Nach einer eigentlich friedlichen Spontanaktion von rund 600 vornehmlich linken Aktivisten gegen die Einrichtung des Gefahrengebiets wurden Polizisten mit Feuerwerkskörpern beworfen. Bundesanwaltschaft ermittelt nach Angriff auf Davidwache doch nicht.
Hamburg. Nach einer friedlichen Spontan-Demonstration in Hamburg gegen das umstrittene Gefahrengebiet in der Stadt haben gut 100 Menschen randaliert. Ein Polizeisprecher sagte am Mittwochmorgen, aus der Gruppe heraus seien in der Nacht nahe dem U-Bahnhof Schlump am Schanzenviertel Feuerwerkskörper auf Polizisten geworfen worden. Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen auf beiden Seiten niemand. Die Beamten nahmen 17 Personen in Gewahrsam. Auf der eigentlichen Demonstration war es überwiegend ruhig geblieben.
Knapp 600 Menschen aus dem linken Spektrum hatten sich am Dienstagabend im Stadtteil St. Pauli getroffen, um gegen das von der Polizei eingerichtete Gefahrengebiet in der Hansestadt zu demonstrieren. Auch hier kam es zwar zu vereinzelten Böllerwürfen, ansonsten blieb die spontan angemeldete Kundgebung laut Polizei aber friedlich. Offenbar zogen Teile der Demonstranten anschließend ins Schanzenviertel weiter.
Ein Polizeisprecher berichtete am Mittwochmorgen, dass in der Nacht zudem ein Kleinwagen in Altona brannte. Ob es einen Zusammenhang zu den Demonstrationen gab, war zunächst unklar.
Wie lange die Polizei ihre verdachtsunabhängigen Kontrollen im Gefahrengebiet fortsetzen wird, ist unklar. „Wir bewerten das jeden Tag neu“, sagte Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Die Polizei hatte das Gefahrengebiet in Teilen Altonas, auf St. Pauli und in der Sternschanze am Sonnabend als Reaktion auf die Krawalle der vergangenen Wochen eingerichtet. Bis zum Montagabend sind mehr als 600 Personen kontrolliert, rund 130 Aufenthaltsverbote und zehn Platzverweise ausgesprochen worden.
Weiter Kritik aus der Bürgerschaft
Carl Jarchow, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, kritisierte die Einrichtung des Gefahrengebiets. „Die massive Ausweitung des Gefahrengebiets von Eimsbüttel über die Schanze bis an die Elbe lässt dort Kontrollen von Personen ohne zeitliche Befristung zu. Das kann Unbeteiligte wie zu Recht verdächtigte Bürger treffen.“ Dies sei unverhältnismäßig.
+++ Breites Bürger-Bündnis in Hamburg gegen Gewalt +++
Auch Antje Möller (Grüne) fordert die Aufhebung des Gefahrengebiets: „Wir erleben in den letzten Tagen eine politische Hilflosigkeit, die mit aktionistischen polizeilichen Maßnahmen übertüncht werden soll. Was als Politik der Härte gegenüber Gewalttaten daherkommt, ist völlig ungeeignet, um die Lage in der Stadt zu beruhigen.“ SPD-Innenexperte Arno Münster sieht eine Notwendigkeit für ein Gefahrengebiet, sagt aber auch: „Je schneller diese Notwendigkeit entfällt, umso besser.“
Bundesanwalt ermittelt doch nicht
Unterdessen will die für Terrorismus-Fälle zuständige Bundesanwaltschaft nach dem Angriff auf die Davidwache am 28.Dezember nun doch nicht gegen die Täter ermitteln. Generalbundesanwalt Harald Range erklärte gegenüber dem Abendblatt, dass sich „nach Prüfung der bisher vorliegenden Erkenntnisse derzeit keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ergeben, die eine Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft begründen.“
Nach Polizeiangaben hatte eine 30 bis 40 Personen starke, teils vermummte Gruppe die Davidwache und herauseilende Beamte mit Steinen und Flaschen angegriffen. 200 Meter vom Kommissariat entfernt erlitt ein Polizist durch einen Steinwurf einen Kieferbruch. Die Polizei ermittelt wegen versuchter Tötung. Zweifel am Ablauf des Vorfalls äußert indes der Anwalt der Roten Flora, Andreas Beuth. Nach seinen Erkenntnissen habe es den Angriff gar nicht gegeben. Dies hätten ihm mehrere Mandanten und Augenzeugen glaubhaft versichert. Es handele sich bei dem polizeilich skizzierten Geschehensablauf um eine „Inszenierung“, mit dem Ziel gewerkschaftliche und politische Forderungen durchzudrücken.
Ein Videomitschnitt des Vorfalls existiert nicht. Zwar werde der Bereich vor der Wache (Parkplätze der Streifenwagen) von Kameras überwacht, jedoch verböten datenschutzrechtliche Bestimmungen eine Aufzeichnung, sagte Polizeisprecherin Ulrike Sweden. Zudem habe sich das Tatgeschehen ohnehin außerhalb des von den Kameras erfassten Bereichs abgespielt, so Sweden.