Seit mehr als zwei Monaten ruhen die Arbeiten am Elbtower. Die wichtigsten Hintergründe – und wie Klaus-Michael Kühne inzwischen denkt.
- Seit Ende Oktober 2023 ruhen die Arbeiten am Elbtower in Hamburg
- Nach dem Baustopp bangt die Stadt um das 245 Meter hohe Prestigeobjekt
- Durchgesetzt wurde der Elbtower vom damaligen Bürgermeister Olaf Scholz
- Die Insolvenz von René Benkos Immobilienholding Signa wankt das Projekt
- Klaus-Michael Kühne könnte den Elbtower unter Umständen retten
- Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen rund um den Elbtower
Hamburg. Einen Wolkenkratzer 245 Meter in den Himmel zu bauen ist kompliziert. Ungleich komplizierter aber ist, in der Immobilienkrise das Prestigeprojekt eines wankenden Investors fertigzustellen. Bislang sind rund 100 Meter des geplant dritthöchsten Gebäude der Republik fertiggestellt. Früheren Angaben von Signa Real Estate zufolge sollte der Elbtower in Hamburg 950 Millionen Euro kosten, rund ein Drittel dürfte bereits verbaut sein. Nun treffen viele Interessen aufeinander, die zum Teil im Widerspruch stehen. Ein Überblick mit den wichtigsten Fragen und Antworten zum Elbtower.
Elbtower in der HafenCity: Was möchte die Stadt?
Das ist relativ einfach: Sie möchte, dass der Wolkenkratzer schnell und geräuschlos fertig gebaut wird. Ein Torso an den Elbbrücken ist nicht nur blamabel für „das größte innerstädtische Entwicklungsprojekt Europas“, als das die HafenCity gefeiert wurde, sondern für die Stadt insgesamt. Es wäre ein Denkmal für die Hybris der Stadt und ein Stopp-Schild für Großinvestoren. Eine Stadt, die einen halben Wolkenkratzer nicht fertig bauen kann, wird es schwer haben, neue Investoren zu locken.
Deshalb sagt Karen Pein, Senatorin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen: „Unsere Position ist klar und eindeutig: Die Stadt Hamburg hat ein großes Interesse an der zügigen Wiederaufnahme der Bautätigkeiten und an einer Fertigstellung des Elbtowers. Wir werden daher konstruktiv an Lösungen für die Realisierung des Elbtowers mitwirken. Klar ist aber auch, dass es sich um ein privat finanziertes Bauvorhaben ohne staatliche Zuschüsse handelt.“
Der letzte Satz ist entscheidend: Nach der Kostenexplosion bei der Elbphilharmonie wollte die Stadt beim Elbtower klüger sein. So ist auch der Bürgermeister zu verstehen: Für Peter Tschentscher ist der Baustopp am Elbtower „bisher noch kein Desaster“, sagte er nun dem NDR. „Das Projekt liegt, anders als die Elbphilharmonie, vollständig im Risiko der privaten Investoren.“ Die Stadt werde keine offenen Rechnungen übernehmen.
Was möchten die Parteien?
Die Interessen sind sehr unterschiedlich gelagert. Besonders peinlich ist die ruhende Baustelle für die SPD: Denn es war ihr Bürgermeister Olaf Scholz, der den Elbtower gegen alle Widerstände durchdrückte und sich für den Investoren René Benko und den Architekten David Chipperfield starkmachte. Zwar gab es in der SPD auch kritische Stimmen, doch drei Worte waren wirkmächtiger: „Olaf will das!“
Eine längere Bauunterbrechung wäre blamabel, weil sie vor allem für die SPD zu einer Belastung in der kommenden Bezirks- und Bürgerschaftswahl werden könnte. Die Linkspartei hingegen kann darauf verweisen, stets gegen das Prestigeprojekt gestimmt zu haben. Gerade ihre Stadtentwicklungsexpertin Heike Sudmann ließ keine Gelegenheit aus, vor den Folgen des Wolkenkratzers zu warnen. Die Union war in Sachen Elbtower entschieden unentschieden. Nicht ausgeschlossen, dass beide Parteien sich am Ende auf einen Untersuchungsausschuss Elbtower einigen.
Elbtower: Was möchte die Signa Prime?
Nach der Trennung vom früheren Signa-Chef Timo Herzberg muss der Sanierer Erhard Grossnigg das wankende Reich stabilisieren und restrukturieren. Angesichts der verschachtelten Struktur des Konzerns und der hohen Verschuldung eine fast unlösbare Aufgabe. Mehrere Signa-Konzerngesellschaften hatten zuletzt Insolvenz angemeldet, weitere dürften folgen.
Signa Prime schrieb im Vorjahr rund eine Milliarde Euro Verlust und hatte Ende 2022 etwa 10,8 Milliarden Euro an Schulden. Signa Development schrieb einen Verlust von 316 Millionen Euro. Angesichts dieses Umfeldes dürften interessierte Investoren darauf warten, dass die Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG in die Insolvenz rutscht.
Was möchte die Commerz Real, die mit 50 Millionen Euro am Elbtower beteiligt ist?
Für die Commerzbank-Tochter ist das Drama an den Elbbrücken peinlich, ist doch das Fondsflaggschiff Hausinvest hier investiert. Zwar ist die Summe von 50 Millionen angesichts eines Fondsvolumen von 17,4 Milliarden Euro sehr überschaubar, aber es kratzt am Renommee.
„Solange Unklarheit über die Zukunft von Signa Prime beziehungsweise Signa Prime Selection herrscht, wird da wohl nichts passieren“, dämpft Commerz-Real-Chef Henning Koch nun im „Handelsblatt“ Hoffnungen auf eine schnelle Wiederaufnahme der Bauarbeiten.
Sollten sich die Dinge aber sortieren, könne es schnell weitergehen. „Vor Weihnachten erwarte ich jedoch keine positiven Nachrichten mehr. Im kommenden Jahr könnte aus meiner Sicht aber zügig ein Neustart in Hamburg erfolgen“, so Koch weiter. Er schätzt, dass dann noch rund 500 bis 600 Millionen Euro Fremdkapital aufgebracht werden müssten.
Elbtower in der HafenCity: Kühne dämpft die Erwartungen
Alle Blicke richten sich dabei auf Klaus-Michael Kühne. Der Milliardär ist die Hoffnung der Investoren, aber auch der Stadt. Er wäre in der Lage, als neuer Ankerinvestor das Projekt zu forcieren. Durch seinen Einstieg bei der Signa Prime ist er längst persönlich involviert: Erst im August 2022 hatte er seinen Anteil auf zehn Prozent erhöht. Bald darauf ging Kühne aber auf Distanz zu Benko.
Den Elbtower sieht er mit gemischten Gefühlen: „Herr Benko ist sehr geschickt in der Vermietung, aber es wird eine enorme Herausforderung, das alles in trockene Tücher zu bringen“, erklärte er vor einem Jahr dem Abendblatt. „Durchfinanziert ist der Wolkenkratzer; ob er aber nach Hamburg passt, ist eine andere Frage. Das habe ich lange Zeit verneint, da entsteht ein einsamer Riese in der Peripherie, ein ziemliches Wagnis. Aber die Architektur ist sehr gelungen, und für Hamburg bleibt das Projekt interessant. Sie sehen: Ich bin gespalten.“
Entsprechend zurückhaltend äußert er sich auch heute: „Für uns ist das Thema wesentlich weniger relevant, als immer wieder in der Presse kolportiert wird“, sagte er auf Abendblatt-Anfrage. „Wir sind erst bereit und in der Lage, uns in das Projekt einzubringen, wenn sich die Stadt positioniert hat und eine mögliche Rettungsaktion wirkungsvoll unterstützen würde. Danach sieht es nach unseren Informationen nicht aus: Man kommt nicht ins Gespräch.“
Der 86-Jährige weiter: „Wir selbst können die Dinge nur beobachten und abwarten. Ein gewisses Interesse, ein einheitliches gemeinsames Konzept zu finden, besteht, aber leider kommen die Dinge aus den oben genannten Gründen nicht recht voran.“ Klar ist: Ein weiterer Investor neben der Commerz Real müsste her – hier gilt die Versicherung Signal Iduna als ein möglicher Kandidat.
Wie könnte die Stadt Hamburg das Problem beim Bau des Elbtowers lösen?
Dass die Stadt als Co-Investor in das Projekt einsteigt, gilt als ausgeschlossen. Allerdings könnte sie als Mieter dem Elbtower eine neue Perspektive geben: Würde sie mehrere Etagen des Wolkenkratzers anmieten, hätte das nicht nur eine Signalwirkung für den Bau, sondern würde auch die Wirtschaftlichkeit des Wolkenkratzers verbessern.
Bedarf an Flächen hat die Stadt, etwa durch den geplanten Auszug der Wirtschaftsbehörde. Der Mietvertrag an der Wexstraße und am Alten Steinweg läuft Ende Mai 2026 aus – das würde passen. Unklar aber ist, ob eine Miete im Elbtower nicht zu hoch wäre. Dem Vernehmen nach hatte die Signa mit Mieten von 40 Euro pro Quadratmeter in den oberen Geschossen kalkuliert, in den unteren mit rund 22 Euro.
Zudem könnte die Stadt vermitteln. Im NDR sagte Tschentscher: „Wir haben uns ein Wiederkaufsrecht in die Verträge schreiben lassen. Damit sind wir in der Lage zu entscheiden, was weiter passieren kann.“ Falls es zu einer Insolvenz kommen sollte, werde der Senat dieses Wiederkaufsrecht zunächst ankündigen. „Wir müssen es nicht sofort vollziehen“, betonte er.
Elbtower: Was ist mit den anderen Mietern?
Die Signa Prime musste schon vor Baubeginn Mieter nachweisen – und lieferte. So wollte die Hamburg Commercial Bank (HCOB) aus dem Benko-Gebäude am Gerhart-Hauptmann-Platz in das Benko-Gebäude an den Elbbrücken ziehen. Auch Nobu, eine von Nobu Matsuhisa, Robert De Niro und Meir Teper gegründete globale Lifestyle-Marke, will ihr deutschlandweit erstes Hotel und Restaurant im Elbtower eröffnen. Als weiterer Mieter stand zudem der Versicherungsmakler Aon fest.
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Alle potenziellen Mieter sind auf Tauchstation gegangen, antworten nicht oder maximal vage: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns grundsätzlich zu Vertragsverhältnissen nicht äußern“, sagte beispielsweise eine Aon-Sprecherin auf Anfrage. Noch ist eine pünktliche Fertigstellung 2025 übrigens nicht gänzlich ausgeschlossen: Zwar ruht die Baustelle inzwischen seit zwei Monaten –zuvor lag das Projekt aber sogar drei Monate vor dem Plan.
Wird der Elbtower in der HafenCity fertig gebaut?
Davon ist auszugehen. Keiner der Beteiligten will einen Torso in der HafenCity. Zudem ist es auch nicht unüblich, dass große Bauprojekte zwischenzeitlich brach liegen – auch bei der Elbphilharmonie gab es einen Baustopp – oder gar Entwickler in die Insolvenz gehen.
Das bekannte Hochhausviertel Canary Wharf in London rutschte zwischenzeitlich in die Krise, der Investor ging bankrott, jahrelang waren Leerstände zu beklagen. Heute ist das Viertel fertig. So sagt auch Henning Koch: „Der Elbtower wird auf jeden Fall fertiggestellt, da bin ich sicher. Das Projekt wird hochgezogen.“