Fischbek. Naturschutz gegen umweltfreundliche Mobilität: Bewohner werden zur Bahn weitere Strecken als nötig in Kauf nehmen müssen

„Wohnen und Arbeiten im Grünen“ ist das Vermarktungsmotto des geplanten Neubaugebiets „Fischbeker Reethen“, des letzten großen Neubaugebiets der IBA im Hamburger Südwesten. Wohnen und Arbeiten an einem Ort zu kombinieren, ist hier offensichtlich eine gute Idee, denn schnell zur geplanten Großwohnsiedlung oder dort wegzukommen, scheint schwierig zu werden: Zunächst wurde in der Harburger Bezirksversammlung angekündigt, dass der Stellplatzschlüssel für die Fischbeker Reethen so reduziert werden soll, dass auf fünf Wohnungen noch etwa drei Parkplätze kommen (das Abendblatt berichtete). Dies wurde damit begründet, dass das Neubaugebiet ja günstig zu guten Nahverkehrsangeboten liegt. Jetzt kommt heraus, dass eine direkte Busverbindung aus den Fischbeker Reethen zur nächst gelegenen S-Bahn-Station Fischbek nicht mehr verwirklicht wird. Harburgs Bezirkspolitiker sind irritiert.

Eigentlich hat das Quartier eine günstige Lage zum Schnellbahnnetz. Aus der Mitte der Fischbeker Reethen sind es je ein Kilometer Luftlinie zu den S-Bahn-Stationen Neu Wulmstorf und Fischbek. In Richtung Neu Wulmstorf soll es aber keine direkte Straßenverbindung geben, weil die Neu Wulmstorfer Anwohner der Landesgrenze dies durchgesetzt haben. Hier kann also kein Bus Fahrgäste zur Bahn bringen. Auch zur S-Bahn-Station Fischbek wird es keine direkte Busverbindung geben, teilte Philippa Dorow, IBA-Projektleiterin für die Reethen, beim jährlichen Projektdialog mit Anwohnern und Grundstücksinteressenten mit. Stattdessen soll die Siedlung mit dem Bus über die B 73, Cuxhavener Straße, an den Bahnhof Neugraben angebunden werden. Das dauert bei freier B 73 fünf, im Berufsverkehr gute zehn Minuten länger, als die Fahrt nach Fischbek gedauert hätte.

Harburgs Kommunalpolitiker sind vollkommen überrascht

Harburgs Kommunalpolitiker sind überrascht. Hatten sie doch gerade, nachdem sie von der Reduzierung des Stellplatzschlüssels erfuhren, noch die Forderung aufgestellt, das Angebot an der S-Bahn Fischbek auszubauen, bis die ersten Bewohner das Neubaugebiet beziehen, Das scheint nun hinfällig. In der Tat ist das Zugangebot der S-Bahn in Fischbek – und auch in Neu Wulmstorf – lediglich zu Haupt-Berufsverkehrszeiten so, dass es großstädtischen Bedarfen entspricht. Tagsüber und Abends dünnt es sich auf einen 20-Minuten-Takt aus, an Wochenenden gar einen Halbstundentakt. Da gleicht der – in der Praxis aber auch eher theoretische – Fünfminutentakt in Neugraben den Bus-Umweg über die B 73 wieder aus. „Deshalb haben wir ja auch einen Ausbau der Leistungen in Fischbek gefordert“, sagt der SPD-Verkehrspolitiker Frank Wiesner, „sowohl, was den Zugtakt, als auch was die Erreichbarkeit der Station betrifft.“

Die umweltfreundliche schnelle Anbindung der Großwohnsiedlung an die Schnellbahn wird ausgerechnet vom Naturschutz ausgebremst: Zwischen den Fischbeker Reethen und der bestehenden Sandbek-Siedlung, in der sich die S-Bahn-Station befindet, sollte eine so genannte „Kommunaltrasse“ für Busse, Fußgänger und Fahrräder entstehen. Die wurde allerdings wieder verworfen. „Nördlich und südlich der Verbindungsachse befinden sich gemäß des Bundesnaturschutzgesetzes geschützte Biotope. Diese müssen erhalten werden. Damit ist der Ausbau der Kommunaltrasse nicht möglich“, sagt IBA-Pressesprecher Arne von Maydell.

Anbindung an die Schnellbahn wird ausgerechnet vom Naturschutz ausgebremst

Das neue Quartier Fischbeker Reethen entsteht zwischen Fischbek und Neu Wulmstorf.
Das neue Quartier Fischbeker Reethen entsteht zwischen Fischbek und Neu Wulmstorf. © IBA Hamburg | bloomimages GmbH

Möglich wäre noch eine Anbindung der Reethen an den Bahnhof Fischbek mit einem nur kurzen Umweg über die B 73 gewesen, oder aber eine Anbindung nach Neugraben mit kurzer Stichfahrt zur S-Bahn in der Sandbek-Siedlung. „Der Verlauf der Busverbindung aus den Fischbeker Reethen zum S-Bahnhof Neugraben, ohne Halt am S-Bahnhof Fischbek, beruht auf einer Entscheidung des HVV“, sagt Arne von Maydell.

„Das können wir so nicht als endgültig akzeptieren“, sagt der Fischbeker CDU-Bezirksabgeordnete und -Fraktionsvorsitzende Ralf-Dieter Fischer. „Wenn man will, dass die Menschen weniger Auto fahren, müssen die anderen Angebote auch stimmen. Da müssen wir bei der Erstellung der Bebauungspläne ebenso Druck machen, wie bei der IBA und beim Bezirksamt!“

2300 Wohnungen, die meisten im Geschosswohnungsbau mit hohem Sozialwohnungsanteil, sind in dem Gebiet geplant. Die endgültigen Bebauungspläne müssen noch erstellt und das Gelände erschlossen werden. Zwischen 2028 und 2030 wird sich das Baugebiet füllen, rechnet die IBA.