Hamburg. Timo Herzberg wurde fristlos gekündigt – wegen dringenden Verdachts auf „grobe Verletzungen der Pflichten als Vorstandsmitglied“.
Er war das Gesicht des österreichischen Immobilienkonzerns Signa in Hamburg: Timo Herzberg. Nun hat die angeschlagene Immobilien- und Handelsgruppe Signa den Vorstandschef der wichtigsten Teilgesellschaften entlassen. In außerordentlichen Aufsichtsratssitzungen der Signa Prime Selection AG und der Signa Development Selection AG am Montagabend wurde deren Chef mit sofortiger Wirkung seiner Funktionen enthoben und außerordentlich sowie fristlos gekündigt. Das teilte die von Milliardär René Benko gegründete Signa-Gruppe in Wien mit.
Timo Herzberg war seit Anfang 2017 für Signa tätig und der CEO der beiden wichtigsten Gesellschaften Signa Prime Selection AG und Signa Development Selection AG. Damit war er zuständig für alle Immobilienaktivitäten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Italien. Mit seinem jovialen wie freundlichen Auftreten half er, die Signa in Deutschland groß und größer zu machen. Mit Hamburg, der Stadt, die er als seine „zweite Heimat“ bezeichnet, fühlt er sich nach eigener Ausgabe seit Langem verbunden. Sein Büro hatte Herzberg in Berlin.
Timo Herzberg war das Gesicht der Signa und des Elbtowers
Bei der Pressekonferenz im Februar 2018 im Hamburger Rathaus zur Präsentation des Elbtowers stand er direkt neben dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in der ersten Reihe. „Mit dem Projekt wollen wir einen Ort schaffen, der die gesamte Gesellschaft anspricht und miteinander verbindet“, versprach er damals. Im Dezember 2018 wurde Timo Herzberg Mitglied des Signa Group Executive Board.
Mit der Sitzung in Wien dürfte die Karriere des 47-Jährigen erst einmal vorbei sein. Denn die Vorwürfe haben es in sich: Grund für seine Entlassung sei ein „dringender Verdacht auf grobe Verletzungen der Pflichten als Vorstandsmitglied“, hieß es in Wien. Nun übernimmt der Sanierer Erhard Grossnig die Funktion als Vorstandssprecher in beiden Immobiliengesellschaften, die saniert und restrukturiert werden sollen.
„Leider mussten wir diese Entscheidung treffen und diesen harten Schritt setzen“
„Leider mussten wir diese Entscheidung treffen und diesen harten Schritt setzen. Die Verdachtslage war eindeutig und ließ den Aufsichtsräten keine andere Wahl“, sagte der Aufsichtsratschef der beiden Gesellschaften, Österreichs Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer. „Gerade in den herausfordernden Zeiten bedarf es 100-prozentigen Vertrauens in die handelnden Personen und Geschlossenheit bei den Entscheidungen“, so Gusenbauer weiter. Der ehemalige SPÖ-Politiker lobte laut Signa-Pressemitteilung zugleich die „hervorragende“ Qualität des Signa-Prime-Portfolios und nannte „die Entwicklungsperspektive der Development-Projekte“, die in den Toplagen der deutschsprachigen Metropolen liegen, „sehr gut“.
IT-Sparte von Signa meldete am Dienstag in Wien insolvenz an
Mehrere Signa-Konzerngesellschaften hatten zuletzt Insolvenz angemeldet. So auch die IT-Einheit der schwer angeschlagenen Immobilien- und Handelsgruppe. Der Antrag der Signa Informationstechnologie GmbH sei am Wiener Handelsgericht eingebracht worden, bestätigte eine Gerichtssprecherin der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Laut den Wirtschaftsauskunfteien KSV und Creditreform hat die Gesellschaft Schulden im Wert von rund 24,1 Millionen Euro. Von der Insolvenz seien 49 Angestellte und 154 Gläubiger betroffen. Die von dem österreichischen Unternehmer René Benko gegründete Signa-Gruppe äußerte sich nicht zu der jüngsten Teilinsolvenz in dem komplexen Firmennetzwerk, zu dem auch die deutsche Warenhausgruppe Galeria Karstadt Kaufhof gehört.
Zuvor hatten die Signa Holding und weitere Teilgesellschaften Insolvenzen angemeldet. Signa Development, die zentrale Immobilienentwicklungseinheit der Gruppe, stellte vorige Woche ebenfalls einen solchen Schritt „in sehr naher Zukunft“ in Aussicht. Die hoch verschuldete Luxusimmobilieneinheit Signa Prime, zu der unter anderem das Kaufhaus KaDeWe in Berlin und das stillstehende Elbtower-Projekt in Hamburg gehört, hat sich bislang nicht über ihre aktuelle Finanzlage geäußert.
Weitere Insolvenzanträge bei Signa sind nur eine Frage der Zeit
Benko konnte in der Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre billige Kredite aufnehmen und finanzstarke Investoren gewinnen, um seine Gruppe stark auszubauen. Die zuletzt gestiegenen Zinsen, Baukosten und Energiepreise haben sein komplexes Firmengeflecht in eine Schieflage gebracht.
Am Freitag nach Börsenschluss hatte die Signa Development Finance mitgeteilt, dass es „gegenwärtig überwiegend wahrscheinlich“ erscheint, dass die „Signa Development und weitere Gesellschaften der Signa Development Gruppe in sehr naher Zukunft einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen werden“. Personell und gesellschaftlich sind die Development Gruppe und die Signa Prime eng verflochten: Alle vier Sigma-Prime-Vorstände sind zugleich Vorstände der Signa Development. Nur der Aufsichtsrat der Prime ist etwas größer, dort hat auch der Kühne-Vertraute Karl Gernandt einen Sitz.
Milliardenschulden lasten auf der Signa
Insidern zufolge bereite das Management von Signa Prime eine Insolvenz in Eigenverwaltung vor, berichtete Ende vergangener Woche das „Manager Magazin“. Die wichtigsten Immobilien und Bauprojekte im Signa-Portfolio gehören der Signa Prime, darunter das derzeit stillstehende Bauprojekt Elbtower, das KaDeWe in Berlin und Kaufhausimmobilien der Kette Galeria Karstadt Kaufhof.
Signa Prime schrieb im Vorjahr rund eine Milliarde Euro Verlust und hatte Ende 2022 etwa 10,8 Milliarden Euro an Schulden. Signa Development schrieb einen Verlust von 316 Millionen Euro. Die Signa Holding hatte Ende November in Wien einen Insolvenzantrag eingereicht. Allein die Verbindlichkeiten der Signa Holding wurden zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags auf fünf Milliarden Euro beziffert.
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Benko konnte in der Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre billige Kredite aufnehmen und finanzstarke Investoren gewinnen, um seine Gruppe stark auszubauen. Die zuletzt gestiegenen Zinsen, Baukosten und Energiepreise haben sein komplexes Firmengeflecht in eine Schieflage gebracht.
Im Netzwerk LinkedIn hatte Timo Herzberg seine 21.544 Follower lange über den Fortgang der Bauarbeiten am Elbtower informiert. Der letzte Eintrag ist zwei Monate alt: „Der Rohbau des Elbtowers wächst rasant in die Höhe und hat die 100 Meter erreicht. In den unteren Geschossen geht es bereits mit den weiteren Gewerken los, und die ersten Fassadenelemente werden installiert.“ Kurz darauf kam der Baustopp.
Bis Dienstagmittag hatte sich Timo Herzberg trotz Nachfrage nicht zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen geäußert.