Interview mit Heiner Baumgarten, dem Geschäftsführer der Internationalen Gartenschau 2013 in Wilhelmsburg
Harburger Rundschau:
Herr Baumgarten, in knapp drei Jahren öffnet die Internationale Gartenschau (igs) in Wilhelmsburg ihre Pforten. Wie würden Sie einem Menschen, der nicht sehen kann, das Gelände im Jahr 2013 beschreiben?
Heiner Baumgarten:
Wir werden einen modernen, 100 Hektar großen Park präsentieren, der nach der Gartenschau ein attraktiver Freizeitpark für alle Hamburger bleiben wird.
Und wie hört sich die igs an? Der Lärm der großen Verkehrstrassen wird ja nicht auszublenden sein...
Es wird Geräusche durch die insgesamt 2,5 Millionen Besucher geben, die kommen werden. Wir werden Veranstaltungen haben auf drei Bühnen und Aktionskunst im Park. Aber auch Orte der Stille, in denen wenig mehr zu hören sein wird als das Geraschel der Zweige.
Gibt es typische Gerüche?
Das sind die hafentypischen Gerüche. Wer über die A 7 und die Köhlbrandbrücke nach Wilhelmsburg kommt, wird wahrnehmen, dass er an der Ölmühle in Neuhof vorbeifährt oder an den Getreidemühlen - und die haben ganz typische Gerüche. In unserer igs-"Welt der Häfen" werden wir Gewürzduft und Kaffeeduft haben. Und in den Schaubereichen werden wir die Gerüche der Pflanzen erleben.
Die Gartenschau findet im Bezirk Mitte, mitten auf der größten Flussinsel Europas statt. Was ist das Besondere an der igs 2013? Wie unterscheidet sie sich von anderen Gartenschauen?
Von anderen Gartenschau dadurch, dass wir den Besucher auf eine Reise "In 80 Gärten um die Welt" mitnehmen und in sieben große "Welten" entführen, die auch gesellschaftspolitisch relevant sind, zum Beispiel "Welt der Religionen" und "Welt der Kulturen". In diesen Welten werden wir die Besucher mit Themen konfrontieren, die aktuell sind, etwa mit dem Multikulturellen, das für Wilhelmsburg charakteristisch ist.
Die Besucher können die igs mit der Barkasse vom Hamburger Hafen erreichen...
Und von der Anlegestelle am Bürgerhaus dann weiter mit dem Boot durch das Gelände paddeln. Oder man kann mit einer Gartenschaubahn durch das Gelände fahren: Das wird ein kleiner Transrapid in bis zu vier Meter Höhe auf einer Schiene sein. Die Gesamtstrecke wird rund 4,5 Kilometer betragen.
Stehen die Wilhelmsburger eigentlich hinter der Gartenschau?
Die Meinung der Wilhelmsburger ist sehr gespalten. Die Gegner kritisieren die Baumaßnahmen. Aber es gibt auch Zustimmung von Menschen, die mit der igs und der Internationalen Bauausstellung (IBA) eine Verbesserung der Entwicklung in Wilhelmsburg verknüpfen.
Welche Bedeutung hat die Gartenschau für die Bewohner der Elbinsel?
Der Imagegewinn für Wilhelmsburg wird groß sein. Das Bild des Stadtteils war in den vergangenen Jahrzehnten ja eher negativ geprägt. Mit igs und IBA wird sich dieses Bild in der öffentlichen Meinung gravierend zum Positiven verändern. Es wird mehr Menschen geben, die sagen werden, es lohnt sich nach Wilhelmsburg zu fahren und zu ziehen.
Wird die Gartenschau den Zuzug besser situierter Menschen beschleunigen?
Sicherlich. Nun wird befürchtet, dass damit andere Bevölkerungsgruppen verdrängt werden. Dies kann man nur dann in den Griff bekommen, wenn man die Wohnungen nicht zu Lasten der Bewohner saniert und die Mieten stark ansteigen und damit ein Verdrängungsprozess einsetzt. Aber hier wird gegen gesteuert, auch im Einklang mit der Saga GWG, die der größte Wohnungseigentümer ist, und mit den Genossenschaften. Die Stadt, IBA und igs versuchen den Prozess der Gentrifizierung zu vermeiden. Aber keine Frage: Es wird Verschiebungen dort geben, wo die attraktiveren Wohnstandorte sind. Dazu wird auch die Umgebung des Parkes gehören. In guten Lagen werden über längere Sicht die Mieten steigen.
Was kostet die Gartenschau den Hamburger Steuerzahler?
Die Investitionen liegen bei 70 Millionen Euro - das zahlt die Stadt Hamburg. Die Veranstaltung selbst wollen wir mit einer schwarzen Null abschließen.
Kritiker der igs monieren, dass für die Gartenschau zu viel Natur zerstört wurde. Allein bis jetzt haben Sie 1500 Bäume mit einem Durchmesser von mehr als 25 Zentimetern abholzen lassen...
Das Fällen der Bäume ist bedingt durch das Konzept. Die meisten Bäume mussten für Landschaftsbaumaßnahmen weichen - vor allem für die "Welt der Bewegung" und die "Welt der Häfen", aber auch für die Kletterhalle und das Schwimmbad.
Hätten Sie nicht viel mehr Bäume auf dem igs-Gelände integrieren können?
Wir werden den größten Teil des Baumbestandes erhalten. Und wir werden 1900 Bäume im Wilhelmsburger Osten und auf dem Gartenschaugelände pflanzen. Außerdem setzen wir im Park ein Naturschutzkonzept um. Damit präsentieren wir einen Ausgleich, den es in diesem Umfang auf bisherigen Gartenschauen noch nicht gegeben hat.
Wie viele Bäume müssen denn noch weg?
Wir werden im Winter noch einmal maximal 400 ausgleichspflichtige Bäume fällen. Insgesamt werden wir auf dem Gartenschaugelände über 1000 Bäume als Ersatz pflanzen. Diese Bäume werden einen Durchmesser von sechs bis zwölf Zentimetern haben.
Wie viel Natur verträgt die igs?
Eine igs verträgt eine ganze Menge Natur. Die Definition was Natur ist und was nicht, ist allerdings sehr unterschiedlich. Die igs wird definitiv keine Plastikwelt und keine Kunstwelt, wie Kritiker immer wieder behaupten.
Sogar ein Graben mit Pflanzen, die auf der Roten Liste stehen, soll für so genannte "Wasserwelten" verschwinden...
Dieser Graben kann in der Tat nicht komplett erhalten werden. Wir werden die Pflanzen herausnehmen und an anderer Stelle wieder ansiedeln.
Warum will die IBA denn bitte schön Sichtachsen in einen Sumpfwald, ein gesetzlich geschütztes Biotop, an der Abfahrt Wilhelmsburg-Mitte, schlagen?
Das ist noch nicht entschieden. Wir wollen diesen Sumpfwald auf jeden Fall erhalten.
Sie selbst sind nicht nur Geschäftsführer der igs, sondern auch Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Niedersachsen. Wohnen da nicht manchmal zwei Seelen in ihrer Brust?
Ja, deswegen habe ich ja auch Verständnis für die Vorstellungen und Forderungen der Naturschutzverbände. Das Projekt Gartenschau hat aber nicht nur das Ziel, Naturschutz zu realisieren, sondern vor allem auch das Ziel, den Freizeit- und Erholungsraum für alle Hamburger auszubauen. Deswegen befinde ich mich permanent in einem Abwägungsprozess. In der Tat müssen Naturschutzbelange mitunter vor anderen Belangen zurücktreten.
Passen ihre beiden Ämter zusammen?
Ich finde, sie passen zusammen, weil sie sich ja nicht widersprechen müssen. Wir haben mittlerweile mit den Naturschutzverbänden zusammengefunden und sind auf einem ganz guten Weg. Vom Hamburger BUND wünsche ich mir allerdings eine etwas konstruktivere Haltung.
Die Wilhelmsburger Reichsstraße wird täglich von 60 000 Fahrzeugen befahren und läuft mitten durch das igs-Gelände. Senatorin Anja Hajduk will die Reichsstraße bis Frühjahr 2013 in Richtung Osten verlegen. Ist dieser Plan realistisch?
Der Zeitplan ist zweifelsohne unglaublich ehrgeizig. Wenn die Reichsstraße bis dahin verlegt sein wird oder zumindest der neue südliche Teil zwischen Wilhelmsburg-Mitte und Wilhelmsburg-Süd befahrbar ist, dann entlastet das den Park enorm, keine Frage. Aber es gibt große Risiken bei dieser Planung, wenn es Widersprüche und Klagen geben sollte. Dann ist eine Realisierung bis 2013 gefährdet.
Aber Sie kämpfen doch auch dafür, dass die B 4/75 verlegt wird...
Es ist ein Riesenvorteil für diesen Park und für den Stadtteil, wenn diese Straße verlegt wird. Wenn diese Straße gebündelt mit der Bahn geführt wird, entsteht ein ruhiger, zentral gelegener Park. Und es werden an der neuen Trasse Lärmschutzmaßnahmen getroffen, von denen die Anwohner profitieren.
Was machen Sie, wenn die neue Reichsstraße bis 2013 nicht befahrbar sein wird?
Dann gibt es zwei Szenarien: Das eine ist, dass auf die derzeitige Reichsstraße ein offenporiger Asphalt verlegt wird. So wird der Lärm um acht bis zehn Dezibel reduziert. Diese Maßnahme kann dann mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von Tempo 70 auf 50 sowie mit einem temporären Durchfahrtsverbot für Lkw verbunden werden. Dann würde der Park nicht so stark verlärmt werden und Lärmschutzwände für die alte Reichsstraße wären nicht mehr erforderlich. Wenn es zu dieser Variante kommt, werden wir aber Sichtschutz und eine temporäre barrierefreie Brücke brauchen - über die B 4/75, wo heute die kleine IGA-Brücke verläuft.
Und damit können Sie leben, dass eine Reichsstraße durch ihre schöne Gartenschau führt?
Ich muss dann damit leben. Die Brücke wird rund 1,5 Millionen Euro kosten, für den Asphalt habe ich noch keine Zahlen, beim Sichtschutz kommen wir auf eine halbe Million Euro.
Szenario zwei: die jetzige Reichsstraße wird von Wilhelmsburg-Süd bis -Mitte gesperrt, der Verkehr wird umgeleitet...
Eine Untersuchung eines renommierten Verkehrsplanungsbüros hat gezeigt, dass das möglich ist. Die Maßnahmen im Straßennetz würden dann eine halbe bis eine Million Euro kosten. Ein Teil des Verkehrs würde durch den Westen im Hafen gelenkt werden - im Osten ein Teil über die A 1. Ein weiterer Teil des Verkehrs wird sich seinen Weg durch Kirchdorf suchen. Das soll die Lärmbelastung dort aber nur um zwei Dezibel erhöhen. Probleme dürfte es allerdings für den Pendlerverkehr zwischen Harburg und Hamburg geben.
Was bedeutet es für die igs, wenn die jetzige Reichsstraße nicht gesperrt wird?
Wir hätten dann zwei Parkteile, die nur über ein Nadelöhr - nämlich eine Fußgängerbrücke - miteinander verbunden sind. Das ist für die Veranstaltung sehr ungünstig.
Herr Baumgarten, Oktober 2013, Ende der Gartenschau. Dann sind Sie 62 Jahre alt. Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach der igs?
Erst einmal muss ich die Gartenschaugesellschaft abwickeln, das dauert gut ein Jahr. Zugleich entwickeln wir den Gartenschaupark zu einem großen Volkspark weiter. Ende 2014 werde ich mit dem Projekt Gartenschau abgeschlossen haben.