Harburg. Wer in den vergangenen Wochen mit offenen Augen über den Harburger Rathausplatz schlenderte, dürfte gestaunt haben. Ist das Kunst?

Wer in den vergangenen Wochen mit offenen Augen über den Harburger Rathausplatz schlenderte, dürfte nicht schlecht gestaunt haben. Ein Baum der Grünanlage an der sogenannten Museumsachse erstrahlt in kräftigem Weiß. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine Kunstaktion eines regionalen Künstler, wie die Anordnung in direkter Nachbarschaft zum roten Kubus vermuten lässt, der Anstrich hat einen ernsten Hintergrund.

Die fast 120 Jahre alte Blutbuche (Fagus sylvatica Atropunicea) wurde durch mehrere trockene und heiße Sommer so sehr geschwächt, dass es zu Ast- und Stämmlingsausbrüchen gekommen ist. Mit den ohne Vorwarnung auftretenden Astausbrüchen versucht der Baum, Trockenstresssituationen zu kompensieren und entwickelt sich dadurch zu einer Gefahr für die Besucher der Grünanlage.

Immer wieder drohten plötzlich Äste zu brechen. Durch Bruchwunden sei der Baum so stark geschädigt worden, dass eine Fällung eigentlich erforderlich gewesen wäre, beantwortet das Bezirksamt eine Abendblatt-Anfrage. Es sei das Ziel gewesen, den Baum zu erhalten, da er innerhalb der bestehenden Baumgruppe eine wichtige Aufgabe übernehme und die Gestaltung der Parkanlage präge, hieß es weiter.

Gutachten empfahl, die Baumkrone einzukürzen

Aus diesem Grund wurde ein Baumgutachten in Auftrag gegeben. Das Gutachten empfahl, die Baumkrone einzukürzen, um die Gefahr von Astbrüchen zu minimieren. Dadurch wurden Stamm und Kronenteile, die vorher durch Blätter geschützt waren, freigelegt.

Das Problem: Durch die ungewohnte Freilegung hat die Rinde des Baumes keine ausreichende Wandstärke entwickelt, die wiederum die darunter liegenden Zellen schützt. Es könne daher zu einer noch stärkeren Austrocknung bis hin zur Rissbildung in der Rinde kommen, diese seien dann Eintrittspforten zum Beispiel für Pilze oder Bakterien.

Der Weißanstrich aus reinem Kalk soll den Baum vor einem „Sonnenbrand“ schützen. Er wird in den kommenden Jahren von der Natur abgebaut und ausbleichen. Während dieser Zeit wird sich die historische Blutbuche an die neue Situation gewöhnen und die Rindenstärke erhöhen. „Wir hoffen somit, die altehrwürdige Buche und damit die ganze Baumgruppe erhalten zu können“, erklärt die Sprecherin des Bezirksamtes, Wrenda Kapoor, die Maßnahme.