Hamburg. Solarmodule, Möbel oder Yogamatten: Martin Gozdzik holt tonnenweise Waren per Container nach Hamburg. Wie das Geschäft funktioniert.
In Bollingstedt entsteht derzeit der größte Batteriespeicher für Norddeutschlands Energiewende: Auf rund fünf Hektar wird 2026 eine Anlage mit Akkus in Betrieb gehen, die den Tagesverbrauch von 30.000 Haushalten speichern kann, etwa 16 Kilometer nordwestlich von Schleswig. „Die ersten 16 von 64 Containern voller Speichermodule für den Solarpark sind schon auf dem Weg. Jeder Container hat einen Warenwert von über einer Million Euro“, weiß Martin Gozdzik. Er muss es wissen, denn der Bergedorfer ist für den Transport aus China verantwortlich.
Vor knapp drei Jahren investierte er an der Brookkehre knapp zwei Millionen Euro in einen zweigeschossigen Neubau. So zogen seine nunmehr 20 Mitarbeiter von Allermöhe nach Bergedorf, in die neue Firmenzentrale des „China Import Service“, kurz CIS. Eine Erfolgsgeschichte, denn allein für dieses Jahr verbucht der Geschäftsführer einen Frachtumsatz von 8,5 Millionen Euro.
Bergedorfer Spediteur macht Frachtumsatz von 8,5 Millionen Euro
Dabei hat der Mann, der in Stettin geboren wurde und in Lohbrügge aufwuchs, lange keine genaue Idee von seinem Berufsweg gehabt: Nach dem Abi am Gymnasium Lohbrügge jobbte er zunächst bei der Bergedorfer Post: „Da habe ich als Aushilfe Rollbehälter in Container geschoben. Danach erst begann ich mit meiner Ausbildung zum Speditionskaufmann“, erzählt der heute 41-Jährige.
Bei Peter Rathmann & Co. lernte er in der Hamburger Speicherstadt und kümmerte sich um die Zollabfertigung von edlen Teppichen aus dem Iran: „Da wurden die Paletten per Kran hochgezogen, waren die Böden und Lager voller Teppiche.“
Martin Gozdzik: „Klimaanlagen und Yogamatten sind sehr im Trend“
Als dann die ersten Kunden aus China anfragten, mochte der Chef nicht ins Geschäft einsteigen: „Die habe ich dann allein noch nebenbei abgefertigt“, sagt Martin Gozdzik, der sich schließlich 2008 selbständig machte, mit nur 24 Jahren. Fischöl, Autoteile und Edelstahl seien es anfangs viel gewesen. „Alle möglichen Verbrauchs- und Konsumgüter, aus China kommt ja jeder Schrott“, sagt der Logistiker grinsend. Derzeit seien chinesische Solarmodule ebenso gefragt wie E-Scooter, E-Zigaretten und Yogamatten, „auch Klimaanlagen sind sehr im Trend“.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat Deutschland im Jahr 2023 die meisten Waren aus der Volksrepublik China importiert (156,8 Milliarden Euro), damit sei China „zum achten Mal in Folge Deutschlands wichtigster Handelspartner“ – gefolgt von den Lieferländern Niederlande (102,8 Milliarden Euro) und die Vereinigten Staaten (94,6 Milliarden Euro).
Dem Spediteur ist es eigentlich egal, was er transportiert: „Hauptsache, die Kisten kommen von A nach B. Was drinne ist, ist mir wurscht“, meint Gozdzik, der etwa 1000 Kunden bedient. Hauptsächlich kleinere Firmen und Mittelständler vergeben jährlich etwa 2500 Aufträge. Wie aber funktioniert das Geschäft genau? „Da ist zum Beispiel ein Importeur aus München, der 20.000 T-Shirts gekauft hat. Die soll ich ihm nun bringen, direkt ab der Fabrik in einem kleinen chinesischen Kaff.“
Einige Geräte mussten schon mal nach der Einfuhr zerstört werden
Ein Agent vor Ort schickt nun also Lastwagen zur Manufaktur und transportiert die T-Shirts zu einem großen Versandhafen, das kann Shanghai sein oder Hongkong, Shenzhen oder auch Ningbo. Dort wird die Ware verladen, meist in 40-Fuß-Container, die 68 Kubikmeter fassen. Acht bis neun Wochen dauert dann die Seefracht bis nach Hamburg. Dort am Terminal wartet der Lkw eines Subunternehmens, das ein Lager im Hafen hat und dort auspackt.
Der T-Shirt-Käufer aus München hat längst einen Liefertermin erfahren. „Wir kümmern uns um den Papierkram und die Zölle. Der Service ist das A und O, damit punkten wir am meisten“, sagt der Bergedofer Geschäftsmann, der seit einem Jahr auch mit einem Qualitätsprüfer zusammenarbeitet, denn: Die Ware muss einfuhrfähig sein. Ungern erinnert der 41-Jährige die Motorsägen, die nicht dem europäischen Standard genügten, „weil die zu heiß wurden und irgendwas verglühte“. Auch bei kleinen Baggern und Traktoren sei darauf zu achten: „Die sollten wir dann zu einem Bauernhof bringen, aber der Zoll war streng. Dann muss man die Ware entweder zurückbringen, was sich nicht lohnt. Oder alles wird zerstört, kommt in die Presse oder zur Müllverbrennungsanlage.“
Daher sei es besser, „wenn die Kuh nicht schon auf dem Eis ist“, man also weit vorab die Einfuhrbestimmungen genau prüfe. Derzeit etwa kontrolliere der Zoll sehr streng („sogar mit Lupe“) den Import von Glühlampen: „300-Watt-Birnen sind nicht erlaubt, da kann man im Vorwege das Datenblatt prüfen und die technischen Infos zum Verbrauch der Lampe.“
Zoll entdeckt im Röntgenbild versteckte Zigaretten hinter Unterwäsche
Abgesehen davon sei es immer besser, die Ware Vollkasko zu versichern, das koste bloß 40 Euro bei einem Warenwert von 10.000 Euro. Es könne immer mal etwas kaputtgehen, wenn etwa der Lagerarbeiter von der Zeitarbeitsfirma die Kartons voller Gitarren zerdrückt. Oder wenn der mit Glasbehältern beladene Gabelstapler irgendwo aneckt. „Oder wenn die Holzmöbel leider in der Regenzeit gepackt wurden, durch den Temperaturunterschied Schwitzwasser entsteht und alles mit Schimmel ankommt“, weiß Martin Gozdzik.
Manchmal sorge die Ware auch für andere Überraschungen, etwa wenn hinter der vielen Unterwäsche Zigaretten versteckt wurden, was der Zoll im Röntgengerät entdeckte. Und wie war das gleich mit dem roten Phosphor, den er fässerweise nach Berlin transportieren sollte? „Das wollte die Zollfahndung genau verfolgen, denn das Zeug, musste ich dann lernen, gilt als Basis für die Herstellung der Droge Chrystal Meth.“
Bergedorfer Spediteur: 60 Prozent der Waren kommen per Seefracht
Das wäre per Luftfracht sicher schneller aufgeflogen oder im Zug. Doch 60 Prozent aller Waren kommen per Seefracht, „da kostet ein Containertransport zwischen 1000 und 5000 Dollar, je nach Jahreszeit“, erklärt Gozdzik. Wer indes bloß eine Palette vom chinesischen Werk bis nach Hamburg gebracht haben möchte, zahle meist 400 Euro, natürlich zuzüglich der Zölle und Steuern.
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„Der Kunde entscheidet, was für ihn lukrativ und wirtschaftlich ist. Zu Corona-Zeiten zum Beispiel hat niemand Hüpfburgen importiert oder Spiele-Attraktionen für den Hamburger Dom.“ Und derzeit seien es nun mal die Solarmodule und große Speicher-Akkus: „Das bestellen die Hälfte der gut 20 Kunden, die wöchentlich hier anrufen“, erfuhr er von seiner Frau, die in der Buchhaltung hilft und zudem daheim in Börnsen die beiden Kinder betreut.
Kartons aus dem Amazon-Lager an der Brookkehre
Wie kommt es aber, dass sich im Erdgeschoss des Neubaus an der Brookkehre ganz wundersame Dinge finden? Da sind Bungeeseile und Polyester-Schlafsäcke, Massage-Roller und Hula-Hoop-Reifen. Da stapeln sich Kisten voller Stahltassen und Getränkeflaschen, Kissen, Grills und Tennisschläger. „Das sind ein paar Tausend Kartons, vielleicht 500 Paletten“, erklärt der Geschäftsmann: „Je nach Bestand auf der Plattform schicken unsere Kunden ein paar Kartons aus dem Amazon-Lager hierher. Das ist zwar nicht unser Kerngeschäft, aber das nutzen viele Kunden gern.“
Mit noch einer weiteren großen Überraschung kann der 41-Jährige auftrumpfen, der seit 16 Jahren sehr erfolgreich alle möglichen Waren aus China in die Hansestadt importiert: In China war er selbst bislang nur ein einziges Mal!