Hamburg. Schützt eine Erhaltungsverordnung die 1920er-Jahre-Viertel oder bedeutet viel Bürokratie? Anwohner in Sorge. Die Argumente.

„Der Strom der Zuschriften zu diesem Thema reißt nicht ab“, sagte SPD-Politiker Heinz Jarchow zu Beginn des Abends. Die Informationsveranstaltung zur geplanten Erhaltungsverordnung im Bergedorfer Gojenbergsviertel war offenbar überfällig. Circa 100 Anwohner waren am Dienstag ins Haus im Park gekommen, um den Erklärungen der Verwaltung und den Stellungnahmen der Politik zu lauschen und ihre Befürchtungen loszuwerden.

Eine Kernbotschaft des Abends: Noch ist keine Entscheidung gefallen, ob der bauliche Charakter des Wohnviertels durch neue Verordnungen geschützt wird. Mehrere Optionen liegen derzeit auf dem Tisch, eine endgültige Entscheidung der Politik steht noch aus. Am Dienstag machten SPD und CDU sogar klar, dass sie bereit wären, sich komplett von der Idee eines besonderen Status‘ für das Gojenbergsviertel zu verabschieden.

Gojenbergsviertel Bergedorf: Was wird aus diesem Quartier?

Dabei hatten alle Parteien der Bezirksversammlung Ende 2023 dafür gestimmt, dass die Verwaltung eine Erhaltungsverordnung für das Areal südlich des Villenviertels auf den Weg bringen soll – auch eine Reaktion darauf, dass so manche historische „Hamburger Kaffeemühle“ einem Neubau mit Flachdach weichen musste. Mit der Erhaltungsverordnung soll der besondere Charakter des Wohngebiets aus den 1920er-Jahren bewahrt werden. Für die Hausbesitzer würde dies vor allem bedeuten: Fast alle baulichen Veränderungen müssten vom Bezirk genehmigt werden.

Doch als die ersten Infoflyer in den Briefkästen am Gojenberg landeten, formierte sich rasch Widerstand unter den Anwohnern. Eine Unterschriftensammlung brachte einen Teil der Politik zum Umdenken. „Emotionen spielen eine große Rolle“, sagte SPD-Mann Jarchow und betonte, dass seine Fraktion ohne Festlegung auf eine Entscheidung in die Veranstaltung gehe. CDU-Politiker Julian Emrich verwies – wie schon zuletzt im Stadtentwicklungsausschuss – auf eine Gestaltungsverordnung als „abgespeckte Form“ des Einschreitens und betonte: „Wir wollen kein Museum aus dem Gojenbergsviertel machen.“

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Zahlreiche Anwohner waren in den Saal im Haus im Park gekommen. © Bergedorfer Zeitung | Julian Willuhn

Linken-Vertreter Johan Graßhoff und Dieter Polkowski von den Grünen machten dagegen klar, dass sie an der Erhaltungsverordnung festhalten wollen. Polkowski erinnerte daran, dass immer wieder bei Sanierungen historische Dachgauben verschwunden seien. „Das sind schleichende Veränderungen. In der Summe wird es so schlechter“, warb der Grünen-Politiker für die Erhaltungsverordnung. AfD-Fraktionschef Reinhard Krohn kritisierte die Gebühren, die Anwohner für ihre Anträge in Zukunft zahlen müssten. Tendenziell sei seine Fraktion aber für die Erhaltungsverordnung.

Gojenbergsviertel Bergedorf: Faktisch kein Vorkaufsrecht für den Bezirk

FDP-Politiker und Denkmalexperte Geerd Dahms hatte den Antrag für die Erhaltungsverordnung ursprünglich auf den Weg gebracht. Seine Redezeit auf der Bühne im Haus im Park nutzte der Freidemokrat allerdings auch, um SPD und CDU für ihren Sinneswandel zu kritisieren, was das Publikum mit wütenden Zwischenrufen quittierte. Dahms verwies auf die bereits investierten 100.000 Euro und jahrelange Beratungen zu dem Thema. „Wir wollen die Erhaltungsverordnung“, war sein Fazit.

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Die Erhaltungsverordnung soll das markante Erscheinungsbild des Gojenbergviertels retten. © Bergedorfer Zeitung | Julian Willuhn

Oliver Panz und Axel Schneede vom Fachamt Stadtplanung bemühten sich anschließend, die größten Sorgen der Anwohner zu entkräften. So sei es grundsätzlich zwar richtig, dass der Bezirk durch die Erhaltungsverordnung ein Vorkaufsrecht auf Immobilien erhält. „Dies gilt aber nicht, wenn dort im Rahmen des B-Plans gebaut wurde und keine Missstände vorliegen“, betonte Panz. Im Klartext: In den allermeisten Fällen greift das Vorkaufsrecht nicht.

Eine weitere Befürchtung: Durch die Vorgaben der Erhaltungssatzung drohe ein Wertverlust für die Immobilien. Die Einschätzung aus dem Bezirksamt, dass ein Erhalt des Quartierscharakters sogar eher zu einer Wertsteigerung führe, teilten viele Anwohner nicht. „Fragen sie mal einen Makler, wie schwer es ist, solche Wohnungen zu verkaufen“, lautete eine Reaktion.

Gojenbergsviertel Bergedorf: Anwohner befürchten Übermaß an Bürokratie

Wie bereits im Stadtentwicklungsausschuss Anfang November betonte Oliver Panz erneut, dass Photovoltaik grundsätzlich genehmigt werde. Es solle vor allem auf eine ruhige und harmonische Anordnung der PV-Elemente geachtet werden. Auch eine Installation zur Straße hin sei denkbar. „Da kann man mit uns diskutieren“, sagte Panz, nachdem mehrere Anwohner angekündigt hatten, lieber ganz auf Solarenergie auf ihren Dächern zu verzichten.

Als ein Knackpunkt kristallisierte sich die grundsätzliche Genehmigungspflicht von baulichen Veränderungen heraus. Auch wenn die Verwaltung das Verfahren als „formlos und unkompliziert“ bezeichnete und betonte, dass die Gebühren im niedrigen dreistelligen Bereich liegen werden – die Aussicht auf zusätzliche Bürokratie brachte viele Gojenberger auf die Palme.

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Auch sie werden unter die Erhaltungsverordnung Gojenbergsviertel fallen: Gründerzeithäuser an der August-Bebel-Straße. © bgz | Fabienne Schreier

Gojenbergsviertel Bergedorf: Eine Genehmigung für einen gestrichenen Zaun notwendig?

„Es ist unhaltbar, für einen gestrichenen Zaun so einen Vorgang aufzumachen“, sagte eine Frau. Ein Anwohner schoss scharf gegen eine „überbordende Verwaltung, die über das Ziel hinausschießt“ und stellte die Frage: „Haben Sie im Bezirksamt überhaupt die Ressourcen dafür?“ An dieser Stelle schaltete sich Baudezernent Lars Rosinski ein und erinnerte daran, dass die Behörde im Auftrag der Politik handle. „Ja, es ist zusätzliche Bürokratie, alles andere wäre gelogen“, sagte Rosinski. Der Mehraufwand sei auch für das Personal im Bezirksamt unbequem.

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Die Verwaltung äußerte sich auch zur möglichen Alternativlösung für das Gojenbergsviertel: eine Gestaltungsverordnung. Dabei gibt es keine generelle Genehmigungspflicht für Veränderungen am Haus. Dafür werden einzelne Elemente wie die Optik von Dächern oder Fenstern verbindlich festgelegt. Die CDU hatte zuletzt eine sehr sparsam formulierte Gestaltungsverordnung ins Spiel gebracht, die nur grobe Auswüchse bei Neubauten wie Flachdächer verhindern soll.

Oliver Panz machte jedoch klar, dass alle Verordnungen sorgfältig erarbeitet und gut begründet werden müssen. Auch eine Gestaltungsverordnung könne daher nicht beliebig festgelegt werden. Die Verwaltung sieht daher einen hohen Aufwand, weil jeder einzelne Bautypus im Viertel gestalterisch beschrieben werden müsste. In vielen Fällen könne die Einhaltung der Verordnung durch die Behörden nicht geprüft werden, weil Bauvorhaben durch ein vereinfachtes Verfahren abgewickelt werden oder nach der neuen Hamburgischen Bauordnung ab 2026 sowieso keine Baugenehmigung brauchen.