Wilstorf. Mit der Schließung der Aral-Tankstelle ist der Weg frei für 240 Wohnungen und ein Einkaufszentrum. Wie der weitere Zeitplan ausseht.
Der Benzinpreis ist bei 1,65 Euro stehengeblieben. Manche Autofahrer verwirrt das und sie wollen gleich abbiegen, doch ein Zaun versperrt ihnen den Weg: Die Tankstelle ist tot. Was die Autofahrer ärgert, freut Stadtplaner, Politiker und Projektentwickler, denn es heißt, dass hier an der Winsener Straße eines der größten Harburger Bauprojekte außerhalb des Binnenhafens demnächst losgehen kann. Der kryptische Name: „Wilstorf 37“. Das ist die Nummer des Bebauungsplans.
Auch der alte Rewe-Markt wird in den Neubau integriert
Rund 240 Wohnungen und ein Einkaufszentrum sollen hier übereinander entstehen. Auch der Rewe-Markt, der jetzt noch steht, wird an dieser Stelle verschwinden und in den Neubau integriert. „Es sieht ja tatsächlich so aus, dass ich das noch erleben darf“, sagt Torsten Fuß, SPD-Bezirksabgeordneter aus Wilstorf. „Dieses Projekt wird seit fast 20 Jahren vorbereitet und es ist jetzt dringender als je zuvor. Wir brauchen Wohnungen und fußläufige Infrastruktur in Wilstorf!“
Die große Lücke an der Winsener Straße, in die hineingebaut werden soll, war nicht immer so groß. Die Hausnummern verraten es: Stadtauswärts setzt die Zählung bei 32 aus und erst bei 46 wieder ein. Entlang der Winsener Straße standen zwei- bis dreistöckige Gebäude aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts.
In einem Haus befand sich einige Jahre lang ein illegales Bordell
Die Wohnungen waren schlicht, die Bausubstanz bestenfalls mittelmäßig, bei den meisten Häusern allerdings deutlich schlechter. Der feuchte Boden der Wilstorfer Senke machte sich im Mauerwerk bemerkbar. Nach hinten heraus gab es umfangreiche Gewerberiegel, die von Handwerkern und Kleinbetrieben genutzt wurden. Eines der Häuser war einige Jahre lang ein illegales Bordell, bevor es unter mysteriösen Umständen abbrannte.
Um die Jahrtausendwende wurden die Stimmen immer lauter, die diesen Abschnitt der Winsener Straße als „Schandfleck“ bezeichneten und den Abriss der Häuser forderten. Die Stadt begann, die Grundstücke zusammenzukaufen. Der Hamburger Investor Karl Schulte Hubbert, Spezialist für Einkaufszentren, stieg mit ein.
Ursprüngliche Planung ging vom Fortbestand der Tankstelle aus
Der ursprüngliche Plan sah den Abriss der Tankstelle noch gar nicht vor: Rund um die Tankstelle herum und mit gebührendem Sicherheitsabstand, sollten ein Neubau für den Rewe-Markt, ein Discounter, ein Drogeriemarkt und einige kleinere Geschäfte entstehen, darüber 80 Wohnungen. Ein entsprechend maßgeschneiderter – das Verwaltungswort dafür ist „vorhabenbezogener“ – Bebauungsplan wurde erstellt und von der Bezirksversammlung beschlossen. Parallel wurden die Abrissgenehmigungen für die Häuser erteilt und die Gebäude abgerissen. Kurz bevor es losgehen sollte, teilte der Tankstellenpächter mit, dass er seinen Pachtvertrag mit Aral nicht verlängert, sondern die Tankstelle zum Vertragsende Anfang 2022 aufgibt.
Damit ergaben sich für die Stadt und die Investoren ganz neue Möglichkeiten. Die alten Pläne verschwanden im Archiv und neue wurden erstellt – spektakuläre: Unter Ausnutzung der Topographie zogen die Planer eine zweite Ebene in die Landschaft ein. In der unteren werden sich die Geschäfte, ihre Lieferzonen und die Parkplätze – auch die für die Wohnungen – befinden. Darüber wird gewohnt.
Anwohner äußerten Befürchtungen und Einwendungen
Anders als gewöhnlich werden die Geschäftsgebäude aber nicht einfach mit Wohnungen aufgestockt, sondern auf einer zusammenhängenden Ebene, unabhängig von den Grundrissen darunter, Wohnhäuser gebaut sowie Wege und Grünanlagen angelegt - ungefähr auf den Niveau des Eigenheimwegs. Er verläuft parallel zur Winsener Straße, liegt aber schon etwas höher im Hang der Endmoräne.
Auch vom Eigenheimweg aus soll das neue Quartier zugänglich sein. Deshalb gab es Befürchtungen und Einwendungen der Anwohner, die hauptsächlich Parkplätze und Privatsphäre zum Inhalt hatten. Die Einwendungen wurden entweder als unberechtigt oder aber als hinnehmbar abgelehnt. Andere Einwendungen, die Pflanzen- und Tierschutz zum Inhalt hatten, flossen in die Planung ein.
Investor möchte so schnell wie möglich mit dem Bauen loslegen
„Jetzt wird zunächst die Tankstelle zurückgebaut“, so Investor Karl Schulte Hubbert. „Wenn dies geschehen ist, würde ich gern so schnell wie möglich loslegen, aber erst einmal brauchen wir Baurecht.“ Der geänderte Bebauungsplan erreicht nämlich erst in den nächsten Monaten Vorweg-Genehmigungsreife, heißt es aus dem Harburger Rathaus.
Allerdings sind das Bauamt und die Architekten bereits jetzt im Austausch über die zu erwartenden Anforderungen an Bauanträge. Nach 20 Jahren Vorbereitung soll es dann nämlich mal losgehen.