Harburg. Unter 237 Beiträgen zum Wettbewerb vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat setzte sich das Harburger Projekt durch
Straßenbäume haben es zunehmend schwerer: Ihre ohnehin meist schlechten Standortbedingungen werden durch Wetterextreme des Klimawandels, vor allem durch lang anhaltende Trockenheiten, weiter verschlechtert. In der Hölertwiete stehen nun zwei Jungbäume, die technische Unterstützung beim Aufwachsen erhalten: In einem Pilotprojekt wurden ihre Wurzelräume mit künstlichen Wasserreservoirs, sogenannte Rigolen, ausgestattet.
Das Projekt, das der Bezirk Harburg zusammen mit der HafenCity Universität (HCU) und der Universität Hamburg durchführt, wird am 2. Oktober als vorbildliches Praxisbeispiel mit dem Bundespreis Stadtgrün ausgezeichnet.
Unter 237 Beiträgen zum Wettbewerb vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat setzte sich das Harburger Projekt zusammen mit einem Brandenburger Bürgerpark in der Kategorie „gepflegt“ durch. Vier weitere Preisträger wurden in drei anderen Kategorien gekürt. Der Rubrik „gepflegt“ waren Projekte zugeordnet, die sich dem Erhalt oder die Fortentwicklung bestehender Grünanlagen widmen. Nun kann die Einkaufsstraße Hölertwiete kaum als Grünbereich gewertet werden, doch verschafft die Baumreihe ihr zumindest einen grünen Anstrich.
Vorhandene Bäume mussten weichen
Im Zuge der Verschönerungsmaßnahmen im Rahmen des Stadtentwicklungsprogramms RISE mussten die vorhandenen Bäume weichen und wurden im Frühjahr durch neue ersetzt. Fünf jeweils mehrstämmige Gleditschien (Lederhülsenbäume) entfalten nun ihr zartes Grün in der Straße. Vier von ihnen sind Teilnehmer des Pilotprojekts.
„Alle Bäume wurden nach unserem heutigem Standard gepflanzt. Das heißt, dass ihnen mindestens zwölf Kubikmeter Wurzelraum zur Verfügung stehen muss“, sagt Christian Kadgien von der Abteilung Stadtgrün des Bezirksamts. „Außerdem wird ein Belüftungssystem in 2,60 bis drei Meter Tiefe installiert – Wurzeln brauchen nicht nur Wasser, sondern auch Luft zum Atmen.“
Zwei Bäume bekommen eine eigene Wasserversorgung. Unter den Wurzeln ist jeweils eine Rigole eingebaut, die für sie Regenwasser speichert. Dazu wurde in etwa zwei Meter Tiefe eine wasserundurchlässige Schicht aus Tonmineralien und Vlies mit etwa 40 Zentimeter hohen Seitenkanten angelegt. Hier wird Regenwasser gesammelt, das von einer 200 Quadratmeter großen Dachfläche über das Fallrohr in den 1000 Liter fassenden Speicher eingeleitet wird. In einigen Jahren können sich die Bäume bei Trockenheit dort bedienen, wenn ihre Wurzeln ausreichend tief gewachsen sind.
Auch bei Starkregen sollen sich die Pufferspeicher bewähren
Auch bei Starkregen sollen sich die Pufferspeicher bewähren. Denn sie halten einen Teil des Wassers am Ort und entlasten die Kanalisation. Damit die Baumwurzeln nicht durch Stauwasser geschädigt werden, kann überschüssiges Wasser ins öffentliche Siel ablaufen.
„Die Wasserspeicher sind hamburgweit die ersten“, sagt Rainer Thermann, in der Abteilung Stadtgrün für Neupflanzungen zuständig. „Wir bekommen schon die ersten Anfragen aus anderen Bezirken zum Verlauf des Projekts und zu den Kosten.“ Letztere müssen deutlich sinken, wenn die Speicher häufiger gebaut werden werden, so Thermann – eine Pflanzung nach heutigem Standard schlägt mit 2500 bis 3000 Euro zu Buche, mit Wasserspeicher waren es im Pilotprojekt 5000 Euro mehr.
Um die Wirksamkeit der Rigolen zu überprüfen, verlassen sich die Forscher nicht nur auf das Aussehen der Bäumchen. Am Grund der Pflanzgrube wurden im Abstand von 20 bis 30 Zentimetern Sensoren vergraben. Sie zeichnen die Bodenfeuchte und die im Boden befindliche Luft auf.
Forscher entnimmt regelmäßig Daten
Alle paar Wochen entnimmt ein Forscher der HCU einem unscheinbaren grauen Kasten die aufgezeichneten Daten. Zum Vergleich wurden auch die normalen Pflanzgruben zweier benachbarten Lederhülsenbäumchen mit Sensoren bestückt. Die Messungen sollen zeigen, welchen Effekt das Wasserreservoir tatsächlich hat.
Thermann ist optimistisch und möchte die Wasserspeichertechnik vorantreiben: „Wir werden am 2. Oktober ein Preisgeld von 15.000 Euro erhalten. Damit können wir vielleicht zwei weitere Straßenbäume pflanzen.“ Das Kappen-Design der Belüftungsrohre sollte vielleicht überdacht werden. In der Hölertwiete sehen sie aus wie Gullydeckel und mussten offensichtlich schon viele weggekippte Getränke schlucken. Davon zeugen verschiedenfarbige Flecken an den Rändern der Eisenluken.