Harburg. Gleich drei Anträge von vier Parteien thematisieren den maroden Zustand der S-Bahn-Stationen im Hamburger Süden.
Wirklich gut sahen die Harburger S-Bahnhöfe auch vor 2017 nicht aus: Schon bei der Eröffnung 1983 altmodisch, weil dem 70er-Jahre-Design der Bahnhöfe im Hamburger Citytunnel angeglichen, waren sie 34 Jahre lang nahezu unverändert geblieben und die wenigen Änderungen, die erfolgten, waren keine Verbesserungen: 2006 wurden in allen Tunnelbahnhöfen Hamburgs die Deckenverkleidungen entfernt, kurz darauf verschwanden die Bahnhofsgastronomie und Geschäfte im Bahnhof Harburg. Metallgerippe an den Decken locken Tauben an, lange waren geschlossene Geschäfte nur notdürftig vernagelt.
2018 begann die Sanierung der Stationen südlich der Elbe
2017 hieß es dann, dass 2018 alles besser sein sollte: Mit einiger Verzögerung nach den Bahnhöfen nördlich der Elbe begann auch die Sanierung der Stationen Harburg, Harburg-Rathaus und Heimfeld. Sie sollte ein Jahr dauern. Im Jahr 2022 sind die Bahnhöfe immer noch Baustellen. Die Harburger Bezirkspolitik hat längst die Geduld verloren und bereits mehrmals Bahnvertreter einbestellt, um zu klären, warum es nicht vorangeht. Die kamen, versprachen baldige Besserung und nannten neue Daten. Demnächst wird es wieder einmal soweit sein: Gleich vier der sechs in der Bezirksversammlung vertretenen Parteien fordern von der Bahn baldige Verbesserungen und einen Bericht darüber, wann sich etwas tut: Die rot-grüne Koalition, die CDU und die Linken.
Für die geballte Aktivität der Bezirksversammlung gibt es zwei aktuelle Auslöser: Die Entfernung der Rolltreppe in der S-Bahn-Station Heimfeld und die Beschwerde des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden über den Zustand der Stationen (das Abendblatt berichtete). Fragt man bei der Bahn nach, gibt sich der Konzern schmallippig: Kein Pressesprecher möchte im Zusammenhang mit der S-Bahn noch namentlich genannt werden oder telefonische Auskünfte geben. Die schriftlichen Antworten fallen kurz und technisch aus. Die Zeithorizonte, die die Bahn jetzt nennt, sind die folgenden: Bis 2023 sind die Bahnsteigebenen in Harburg und Harburg-Rathaus fertig erneuert, ein Jahr später Heimfeld. 2025 kommen die Zwischenebenen und Zugangsbereiche der Stationen an die Reihe.
Die Linke fordert Wiedereinbau der Rolltreppe im S-Bahnhof Heimfeld
SPD und Grüne wollen sich das gern noch einmal von einem Vertreter der DB näher erläutern lassen. Die CDU möchte diesen Bericht nicht mehr von der Bahn hören – der Leiter der DB Station and Service für Hamburg, Michael Dominidiato, war schon mehrfach im Harburger Rathaus – sondern von der Verkehrsbehörde. Die Linke setzt sich ganz konkret dafür ein, die Rolltreppe im S-Bahnhof Heimfeld schnell wieder einzubauen.
„Ich würde ja gern glauben, dass es vorangeht. Aber wenn ich mir das Schneckentempo ansehe, in dem die Bahnsteigebenen gerade saniert werden, fehlt mir die Zuversicht“, sagt Frank Wiesner (SPD), Nahverkehrsexperte der rot-grünen Koalition. „Und das ist sehr ärgerlich, denn wir können nicht Verkehrswende predigen, ohne Alternativen zum Auto zu bieten! Fahrradwege verbessern und Parkplätze streichen allein bringt nicht genügend Menschen zum Umdenken. Mit den Stationen ist es auch nicht getan: Auch die dritte S-Bahnlinie muss bald kommen und ich bezweifle langsam, dass die technischen Vorbereitungen dafür im Zeitplan sind.“
„Stadt als Auftraggeber der S-Bahn muss mehr Druck machen“
„Wenn ausgerechnet die technische Universität neue Mitarbeiter lieber mit dem Auto vom Flughafen abholt, als sie mit der S-Bahn anreisen zu lassen, ist das ein Armutszeugnis für den Nahverkehr“, kritisiert der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Reiner Bliefernicht. „Hier muss dringend etwas geschehen. Da muss die Stadt als Auftraggeber der S-Bahn jetzt einmal mehr Druck machen!“
Für die Linken war es die Entfernung der Rolltreppe in Heimfeld, die das Fass zum Überlaufen brachte. In der offiziellen Lesart tragen Rolltreppen zwar nicht zur Barrierefreiheit bei, da sie für Menschen mit Mobilitätshilfen kaum benutzbar sind, aber „ältere und gehbehinderte Menschen, denen das Treppensteigen schwerfällt, werden nun noch mehr benachteiligt“, argumentiert der Linken-Fraktionsvorsitzende Jörn Lohmann.
Ältere Menschen in Heimfeld sind nun auf Fahrstuhl angewiesen
„Laut Statistikamt Nord wohnt eine große Anzahl älterer Menschen in Heimfeld. Diese sind nun allein auf den Fahrstuhl angewiesen, der immer wieder defekt ist und vor dem sich schon früher nach Ankunft der Bahn lange Schlangen bildeten. Eine Situation, die sich nun noch verschärft hat. Gerade in Pandemie-Zeiten ist es auch nicht verlockend, sich gemeinsam in den engen Fahrstuhl zu drängen. Dazu gibt es für viele nun keine Alternative mehr.“
Für Lohmann ist es nicht zielführend, den Komfort einer Station zu mindern, wenn die Menschen davon überzeugt werden sollen, verstärkt die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen und auf das Auto zu verzichten. „So werden sich Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, überlegen, ob sie die Station Heimfeld überhaupt nutzen können oder wollen. Solche Zustände sind unhaltbar. Da es für die Entfernung der Rolltreppe keinen triftigen Grund gibt, ist es im Sinne aller Fahrgäste, wenn diese unsinnige Maßnahme rückgängig gemacht und die Rolltreppe wieder eingebaut wird.“
Rolltreppen sind grundsätzlich Maßanfertigungen
Ob das überhaupt geht, ist fraglich: Erstens ist nach Bahn-Angaben die Rolltreppe entfernt worden, weil sonst die feste Treppe keine ausreichende Breite hat, um als Fluchtweg zu taugen und zweitens sind Rolltreppen Maßanfertigungen, die auf Jahre im Voraus bestellt werden müssen. Sollte die alte Fahrtreppe bereits verschrottet sein, ist dieser Zug abgefahren.