Hamburg. Kommt das Prinzip der zügigen Ableitung an seine Grenzen? Neue Konzepte in Harburg sehen einen anderen Ansatz vor.
Eine katastrophale Flut wie im Westen Deutschlands vor einigen Monaten sind im Bezirk Harburg nicht zu befürchten, dafür sind die topographischen Voraussetzungen zu unterschiedlich. Das heißt aber nicht, dass man sich um steigendes Wasser überhaupt keine Sorgen machen muss. Gerade dort, wo die Harburger Berge an das Schwemmtal der Elbe grenzen, ist das den Menschen bewusst.
Es sind meist keine Flüsse, von denen die Überflutungsgefahr ausgeht, sondern Bäche, Rinnsale und sogar solche Wasserläufe, die erst bei starkem Regen entstehen. Jahrelang hatte man dafür ein einfaches Rezept: das Regenwasser in Gräben zu sammeln und möglichst schnell abzuleiten.
Starkregen in Hamburg: Halten Systeme dem Wetter stand?
In Zeiten, in denen einerseits die Starkregen immer heftiger werden und andererseits die Trockenperioden immer länger, fragt man sich allerdings, ob dieses Prinzip noch greift: Ist es leistungsfähig genug, um die Wohngebiete trocken zu halten? Ist es nicht vielleicht besser, das Wasser zumindest teilweise vor Ort zu behalten, um Dürre vorzubeugen?
Gleich mehrfach beschäftigt sich die Harburger Bezirkspolitik gerade mit Fragen zum Regenwassermanagement. Auch andere Institutionen bewerten die Regenrisiken neu: Gerade hat der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) die weitere Sanierung des Ehestorfer Heuwegs erneut verschoben. Grund: Die Regenwassersysteme sollen noch einmal überplant werden. „Es gibt ja bereits Modellversuche mit intelligenter Versickerung“, sagt die Grünen-Bezirksangeordnete Britta Ost. „Man sollte diese evaluieren, bevor man mit den Fischbeker Rethen das letzte große Neubaugebiet beginnt.“
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Im Bezirk am stärksten von Regenhochwässern betroffen sind Hausbruch, Neugraben und Fischbek. Hier an der Kante zwischen Heide und Moor tritt das Regenwasser aus den Harburger Bergen. Vor dem menschlichen Eingriff in die Landschaft wäre es hier, direkt ins Neugrabener Moor abgeflossen und von dort verdunstet oder in die Elbe gelangt. Heute ist es ein Labyrinth aus kleinen und großen Gräben, das die Wohngebiete am Hang durchzieht und das Wasser talwärts leitet. Nicht umsonst befindet sich am Fuß des Falkenbergs ein Wasserwerk.
Überschwemmungen: Betroffen sind einige Dutzend Grundstücke
Trotz des Wasserwerks und eines großen Rückhaltebeckens ist allerdings der Bereich entlang des Falkengrabens vom Bergfuß bis ins Moor als Überschwemmungsgebiet festgesetzt. Das bedeutet, dass die Uferbereiche bei einem hundertjährigen Regenereignis – so stark, wie es nur einmal in 100 Jahren vorkommt – ganz sicher unter Wasser steht. Betroffen sind einige Dutzend Grundstücke. Ihre Eigentümer dürfen auf ihren Flächen unter anderem keine neuen Gebäude errichten. Nach der Oderflut von 1997 und Überschwemmungen in Italien und Frankreich hatte die EU verordnet, in allen Mitgliedstaaten solche gefährdeten Gebiete zu ermitteln und festzulegen, um im Ernstfall besser vorbereitet zu sein.
Die Überschwemmungsgebiete – der Falkengraben und die Este sind die einzigen im Bezirk – wurden mit einer sehr aufwendigen Modellierungsmethode errechnet. Gröber rechnet die aktuelle Starkregenkarte der Hamburger Umweltbehörde. Sie weist die Fließwege des Oberflächenwassers auf und die Senken, in denen es sich sammeln könnte. Sämtliche Straßenunterführungen, die die S-Bahn queren sind darauf tiefblau verzeichnet, aber auch die kleine Senke am Seitenhang des Falkenbergs, zwischen Gödeke-Michels-Weg und der Straße Heidrand, die wie ein Damm wirkt. Dass sich das Wasser hier sammeln könnte, heißt aber nicht, dass es das tut – solange die Entwässerung bergab funktioniert. Deswegen ist dieser Bereich zwar in der Starkregenkarte markiert, gilt aber nicht als Überschwemmungsgebiet.
Dass die Gräben nicht immer ausreichen, sieht man in der unmittelbaren Nähe: Oft wird der Falkenbergsweg aus den östlich abgehenden Waldwegen mit Wasser und Sand überspült, die über die Wegbrücken einfach über den Graben fließen. Hier fordert die Bezirksversammlung Abhilfe.
Hamburger Umweltbehörde prüft anderen Ansatz bei Starkregen
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt man in den beiden Fischbeker Neubaugebieten Heidbrook und Vogelkamp: Sie sind Modellquartiere für ein neues Konzept der Umweltbehörde, die „Regenwasserinfrastrukturanpassung“, kurz RISA. Damit soll Hamburg zu einer „Schwammstadt“ werden, die Regen aufsaugt, wenn er fällt und dann langsam wieder abgibt. So können beispielsweise Trockenzeiten überbrückt oder abgekürzt werden, ist die Idealvorstellung. Die Bezirksversammlung will, dass eine Zwischen-Auswertung des Modellprojekts erfolgt.
In den Neubaugebieten gibt es zwei Grundstückstypen. Bei dem einen soll das Regenwasser komplett auf dem Grundstück versickern, entweder flächig oder in extra dafür angelegten Mulden, bei den anderen wird das Wasser abgeleitet und soll in Sammelmulden in der Nähe versickern. „Das klappt fast überall ziemlich gut“, weiß Britta Ost, die selbst im Heidbrook wohnt, „aber es gibt auch einige Grundstücke, auf denen das Wasser stehen bleibt. Deshalb sollte man das Modellprojekt evaluieren und nachjustieren, bevor man es im nächsten großen Baugebiet weiterführt.“