Weil sich viele Bürger im Alltag eingeschränkt fühlen, fordern sie eine Aufhebung der von der Polizei eingerichteten Zone. Auch die Grünen wollen das Gefahrengebiet kippen.
Hamburg. Die Kritik am Gefahrengebiet in Hamburg wächst – besonders unter Anwohnern. Im Internet beklagen viele in den sozialen Netzwerken, dass sie sich wegen der zahlreichen Polizeikontrollen im Schanzenviertel, auf St. Pauli und in Teilen Altonas auf Schritt und Tritt beobachtet fühlen. „Ein untragbarer Zustand!“, findet etwa Renate Brokelmann und hat deshalb eine Petition zur Aufhebung des Gefahrengebiets gestartet. Diese findet stündlich mehr Befürworter.
„Wir fordern (...) eine deeskalierende Politik in Bezug auf die aktuellen Problemthemen (u.a. Rote Flora, Esso-Häuser, Lampedusa-Flüchtlinge) und die sofortige Aufhebung des Gefahrengebietes durch die Verantwortlichen“, heißt es in dem Schreiben an Bürgermeister Olaf Scholz, Innensenator Michael Neumann (beide SPD) und den Senat der Hansestadt. Dass die Polizei jeden Bürger ohne Anlass kontrollieren und Personen in Gewahrsam nehmen dürfe, beeinträchtige die Bürgerrechte Zehntausender, so die Begründung.
Konsequenzen habe die Aufrechterhaltung des Gefahrengebietes nach Ansicht der Petitionsbefürworter schließlich auch für die Hamburger Wirtschaft. Nachdem die US-Botschaft ihre Bürger bereits vor Reisen nach Hamburg warnte, sei auch mit ausbleibenden Touristen zu rechnen, „vom bereits entstandenen Imageschaden mal ganz abzusehen“, heißt es.
Auch Grüne wollen Gefahrengebiet kippen
Unterstützung kommt von den Hamburger Grünen. Sie wollen das umstrittene Gefahrengebiet durch einen Parlamentsbeschluss kippen. In einem Antrag für die Bürgerschaftssitzung am 22. und 23. Januar fordern sie, die von der Polizei eingerichtete Zone sofort aufzuheben.
„Für das von uns geforderte Bündnis gegen Gewalt ist die Errichtung des Gefahrengebietes kontraproduktiv“, betonte Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan. Die Behörden müssten jetzt unaufgeregt die Verfolgung von Straftätern betreiben und das Gewaltmonopol des Staates sicherstellen. „Dafür brauchen wir aber weder Sonderzonen und noch martialische Töne.“
Auch der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner warnte vor einer Eskalation. „Gegen Gewalt gegen Polizeibeamte muss jede Regierung mit einer Null-Toleranz-Strategie vorgehen“, sagte Stegner dem Abendblatt. Erste Priorität jeder Innenpolitik sei: „Das Gewaltmonopol muss bei der Polizei bleiben und der Schutz der Gesundheit von Beamten ist unerlässlich.“
Erst am Mittwochabend war es im Stadtteil St. Pauli erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Aktivisten gekommen, bei denen auch ein Unbeteiligter verletzt wurde. Das Gefahrengebiet, in dem die Polizei jeden Bürger ohne Anlass überprüfen darf, war am vergangenen Sonnabend als Reaktion auf die schweren Krawalle und Angriffe auf Polizeiwachen mit teils schwer verletzten Beamten eingeführt worden. Seither wurden laut Polizei mehr als 800 Menschen überprüft, wobei der eine oder andere während dieser Tage durchaus mehrfach kontrolliert worden sein kann, wie ein Polizeisprecher sagte. Gut 190 Aufenthaltsverbote seien ausgesprochen und 13 Platzverweise erteilt worden, hieß es am Donnerstag. Zudem wurden laut Polizei fünf Menschen vorläufig festgenommen und 65 in Gewahrsam genommen.
Scholz verteidigt Einrichtung des Gefahrengebietes
Beim „36. Talk im Elysée" im Luxushotel an der Rothenbaumchaussee verteidigte Bürgermeister Olaf Scholz die umstrittene Einrichtung eines Gefahrengebiets auf St. Pauli, im Schanzenviertel und in Ottensen und deutete dann an, dass das wohl nicht mehr von langer Dauer sein wird. "Die Polizei muss nach den Vorfällen ohne Anlass Personen kontrollieren können, weil eben eine Gefahr besteht, dass weitere Straftaten verübt werden", sagte Scholz. "In den ersten Tagen sind ziemlich viele erschreckende Funde gemacht worden." Mittlerweile seien es weniger geworden. "Und die Maßnahmen gelten auch keineswegs für immer", sagte der Bürgermeister.