Hamburg. Der ehemalige HSV-Generalsekretär wurde engagiert, um kreative Lösungen zu finden – erst im Familienstreit, jetzt für den Tierpark.
Mehr als ein Jahrzehnt lang sorgten die Auseinandersetzungen der zerstrittenen Nachfahren von Tierparkgründer Carl Hagenbeck für Schlagzeilen. Seit vor knapp drei Jahren Dirk Albrecht die Geschäftsführung übernahm, ist es ruhig geworden an der Familienfront. Dafür gab und gibt es mit Corona, gestiegenen Energiepreisen, Personalmangel und einem Streit mit dem Betriebsrat neue Probleme. Wer ist der Mann, der jetzt den Zoo leitet – und wie will er ihn in die Zukunft führen?
Hamburger Abendblatt: Sie sind seit Ende März 2020 Geschäftsführer bei Hagenbeck. Der Tierpark war aber kein Neuland für Sie...
Dirk Albrecht: Ich war vorher zehn Jahre lang im Beraterteam von Claus Hagenbeck, um kreative Lösungsansätze im Gesellschafterstreit zu entwickeln.
Und dann wurden Sie – offenbar als beste Lösung – selbst an die Spitze des Unternehmens gesetzt?
Dirk Albrecht: Claus Hagenbeck hat mich darum gebeten. Und nachdem der zweite, von der anderen Familienseite eingesetzte Geschäftsführer kurz nach seiner Einstellung krankheitsbedingt ausfiel, konnten sich beide Seiten darauf einigen, dass ich alleine weitermache.
Was haben Sie früher beruflich gemacht?
Dirk Albrecht: Unter anderem war ich in den 80er-Jahren Generalsekretär des HSV und Geschäftsführer der HSV-Marketinggesellschaft. Anfang der 90er-Jahre habe ich mein eigenes Unternehmen mit mehreren Tochterfirmen gegründet, das zuletzt etwa 40 Millionen Mark Umsatz gemacht hat – übrigens doppelt so viel, wie damals der Tierpark (lacht). Der Schwerpunkt lag auf Unternehmens- und Strategieberatung, aber wir haben auch im Auftrag von Kunden internationale Großveranstaltungen durchgeführt.
Zum Beispiel?
Dirk Albrecht: Wir haben die weltweite Kampagne „Volkswagen und Rockmusik“ kreiert und kommunikativ und organisatorisch auf drei Kontinenten Tourneen von Genesis, Pink Floyd, den Rolling Stones oder Bon Jovi begleitet. Vielleicht erinnern Sie sich an die kampagnenbegleitenden VW-Sondermodelle? Aber wir haben auch eigenen Großveranstaltungen durchgeführt. Besonders gern erinnere ich mich an das Konzert in und am Brandenburger Tor, das am fünften Jahrestag der Deutschen Einheit stattfand – mit Elton John als Stargast, Helmut Kohl als Ehrengast und etwa 100.000 Besuchern.
Wow. Nun unterscheidet sich die Führung eines Tierparks aber sicherlich von der eines Unternehmens. Oder?
Dirk Albrecht: Naja. Zunächst ist der Tierpark betriebswirtschaftlich ein Unternehmen wie jedes andere. Nur dass Hagenbeck kein Produktionsbetrieb ist, sondern mehr als 350 exotische Tierarten im Tropen-Aquarium und 1400 Tiere im Tierpark präsentiert – seit nunmehr 115 Jahren in einer wunderbaren Parklandschaft mitten in einer internationalen Großstadt. Und das bedeutet einerseits, dass es ein hohes positives Interesse der Medien an schönen Themen wie Tiergeburten, Artenerhaltung oder neuen Gehegen gibt. Als Geschäftsführer erlebe ich anderseits auch zum ersten Mal in meinem Berufsleben, dass man persönlich auch bei firmeninternen wirtschaftlichen und personellen Entscheidungen und Meinungsverschiedenheiten so unverhältnismäßig mit teilweise überzogen negativen oder gar unrichtigen Vorwürfen im Fokus der Öffentlichkeit steht. Das ist gewöhnungsbedürftig..
Sie sind mittlerweile 74 Jahre alt. Warum tun Sie sich das an?
Dirk Albrecht: Ich habe es Claus Hagenbeck versprochen und halte mein Wort auch in schwierigen Zeiten.
Was haben Sie in Ihrer Zeit hier schon über Tiere gelernt?
Dirk Albrecht: Eine Menge! Zum einen haben wir bei Hagenbeck ein Team hervorragender Zoologen und der zoologische Direktor, Dr. Guido Westhoff, berät mich bei allen Tierthemen kompetent und professionell. Ich habe aber auch schon mehrere Praktika in unseren Gehegen gemacht, Tiere gefüttert, Ställe ausgemistet – das ist insbesondere bei den Elefanten eindrucksvoll (lacht) – und so schon viele unserer exotischen Tiere kennengelernt. ich habe großen Respekt vor unserem Tierpfleger-Team. Diese vielen unterschiedlichen und anspruchsvollen Geschöpfe mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen gut zu betreuen, zu versorgen und zu trainieren ist eine beeindruckende und umfassende Aufgabe.
Haben Sie ein Lieblingstier?
Dirk Albrecht: Die Asiatischen Elefanten sind sehr imposant und mächtig, gleichzeitig aber auch sehr sensibel und einfühlsam. Wie bei uns Menschen hat auch jeder Elefant einen individuellen Charakter, den man deutlich erkennt, wenn man sich länger mit den Tieren beschäftigt. Einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen hat allerdings mein schwarz-weißer Jack Russel „Buddy“.
Was haben Sie in Ihrer Zeit hier über die Spezies der Tierpfleger erfahren?
Dirk Albrecht: In der Tat sind und waren die Tierpfleger und Tierpflegerinnen bei uns seit mehr als 100 Jahren eine besondere Spezies von Mitarbeitern. Sie machen mit hohem Einsatz einen fantastischen Job, der morgens in der Frühe beginnt und erst endet, wenn die Sonne untergeht. Ihr Einsatz spiegelt sich auch in Hagenbecks Zuchterfolgen für die Arterhaltung wider. Durch dieses beeindruckende Engagement, aber natürlich auch durch das Engagement der Familie Hagenbeck und der einzigartigen Tierpark-Architektur unseres Gründers ist Hagenbeck zur weltweit bekannten Hamburger Attraktion geworden.
Was macht den Beruf des Tierpflegers und die Arbeit bei Hagenbeck aus Ihrer Sicht interessant?
Dirk Albrecht: Der Umgang mit Tieren zu jeder Jahreszeit und an der frischen Luft, und die Möglichkeit, bei einem weltweit bekannten Tierpark einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Hagenbeck bietet trotz Corona-Verlusten und einer aktuell angespannten wirtschaftlichen Lage eine Reihe attraktiver Sozialleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, 30 Tage Urlaub, gut bezahlte Überstunden und Freizeitausgleich. Außerdem werden wir für unsere Auszubildenden die Kosten für die 49-Euro-Bahncard übernehmen und ab 2023 ein verstärktes Weiterbildungsangebot einführen.
Warum muss man so viel dafür tun, neue Mitarbeiter zu finden?
Dirk Albrecht: Der Fachkräftemangel hat auch die Zoos erreicht, deutschlandweit sind etwa 200 Stellen unbesetzt. Früher begann man seine Tierpfleger-Karriere bei Hagenbeck und ging auch hier in Rente. Die junge Generation von heute ist offener für berufliche Wechsel. Außerdem ist Hamburger eine attraktive, aber auch teure Stadt. Das ist in Hannover oder Osnabrück anders.
Wie viele Stellen sind bei Hagenbeck in der Tierpflege nicht besetzt?
Dirk Albrecht: Aktuell sind vier ausgeschrieben.
Sie planen nächstes Jahr eine deutschlandweite Kampagne, um neue Tierpfleger zu finden.
Dirk Albrecht: Ja, unser internes „Kreativteam“ arbeitet derzeit an der Finalisierung. Es wird unter anderem Videos auf sozialen Plattformen geben, wir werden Anzeigen in Fachzeitschriften schalten und planen ein Mitarbeiter-Motivationsprogramm: Jeder Mitarbeiter, der für den Tierpark einen Kollegen gewinnt, erhält eine Anerkennung. Wir planen auch einen Schnuppertag für Tierpflege-Bewerber mit einem kostenlosen Aufenthalt im Hagenbeck-Hotel und erhöhen das Eingangsgehalt für junge und noch unerfahrene Tierpfleger.
Auch die steigenden Energiepreise setzen Hagenbeck zu, Sie haben bereits die Eintrittspreise erhöht.
Dirk Albrecht: Anders als bei städtischen Zoos erhält unser Tierpark als familienfinanziertes gemeinnütziges Unternehmen keine laufenden öffentlichen Mittel. Wir müssen also die monatlichen Kosten von einer Million Euro ausschließlich durch die Einnahmen finanzieren. Wegen der aktuellen wirtschaftlichen Lage und der aktuellen Energieproblematik waren wir gezwungen, die Eintrittspreise moderat zu erhöhen. Ob das reicht, wird die Zukunft zeigen. Für das kommende Jahr rechnen wir damit, dass unsere Energiekosten von jeweils rund 100.000 Euro für Strom und Gas um 20 bis 30 Prozent steigen werden.
Wo können Sie Energie einsparen?
Dirk Albrecht: Derzeit werden viele Bereiche bei Hagenbeck energetisch umgestellt. In Tropen-Aquarium und Eismeer arbeiten wir bereits mit Wärmetauschern, Geothermie und Solarenergie. Der Großteil unserer Beleuchtung ist bereits auf LED umgestellt und die Elektromotoren laufen mit Frequenzumformern, die die Motorleistung dem Bedarf anpassen. Zudem verfügen wir mit unserem Brauchwassernetz über gefiltertes und mechanisch-biologisch gereinigtes Abwasser, das in der Tierpflege, der Bewässerung und für die Teiche verwendet wird. Dadurch sparen wir etwa 236.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr. Die Photovoltaik-Anlage auf unsrem Wirtschaftshof hat eine Leistung von 150.000 Kilowattstunden pro Jahr und speist die Geothermie-Pumpen im Eismeer und die akkubetriebenen Geräte unserer Gärtner und Tierpfleger.
Wie wird Hagenbeck in fünf Jahren aussehen?
Dirk Albrecht: Ich habe das interne Motto „Hagenbeck 2.0“ vorgegeben. Aber das bewährte und erfolgreiche Konzept wird natürlich erhalten bleiben. Die beiden Familienstämme und ich als Geschäftsführer wollen weiterhin in der schönen Parkanlage exotische Tiere zeigen und ein Ruhepol in der Großstadt sein – und keinen Freizeitpark gestalten. Ich hoffe, dass der Modernisierungs- und Sanierungsbedarf in den nächsten Jahren weitgehend abgearbeitet sein wird. Aktuell werden etwa zehn kleinere Projekte umgesetzt und vier Großprojekte geplant.
Die Planungen für den neuen Wirtschaftshof und das neue Giraffengehege werden 2023 abgeschlossen und können hoffentlich 2024 realisiert werden. Die Arbeiten am historischen Eingangstor, das in Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutzamt saniert werden soll, haben bereits 2022 begonnen – ebenso wie die Restaurierung unserer asiatischen Sala, dem Tempel am Birma-Teich, die Mitte 2023 abgeschlossen sein wird.
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Tierpark Hagenbeck leidet unter gestiegenen Kosten
Wer übernimmt die Kosten für diese Vorhaben?
Dirk Albrecht: Die Sanierung der Sala finanziert der Tierpark aus Rücklagen. Die Sanierung des Tors, etwa zwei Millionen Euro, wird vom Verein der Freunde des Tierparks bezuschusst. Und für den neuen Wirtschaftshof und das Giraffengehege steht uns die Stiftung Hagenbeck erheblich zur Seite, die diese Projekte, so hat es der Vorstand bereits angedeutet, mit je etwa zehn Millionen Euro finanzieren will.
Ist Hagenbeck also gut aufgestellt für die Zukunft?
Dirk Albrecht: In den letzten Jahren hat sich viel bewegt im Tierpark, auch wenn man es auf den ersten Blick noch nicht unmittelbar sehen kann. Wenn das so weiter geht, und ich bin da sehr zuversichtlich, wird es „Hagenbeck 2.0“ – also einen auch für die Zukunft gut aufgestellten Tierpark – auf jeden Fall geben.