Hamburg. Eigentlich sollte eine neue Verordnung das Erscheinungsbild des Quartiers erhalten. Jetzt zögern CDU und SPD, suchen nach Alternativen.
Ende 2023 war sich die Bergedorfer Bezirksversammlung einig. Der Aufstellungsbeschluss einer Erhaltungsverordnung für das Gojenbergsviertel wurde gefasst. Damit soll der Charakter des Gründerzeitviertels zwischen Wentorfer Straße und Geesthang in Zukunft geschützt werden. Doch die geschlossene Phalanx der Politik gerät zunehmend ins Wanken. Nach Protesten von Anwohnern bekräftigten CDU und SPD im Stadtentwicklungsausschuss ihre Zweifel, ob die geplante Verordnung wirklich der richtige Weg sei.
„Wir schaffen zu viel Bürokratie“, sagte CDU-Fraktionschef Julian Emrich und fügte hinzu: „Ich mache mir keine Sorge, ob die Leute die Hamburger Kaffeemühle, in der sie wohnen, verunstalten. Es geht um Neubauten.“ Durch die Erhaltungsverordnung drohe nun eine Situation, in der jede Entscheidung über eine neue Farbe für Fensterrahmen genehmigungspflichtig wird. Tatsächlich erklärte auch die Bezirksverwaltung, dass für die Öffentlichkeit sichtbare bauliche Veränderungen grundsätzlich von den Behörden absegnet werden müssen.
CDU-Politiker denkt über Alternativen zur Erhaltungsverordnung nach
Die Fachleute aus dem Rathaus beteuerten aber auch, dass der Spielraum bei der Gestaltung groß sei und sich die Gebühren für die Anträge im niedrigen dreistelligen Bereich bewegen werden. „Es wird nichts zwingend vorgeschrieben“, betonte Axel Schneede aus dem Fachamt für Stadt- und Landschaftsplanung. Auch Photovoltaik oder Solarthermie werde in den meisten Fällen möglich sein. Zurzeit wird ein Gestaltungsleitfaden erstellt, der Hausbesitzern und Anwohnern eine Orientierung geben soll. Für Dienstag, 26. November, ist außerdem ab 18 Uhr eine Informationsveranstaltung des Bezirks für die Bewohner des Gojenbergviertels geplant. Los geht‘s um 18 Uhr im Haus im Park (Gräpelweg 8).
CDU-Politiker Julian Emrich hält es zunehmend für denkbar, dass eine Gestaltungsverordnung eine bessere Lösung für das Gojenbergsviertel und seine Bewohner wäre. Laut Bezirksamt Bergedorf richtet sich diese oft an neue oder zu verändernde Gebäude und legt verbindlich fest, wie bestimmte Merkmale von Gebäuden und Außenanlagen in einem Gebiet auszusehen haben. Die Gestaltungsverordnung regelt also beispielsweise die Optik von Fassaden, Fenstern oder Dächern. Betroffen sind aber nur Elemente, die auch ausdrücklich in der Verordnung aufgeführt sind. Ansonsten gilt das normale Baurecht. Eine Erhaltungsverordnung soll dagegen den Charakter eines bestehenden Gebiets schützen. Daher sind sämtliche Veränderungen genehmigungspflichtig.
Aus Sicht der CDU könnte die Bezirksversammlung also für das Gojenbergsviertel eine Gestaltungsverordnung definieren, die nur wenige und grundlegende Vorschriften macht. „Wir wollen bei Neubauten zum Beispiel keine Flachdächer und Fassaden sollten aus Ziegeln bestehen“, sagt Emrich auf Nachfrage der bz. Einschränkungen bei der Farbe von Zäunen oder Fensterrahmen könnten so aber einfach ausgespart werden. Der Christdemokrat möchte jetzt die Informationsveranstaltung und die möglichen Diskussionen mit den Anwohnern abwarten. „Wenn die Leute die Erhaltungsverordnung nicht wollen, dann sollten wir sie auch nicht umsetzen“, sagt Emrich.
Geerd Dahms (FDP) hält den möglichen Kurswechsel für unsinnig
FDP-Politiker Geerd Dahms glaubt dagegen, dass die CDU den Spielraum der Politik in diesem Fall überschätzt. Nach Meinung des Freidemokraten, der hauptberuflich als Denkmalgutachter arbeitet, müsste sich auch eine Gestaltungsverordnung nach Fachgutachten zum architektonischen Charakter des Viertels richten. Das bestehende Gutachten definiert beispielsweise zwei grundlegende Baustile im Gojenbergsviertel – die „Bergedorfer Handschrift“ aus Rotklinker und den Gründerzeitstil mit seinen verputzten Fassaden. Dahms mahnt außerdem an, dass die in einer Gestaltungsverordnung definierten Elemente wesentlich restriktiver umgesetzt werden, als im Leitfaden zur Erhaltungsverordnung.
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Dahms kann die mögliche Kehrtwende von CDU und SPD auch aus anderen Gründen nicht nachvollziehen. „Wir befassen uns in der Politik seit Jahren mit diesem Thema, der ursprüngliche Antrag kam von der CDU.“ Mittlerweile seien mehr als 100.000 Euro, unter anderem für das Gutachten, ausgegeben worden. Der FDP-Politiker ist fest davon überzeugt, dass eine deutliche Mehrheit der Einwohner des Gojenbergsviertels für die Umsetzung der Erhaltungsverordnung ist.
Baudezernent Lars Rosinski warb im Ausschuss um das Vertrauen der Bürger: „Wir haben seit 1994 eine Erhaltungsverordnung im Bergedorfer Villengebiet und mir sind keine Beschwerden von dort bekannt. Wenn wir uns gemeinsam an einen Tisch setzen, werden wir eine Lösung finden.“ Der nächste Schritt dazu soll bei der Informationsveranstaltung am 26. November gemacht werden.