Hamburg. Anwohner des Gojenbergsviertels in Bergedorf machen in der Bezirksversammlung ihrem Unmut Luft. Was sie fürchten und besonders ärgert.
Normalerweise ist die Tribüne im Rathaussaal eher spärlich besetzt, wenn die Bergedorfer Bezirksversammlung tagt. Doch dieses Mal gab es nicht einen freien Sitzplatz, als gleich zu Beginn die öffentliche Fragestunde auf der Tagesordnung stand. Grund: Das Gojenbergsviertel hatte ein Redner-Quartett geschickt, um mit unbequemen Fragen den Unmut gegen die geplante Erhaltungsverordnung für das historische Wohnviertel zu artikulieren.
Etwa 235 Häuser gibt es in dem historischen Viertel. Die Bandbreite reicht von Gründerzeit-Villen bis zu historischen Mietwohnblocks. Gebietstypisch ist auch die Anzahl der „Hamburger Kaffeemühlen“, einem freistehenden, würfelförmigen Haus. Weil es aber zuletzt den einen oder anderen Neubau von profitorientierten Investoren im Viertel gab, reagierte die Bezirksversammlung: Einstimmig wurde zum Jahresende 2023 der Aufstellungsbeschluss für eine Erhaltungsverordnung verabschiedet.
Erhaltungsverordnung für das Gojenbergsviertel: Kritik der Hauseigentümer
Doch das Vorhaben findet bei betroffenen Grundeigentümern finden wenig Anklang. Eine Unterschriftensammlung gegen die Erhaltungsverordnung liegt der Bezirksamtsleitung bereits vor. Viele fühlen sich übergangen: „Wieso machen Sie das überhaupt? Wo bleibt ihr Respekt vor der Bürgerbeteiligung?“, fragte dann auch Anwohner Tyll Eitzen die Politiker in der Bezirksversammlung.
Fehlendes Mitspracherecht auf der einen, wirtschaftliche Befürchtungen auf der anderen Seite: Modernisierungen an den Häusern und auf den Grundstücken wie etwa der Austausch von Fenstern und Türen, das Aufstellen eines Zauns oder energetische Sanierungen sollen in Zukunft genehmigungspflichtig sein. Das erzeuge gewiss höhere Kosten für die Eigentümer, lautet die Befürchtung. Dass nach dem Erlass der Verordnung die angesprochenen Umbauten genehmigungspflichtig wären, hat Bergedorfs Verwaltung bereits bestätigt.
Alternativvorschlag: Gestaltungs- statt Erhaltungsverordnung
Dr. Christian Cellarius, ebenfalls unter den Fragestellern, verwies auf den anstehenden Papierkrieg: „Wie kann es sein, dass CDU und SPD diesen Bürokratismus vorantreiben? Ahnen Sie, wie sehr uns das belasten wird?“ Sein Nebenmann Jürgen Kühl wurde noch deutlicher, sprach von einer „Entmündigung“ der Bewohner des Gojenbergsviertels. Prof. Dr. Paul Scherer schließlich regte alternative Instrumente zur Eindämmung von übergroßen Neubauten an: eine Gestaltungsverordnung sowie den Nachbarschutz.
„Viele der Dinge, die sie fragen, wurden schon früher thematisiert“, sagte Geerd Dahms (FDP), der den Aufstellungsbeschluss maßgeblich vorangetrieben hatte. Er gab er zu, dass die Bürgerinformation hätte besser sein können. Doch: „Die Erhaltungsverordnung schützt das gesamte Viertel, soll historische Strukturen erhalten und gestalten und gebietsfremden Neubauten entgegenwirken.“ Der Nachbarschutz herrührend aus dem Denkmalrecht sei wiederum nicht auf die Verordnung übertragbar.
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Auch eine Gestaltungsverordnung anstelle der Erhaltungsverordnung findet angesichts des Protests nun Befürworter. So etwa im Fraktionschef der Bergedorfer CDU, Julian Emrich. Er ist insbesondere von der Genehmigungspflicht im bisher vorlegten Schriftwerk nicht überzeugt: „Im Grunde müsste es doch für alle Viertelbewohner und ihre Häuser heißen: Macht damit, was ihr wollt!“ Natürlich stets im Einklang mit dem Charakter des Wohngebiets. Emrich möchte in jedem Fall „überdimensionierte Neubauten“ wie das viel diskutierte Luxusappartement-Haus am Gojenbergsweg 45 verhindern.
Gojenbergsviertel: Stadtentwicklungsausschuss soll Klarheit bringen
Auch die SPD habe „weitere Fragestellungen“ zur noch nicht ausformulierten Erhaltungsverordnung, erklärte der baupolitische Sprecher der Partei, Heinz Jarchow. Eines stellte der 71 Jahre alte Sozialdemokrat aber heraus: „Es geht im Grundsatz um die Regulierung, nicht aber um mehr Regulierung von Bauvorhaben im Gojenbergsviertel. Das Gebiet zu schützen, ist unser Ansatzpunkt.“
Am Mittwoch, 6. November, in der nächsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses will Bergedorfs Verwaltung einen Gestaltungsleitfaden vorlegen. Politiker wie Dahms, Emrich, aber auch Johan Graßhoff (Die Linke) wünschen sich zusätzlich mindestens einen Bürgerinformationsabend. Die Entscheidung zur Erhaltungsverordnung im besagten Viertel müsse „transparent“ für alle Seiten fallen.