Beispiel in den Plangebieten Wilstorf 43 (Hohe Straße) und Wilstorf 37 (Winsener Straße 32-50), meist in Form von Wohnen in den Obergeschossen sowie Gewerbe und Einzelhandel in den Erdgeschossen.

Einige der im Jahr 2018 genannten Standorte sind inzwischen anders verplant

2018 hatte der Bezirk ein Gewerbeflächenkonzept für Harburg vorgelegt. Dort waren schon die Fischbeker Reethen als potenzieller neuer Gewerbestandort genannt, aber auch drei Moorburger Spülfelder (über die zum Teil die geplante Trasse der A26 Ost führt) und der Vollhöfner Wald (heute Schutzgebiet).

Der Harburger CDU-Fraktion gibt sich mit der aktuellen Situation nicht zufrieden und pocht auf ein Gewerbeflächenprogramm, das regelmäßig fortgeschrieben wird. Am Montag stellte sie eine Kleine Anfrage an das Bezirksamt zum aktuellen Flächenangebot und den Flächen, die in den Jahren 2021 und 2022 vergeben wurden.