Hamburg. Erhaltungsverordnung spaltet Bewohner des Bergedorfer Viertels. Kritiker sammeln Unterschriften – offenbar mit falschen Behauptungen.
Es gibt Ärger im Gojenbergsviertel: Fünf Grundeigentümer haben sich vorgenommen, die Erhaltungsverordnung zu verhindern, mit der Bezirksamt und Politik den Charakter dieses gut 100 Jahre alten Gründerzeitviertels zwischen Wentorfer Straße und Geesthang erhalten wollen. Seit Wochen sind die Kritiker dabei, Unterschriften gegen die Verordnung zu sammeln, die gerade im Bergedorfer Rathaus erarbeitet wird – nachdem ihr Aufstellungsbeschluss im Dezember 2023 sogar einstimmig von allen sechs Fraktionen der Bezirksversammlung gefasst worden war.
Die ungewohnte Einigkeit der Lokalpolitik resultierte aus der Angst, Spekulanten könnten mit massiven Neubauten den besonderen Charakter des Viertels zerstören. Genau das war in den vergangenen Jahren mehrfach passiert. Unter anderem am Gojenbergsweg 45 gegenüber vom Cura-Seniorenzentrum, wo eine alte Backsteinvilla einem Mehrfamilienhaus Platz machen musste, das die Grundstücksgrenzen heute mit Zufahrt und Parkplätzen maximal ausnutzt. Ein Vorfall, der wegen Schwindels bei der Kündigung der einstigen Mieter wegen Eigenbedarf sogar schon vor Gericht gelandet ist.
Gojenbergsviertel: Grundeigentümer wollen Rettung verhindern
„Die Erhaltungssatzung wird genau das verhindern. Davon profitieren alle Bewohner des Gojenbergviertels, wenn es ihnen wichtig ist, dass ihr Quartier so schön und so grün bleibt wie heute“, sagt Geerd Dahms (FDP). Der renommierte Denkmalschützer aus Bergedorf hat seit Jahren für die Verordnung gekämpft. Entsprechend schockiert sind die Befürworter nun über die Unterschriftensammlung gegen das Regelwerk.
Darunter auch Dieter Polkowski, Stadtentwicklungsexperte der Grünen mit Wohnsitz im Gojenbergsviertel, bei dem das Anschreiben der Kritiker im Briefkasten gelandet ist: „Das bisher geltende Planungsrecht eröffnet dem Bezirksamt nur sehr wenig Einflussmöglichkeiten auf die Architektur von Neu- und Umbauten“, sagt Polkowski. „Es ist dringend nötig, das zu erweitern, wollen wir hier weitere ‚Investorenschachteln‘ verhindern.“
Grundeigentümer machen Stimmung gegen Erhaltungsverordnung
Für Polkowski ist klar: „Gut gestaltete Quartiere sind für alle Immobilien wertsteigernd“ – und nicht wertmindernd, wie die Kritiker in ihrem Anschreiben behaupten. Mit vier Argumenten machen sie Stimmung gegen die Erhaltungsverordnung und werben um Unterschriften bei ihren Nachbarn: Jegliche Modernisierung an den Gebäuden sei künftig genehmigungs- und damit kostenpflichtig.
Gleiches gelte für Veränderungen in den Gärten bis hin zu neuen Zäunen, Müllboxen oder Pflasterungen. Schlimmer noch: „Eine Zustimmung zu Photovoltaik und Wärmepumpen ist künftig ungewiss bis unrealistisch. Es sollen nur noch die (deutlich teureren) PV-Ziegel erlaubt sein.“ Auch bekomme die Stadt das Vorkaufsrecht für alle Immobilien im Gojenbergsviertel und das sogar „zum deutlich geringeren Verkehrswert“.
Gestaltungsleitfaden für das Gojenbergsviertel Ende des Jahres
Argumente, die das Bezirksamt auf Nachfrage unserer Zeitung teilweise ins Reich der Fantasie verweist: Zwar sei es korrekt, dass nach dem Erlass der Verordnung sowohl die Errichtung als auch die Veränderung von baulichen Anlagen grundsätzlich genehmigungspflichtig seien. „Damit sind auch Gebühren zu entrichten.“ Falsch sei dagegen, dass es ein Vorkaufsrecht der Stadt geben werde. Und auch ein wahrscheinliches Veto des Amts gegen Photovoltaik oder Wärmepumpen sei schlicht „nicht richtig“ dargestellt. „Und die Behauptung, dass hier künftig nur noch PV-Dachziegel erlaubt sein werden, entbehrt einer tatsächlichen Grundlage.“
Während das Bezirksamt darauf verweist, dass es bis zum Jahresende einen Gestaltungsleitfaden für das Gojenbergsviertel geben werde, der die heute offenbar bestehenden Unsicherheiten auflöse, wird Dieter Polkowski deutlicher: „Wer hat den Kritikern so einen Unsinn erzählt? Das Bezirksamt kann es nicht gewesen sein.“ Den Grünen dränge sich der Verdacht auf, dass „mit zum Teil offenkundig falschen Behauptungen“ Unterschriften im Gojenbergsviertel gesammelt worden seien.
Grundeigentümer: Eingriff ist „massiv und für uns wirtschaftlich erheblich belastend“
Polkowskis entsprechende Mail an die Kritiker mit der Bitte, alle Unterzeichner der Sammlung vor Abgabe der Listen an das Bezirksamt über die tatsächliche Rechtslage zu informieren, kam vor einigen Tagen aber zu spät: Bereits Mitte September sind Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann die ersten Unterschriften überreicht worden.
Darin heißt es: „Als betroffene Grundstückseigentümer lehnen wir den Plan ab, die sogenannte Erhaltungsverordnung Gojenberg zu erlassen, weil damit massiv und für uns wirtschaftlich erheblich belastend in unsere Handlungsmöglichkeiten als Eigentümer eingegriffen würde (Insbesondere auch betreffend der Möglichkeiten zur energetischen Sanierung und Gewinnung regenerativer Energien).“
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Für Geerd Dahms ist klar: „Der ganze Ärger hätte vermieden werden können, wenn das Bezirksamt im Sommer einen Info-Abend zur Erhaltungsverordnung Gojenberg gemacht hätte. Das wurde aber abgelehnt, weil es im Verfahren nicht zwingend vorgeschrieben ist.“ Der Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung wird sich am Mittwoch, 2. Oktober, mit der Erhaltungssatzung befassen. Die öffentliche Sitzung beginnt um 18 Uhr, allerdings tagt das Gremium nicht im Rathaus, sondern nur online. Den Link zur Teilnahme gibt es per E-Mail an bezirksversammlung@bergedorf.hamburg.de.
Die Unterschriftenliste wird dem Stadtentwicklungsausschuss vorgelegt. Ob sie Einfluss auf das für Jahresende erwartete Votum zur Erhaltungsverordnung Gojenberg haben wird, liegt im Ermessen der Abgeordneten. Auch ist unklar, ob das Thema am 2. Oktober im Ausschuss überhaupt behandelt wird: Zwar war es vor einem Monat hierher verschoben worden, steht bisher aber nicht auf der Tagesordnung.