Laubenpieper der Kolonie “Am Bauernfelde“ wehren sich gegen die geplante Räumung für das igs-Schaugelände

Wilhelmsburg. Wenige Schritte hinter dem Vereinshaus der Kleingartenkolonie "Am Bauernfelde" am Hauland beginnt die Wüste. Hier soll für die 2013 startende Internationale Gartenschau (igs) künftig der Garten der Kontinente entstehen. Bagger haben Erdwälle aufgeworfen, und dort, wo einst Gemüse und Blumen gezogen wurden, ist Ödland. "Damit es nicht ganz so traurig aussieht, haben sie Sonnenblumen angepflanzt", sagt Ursula Schäfer, 68, die mit ihrer Enkelin Jacqueline, 13, in ihrem Kleingarten den Sommer verbringt. Vermutlich zum letzten Mal. Denn auch ihre Hütte muss samt Garten der igs weichen. Kampflos will Schäfer das allerdings nicht hinnehmen. Sie hat einen Anwalt eingeschaltet und Widerspruch eingelegt, gemeinsam mit vier anderen mutigen Kleingärtnern.

2500 Euro Abfindung sind den Laubenpiepern nicht genug

Viele ihrer Nachbarn haben aufgegeben. 2500 Euro Abfindung haben sie erhalten und das Angebot, sich auf einer Ausgleichsfläche wieder anzusiedeln. Das kommt für Ursula Schäfer nicht in Frage. "Für 2500 Euro bekomme ich keine Laube. Mit meiner Rente kann ich mir so einfach keine neue Hütte kaufen. Und außerdem entspricht die Summe auch nicht dem Wert von dem, was wir hier jahrelang an Geld investiert haben", sagt sie aufgebracht.

55 andere Kleingärtner hatten das Angebot akzeptiert. Im Februar rückten die Bagger an und machten 55 Gärten platt. Ein Anblick, den Schäfer nicht ertragen konnte. "Grünflächen zerstören für eine Gartenschau - das ist doch völlig verrückt", sagt sie wütend. Ihre Katze "Mauz" springt erschrocken auf Jacquelines Arm. Was sie unternimmt, wenn der Garten doch weichen muss? "Ich mag nicht daran denken."

Immer noch liegen vereinzelt Trümmer herum. Brombeerbüsche und Brennnessel haben Beete erobert. Wie grüne Inseln ragen die Schollen der Widerständler aus den Sonnenblumenfeldern heraus. "Wir haben unseren Kleingarten seit 1964. Das kann ich doch nun nicht einfach so aufgeben", sagt Schäfer und blickt traurig auf ihren Teich, auf dem rosa Seerosen schwimmen, auf die üppig blühenden Rosen und das gepflegte Gemüse-Beet. Obwohl sie in Barmbek lebt, wird es ihr nicht zuviel, fast jeden Tag mit "Mauz" im Körbchen nach Wilhelmsburg zu ihrem "grünen Paradies" zu fahren. Auch Jacqueline würden der Garten und der "Urlaub mit Oma" fehlen.

Schräg gegenüber ihrer Parzelle harrt auch die Verwaltungsangestellte Christine Wolfram, 56, tapfer aus. Sie ist in einer Hochhaus-Siedlung in Kirchdorf-Süd zu Hause, hat sich hier mit ihrem Garten ein kleines grünes Paradies geschaffen. Mit Pool, Apfelbäumen, Johannisbeer- und Stachelbeersträuchern. Schon ihr Vater werkelte auf der Scholle. 1989 übernahm sie Laube und Garten. Als im Februar Kleinholz aus den Hütten gemacht worden ist, flüchteten auch die Tiere. "Wir hatten hier eine kleine Igel-Kolonie, Bussarde und Spechte - alle weg", sagt sie. Darauf sei keine Rücksicht genommen worden. Auch nicht darauf, dass es die Kleingartengemeinschaft nicht mehr gibt.

Stadt hat den Standhaften zum 30. November gekündigt

"Die Nachbarn, die wir hier hatten, die sind im Laufe der Jahre zu Freunden geworden. Die igs hat Sozialstrukturen zerstört", so Wolfram. Die Grillpartys, die sie mit den Rebellen und einigen anderen Bekannten im Garten feiert - "es ist irgendwie immer wie ein letztes Mal". Zum letzten Mal in den Pool, noch zwei-, dreimal Rasenmähen, die Rosen schneiden, das Obst ernten. Die Stadt hat ihr und den anderen Standhaften zum 30. November gekündigt.

Wolfram will mit Hilfe des Anwalts durchsetzen, dass die Gärten in die igs integriert werden.

Dort wird abgewinkt. "Das ist nicht vorgesehen", sagt Petra Bäurle, die für die igs-Pressearbeit zuständig ist. Drei Kleingartenvereine liegen auf dem Gartenschau-Gelände. Nicht alle Schollen würden sich in die Schauflächen einfügen lassen. Die von der Räumung betroffenen Kleingärtner könnten sich Flächen am Hauländer Weg aussuchen, die für sie zur Verfügung stehen. "Dort werden schon die ersten 40 Parzellen gebaut", so Bäurle.

Christine Wolfram schüttelt den Kopf. "Diese Laube und mein Garten, das gehört zu meinem Leben. Alles war so idyllisch, bevor sie so viel Natur zerstört haben." Wie es mal rund um die Parzellen von Ursula Schäfer und Christine Wolfram aussah, kann man sich auf der Internet-Seite der igs anschauen. Unter "Geländedokumentation" ( http://www.igs-hamburg.de/91.0.html ) gibt es einen kleinen Film zum Anklicken. Dichtes Grün umgibt 2008 die Gartenlauben. Bewuchs, der auch den Lärm von der Bahnlinie in der Nähe des Geländes gedämmt hatte. "Wir übernachten nicht mehr so oft hier, weil es sehr laut geworden ist", sagt Wolfram. Trotz der vielen Veränderungen mag sie an einen endgültigen Abschied von ihrem kleinen Idyll nicht glauben.

Fassungslos beobachtet sie ein Fernsehteam. Die Kameraleute simulieren schon mal mit Spielzeugbaggern, was im November passieren wird. Christine Wolfram kommen dabei die Tränen.