An der Stelle des Teiches werden Teile des neuen BSU-Gebäudes stehen. Im Osten der Elbinsel ist eine Ausgleichsfläche vorgesehen.
Wilhelmsburg. Großes Entsetzen herrscht bei vielen Wilhelmsburgern: Der Bezirk Mitte hat nördlich der Neuenfelder Straße in Wilhelmsburg 476 Bäume fällen lassen. Sie weichen für den Neubau der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU). Besonders prekär: Viele dieser Bäume standen um einen Teich herum - in einem Biotop nach Paragraf 28 des Hamburgischen Naturschutzgesetzes.
Dieses Teich-Biotop soll nach Informationen des Hamburger Abendblattes zugeschüttet werden. Auf dem Biotop entstehen dann Teile des neuen BSU-Gebäudes und Wege, die zum Haupteingang der Internationalen Gartenschau führen, die 2013 in Wilhelmsburg ihre Pforten öffnet. "Die Genehmigung, das Teich-Biotop zuzuschütten, hat sich die Umweltbehörde selbst erteilt", sagt der Sprecher des Bezirksamts Mitte, Lars Schmidt.
Der Sprecher der Umweltbehörde, Björn Marzahn, bestätigt dem Hamburger Abendblatt auf Anfrage: "Unser Umweltamt hat unserem Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer genehmigt, den Teich zu verfüllen. Für das Biotop wird es Ausgleichsflächen im Wilhelmsburger Osten geben. Dort werden Gräben renaturiert - es entstehen auch neue Lebensräume für Amphibien. Alle abgeholzten Bäume werden neu gepflanzt werden."
Der Wilhelmsburger Diplom-Biologe Jörg von Prondzinski (47) vom Botanischen Verein zu Hamburg kennt das Biotop, das die Umweltbehörde zuschütten will, genau: "Hier haben Graureiher ihr Revier. Im kleinen Erlensumpfwald brüteten die Teichralle und die Blessralle. Und im Teich leben viele Erdkröten. In einem Gutachten hieß es, dass die Brutvögel auch wo anders brüten können. Aber im weiten Umkreis wird ja für die Internationale Gartenschau überall vernichtet und planiert." Jörg von Prondzinski hat für das Vorgehen der von der grünen Senatorin Anja Hajduk geführten Umweltbehörde nur zynische Worte übrig: "Eine Umweltbehörde verabschiedet sich hier mit maximal deutlicher Symbolkraft vom Umweltthema und errichtet ihren Tempel auf einem Biotop, dessen Zerstörung sie ich selbst genehmigt."
Der Wilhelmsburgerin Susanne H. haben die Baumfällungen so sehr zugesetzt, dass sie die Elbinsel jetzt nach sieben Jahren verlassen und nach Aumühle ziehen will. "Es ist ein schlechter Witz im Jahr der Biodiversität, dass auf der Elbinsel tausende Bäume gefällt werden und ein Biotop zugeschüttet wird", sagt die Web-Designerin. "Für mich ist das ein gewalttätiger Übergriff, der bei mir eine Ohnmacht auslöst. Ich kenne drei Paare, teils mit Kindern, die angesichts dieser Entwicklung bereits aus Wilhelmsburg weggezogen sind."
Auch die Wilhelmburgerin Christine Wolfram (56), die für Die Linke im Regionalausschuss Wilhelmsburg/Veddel sitzt, versteht die Welt nicht mehr: "Das ist eine totale Sauerei, dass die Umweltbehörde und die Internationale Gartenschau hier auf der Elbinsel die Natur zerstören. Die ganze Abholzerei läuft nach dem 'Ritter-Sport-Prinzip': Alles soll 'quadratisch, praktisch, gut' werden."
Nach Informationen des Hamburger Abendblattes gibt es gegen den Bebauungsplan "Wilhelmsburg 89", auf dessen Gebiet der BSU-Neubau liegt, zahlreiche Einwendungen von Bürgern. Der Bebauungsplan hat bis zum 1. März ausgelegen - an diesem Tag begannen die Abholzarbeiten auf dem BSU-Gelände. "Die Fällungen auf dem gesetzlich geschützten Biotop sind ohne Rechtsgrundlage, da es kein Baurecht für diesen Bereich gibt", sagt der Jörg von Prondzinski. "Die Einwendungen müssen erst abgearbeitet und berücksichtigt werden, bevor der Bebauungsplan gültig beschlossen und dann auch beklagt werden kann."
Der Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordnete Metin Hakverdi (40, SPD) plädiert indes dafür, "dass die Umweltbehörde ein angemessenes Ausgleichsbiotop schafft, von dem alle Wilhelmsburger etwas haben. Das Biotop sollte also nicht im letzten Zipfel von Moorwerder liegen, sondern am besten auf dem Gelände der Internationalen Gartenschau."