Hamburg. Wie können Tierparks wie Hagenbeck auch in Zukunft attraktiv bleiben? Der Hamburger Professor Ulrich Reinhardt hat Vorschläge.

Wie angesagt sind Zoobesuche noch in Zeiten, in denen es immer mehr um artgerechte Haltung geht, in denen das Tierwohl zu einer moralischen Frage geworden ist? Mit dieser Frage hat sich der Hamburger Zukunftsforscher Professor Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen beschäftigt. Und er stellt auch Prognosen für den Tierpark Hagenbeck in Hamburg-Stellingen auf.

Fast jeder zweite Deutsche (45 Prozent) wird allein in diesem Jahr mindestens einmal einen Zoo oder Tierpark besucht haben, etwa jeder Zehnte (9 Prozent) zählt sogar zu den regelmäßigen Besuchern und geht mindestens einmal im Monat in den Zoo. Es sind vor allem Familien mit Kindern, die ihre Freizeit gern damit verbringen, Tiere zu erleben, während nur etwa jeder dritte Senior und Ruheständler Zoos besuchen.

Tierpark Hagenbeck & Co: Besucherzahlen werden laut Forscher zurückgehen

Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter Stiftung für Zukunftsfragen, hat eine kleine Untersuchung zur Zukunft von Zoos veröffentlicht.​
Ulrich Reinhardt, Wissenschaftlicher Leiter Stiftung für Zukunftsfragen, hat eine kleine Untersuchung zur Zukunft von Zoos veröffentlicht.​ © picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Doch das Angebot an konkurrierenden Freizeitgestaltungen nimmt weiter zu. Und mit dem demografischen Wandel wird auch eine der Hauptzielgruppen wegfallen. „Daher kann von sinkenden Besucherzahlen in Zukunft ausgegangen werden“, sagt Professor Reinhardt.

Sicherlich werden Zoos weiterhin eine Relevanz haben – doch um bestehen zu können, müssten sie an ihrer Attraktivität arbeiten, so der Forscher.

Tierparks und Zoos im Wandel: Größere Anlagen statt Gitterkäfige

„Viele Tierparks und Zoos haben sich in den vergangenen Jahrzehnten bereits verändert“, schreibt Ulrich Reinhardt in einer aktuellen Analyse mit einer stichprobenartigen Befragung unter 2000 Erwachsenen.

„Gitterkäfige und kleinere Gehege, in denen dem Tierwohl kaum gerecht werden konnte, sind deutlich seltener geworden. Stattdessen gibt es größere Anlagen, Tiere haben Rückzugnischen, und die Anzahl von Arten wurde reduziert.“

Hagenbeck: Zuchtprogramme leisten Beitrag zum Artenschutz

Viele Einrichtungen, wie auch Hagenbeck, betonen zudem ihren Beitrag zum Artenschutz und zur Erhaltung bedrohter Tierarten, beteiligen sich hierfür an Zuchtprogrammen, setzen sich für den Schutz gefährdeter Arten ein und bieten Bildungsprogramme an. „Dieses wird zweifellos helfen, auch in Zukunft viele Besucher begrüßen zu können. Gleichzeitig steigt aber auch der Anteil von Bürgern, die Bedenken hinsichtlich einer artgerechten Haltung, der Sozialstrukturen und des Stresslevels der Tiere haben oder die das Grundprinzip eines Zoos per se ablehnen“, so Reinhardt.

Tierrechtsorganisationen prangern Zoos schon seit längerem an, auch am Tierpark Hagenbeck wurde schon Kritik geäußert. Heimische Tiere zu präsentieren statt Exoten wie Elefanten und Tiger sei zumindest eine Möglichkeit, sich der Diskussion zu stellen, warum ausgerechnet Exoten gezeigt werden müssen. Aber, darauf macht Ulrich Reinhardt auch aufmerksam, sei es bislang nur eine Minderheit, die das Grundprinzip Zoo und Tierpark generell derart infrage stellt.

Zoos und Tierparks: Frauen kritischer als Männer

Es seien vor allem junge Erwachsene und Heranwachsende, die Zoos kritischer beurteilen. „Als Familienaktivität war ein Zoobesuch noch gern gesehen, später wird es dann mehr hinterfragt“, so Reinhardt. Dann fällt auf, dass der Tiger eigentlich im Dschungel viel besser „herumtigern“ könnte.

Exotische Tiere, wie etwa Tiger, sind auch bei Hagenbeck in Hamburg zu sehen (Archivbild).
Exotische Tiere, wie etwa Tiger, sind auch bei Hagenbeck in Hamburg zu sehen (Archivbild). © Michael Rauhe

Frauen seien da übrigens sensibler und kritischer als Männer, hat Professor Reinhardt festgestellt. „Frauen denken mehr nach – auch über den Klimawandel und das soziale Miteinander. Bei Männern stehen oftmals mehr die eigenen Interessen im Vordergrund.“

Zudem können dank moderner Technologien – wie etwa Tierkameras, Dokumentarfilme und Livestreams – Tiere aus der ganzen Welt jederzeit von zu Hause aus gesehen werden, ohne dass diese in Gefangenschaft gehalten werden müssen.

Hagenbeck muss kein Freizeitpark werden, um attraktiv zu bleiben

Weil Zoos mit einer stetig zunehmenden Anzahl von Freizeiteinrichtungen konkurrieren und durch den demografischen Wandel – zunehmende Kinderlosigkeit und kleinere Familienstrukturen – gerade bei ihrer Hauptzielgruppe an potenziellen Besuchern verlieren, sieht die Zukunft nicht so rosig aus.

Der Tierpark Hagenbeck hat eine besondere Situation, weil das Unternehmen kein staatliches ist, sondern ein familiengeführtes mit weniger finanziellen Ressourcen, was einen Besuch meist teurer mache. Egal ob staatlich oder privat – auch für den Hamburger Tierpark gilt, weiter daran zu arbeiten, attraktiv zu bleiben: „Kann ich auch in Zukunft Menschen dazu bringen, wiederholt und regelmäßig die Anlage zu besuchen?“, so Professor Reinhardt.

Sicherlich, so der Zukunftsforscher, müsse Hagenbecks Tierpark nicht zum Freizeitpark mit einer Riesenschiffschaukel oder einer Achterbahn mutieren – aber auch bei Hagenbeck müssten sich die Verantwortlichen zunehmend auch auf das ältere Publikum einstellen und moderner werden, so der Rat des Forschers.

Tierpark Hagenbeck: Zukunftsforscher rät zu digitalen Führungen

„Reine Informationsstelen an den Gehegen haben ausgedient, stattdessen sollte mehr Wert auf eine auditive und digitale Führung durch den Park gelegt werden.“ Es müsse mehr mit den Besuchern interagiert werden.

So könne eine Kamera im Gehege des neuen Eisbärenbabys die Menschen rund um die Uhr am Leben des Tieres teilhaben lassen – tatsächlich ist das bei Hagenbeck auch in Planung. Weitere Idee: Alle Tiere könnten wie in einem Kinofilm einzeln vorgestellt werden. Reinhardt: „Dem Tierpark muss es wieder besser gelingen, einen Platz in der Freizeit der Menschen zu finden.“ Hagenbeck sei von der Anlage her gut aufgestellt, vielleicht seien weniger Tiere in größeren Anlagen ein Zukunftsmodell, so Ulrich Reinhardt.