Hamburg. Neues Außenwirtschaftskonzept soll Abhängigkeiten verringern. Was bedeutet das für Einstieg der Chinesen beim Terminal Tollerort?
Wie sich die Zeiten ändern: Vor 17 Jahren veröffentlichte der damalige CDU-Senat unter Wirtschaftssenator Gunnar Uldall ein Außenwirtschaftskonzept, das vom Optimismus getragen war: Die Welt rückte zusammen, die Globalisierung ließ Differenzen schrumpfen und verhieß sprunghaftes Wachstum. Das China-Geschäft und der Warenaustausch mit Russland bescherten dem Hafen überdurchschnittliche Wachstumsraten.
Heute sieht die Welt anders aus – und deutlich weniger euphorisch klingt auch das neue Außenwirtschaftskonzept von Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD). Es heißt „Hamburgs Außenwirtschaft im aktuellen Wandel der Weltwirtschaft“, soll am Dienstag im Senat beschlossen und anschließend auf der Landespressekonferenz vorgestellt werden.
Außenhandel: China ist Wettbewerber, Systemrivale – und Partner
Es gehe darum, sich auf neue Rahmenbedingungen einzustellen, „deren Umfang und künftige Regeln noch nicht vollständig absehbar sind“, heißt es in dem Konzept, das dem Abendblatt vorliegt. Klar ist: Europa, Deutschland und damit auch Hamburg als wichtigstes Außenhandelszentrum der viertgrößten Wirtschaftsnation sind auf sich selbst zurückgeworfen.
Eine wichtige Rolle in dem Konzept spielt China. Das Reich der Mitte ist nicht nur ein elementarer Handelspartner (ein Drittel des Containerumschlags basiert auf dem Warenaustausch mit China), sondern auch potenzieller Investor im Hafen – die Minderheitsbeteiligung am Terminal Tollerort ist noch immer nicht in trockenen Tüchern. Und angesichts des „politischen Wettstreits zwischen der traditionellen Weltmacht USA und der aufstrebenden Weltmacht China“ ist fraglich, ob daraus noch etwas wird.
Senat fordert „richtige Balance“ im Umgang
Der Cosco-Deal wird nicht explizit im Konzept angesprochen, es wird aber getragen vom Gedanken, dass das Land strategischer Partner, wirtschaftlicher Wettbewerber und politischer Systemrivale ist. Der Senat fordert hier eine „richtige Balance“: Der Abbau von Handelsbeziehungen wäre voreilig. „Für Hamburg, den Hamburger Hafen und die norddeutsche Wirtschaft bleibt China bis auf Weiteres ein wirtschaftlich wichtiger Außenhandelspartner.“
Es gehe aber darum, neue Partner für die Hamburger Außenwirtschaft zu gewinnen wie Indien, Südkorea, Indonesien oder Vietnam, aber auch die Volkswirtschaften in Lateinamerika und Afrika. Dass Russland – bis zum Krieg immerhin Hamburgs sechstwichtigster Handelspartner – in näherer Zukunft wieder eine bedeutende Rolle spielen wird, sei „sehr unwahrscheinlich“, heißt es in dem Konzept. Die Sanktionen seien notwendig.
Außenhandel: Neues Konzept will Hamburgs Stärken stärken
Allerdings distanziert sich der Senat von einer rein wertegetriebenen Außen- und Wirtschaftspolitik, die das Auswärtige Amt forciert: „Eine Hamburger Außenwirtschaftspolitik wird immer klug und verantwortungsvoll abwägen zwischen der Wahrung von Stabilität, Nachhaltigkeit und Werteorientierung einerseits und den Vorteilen für Wirtschaft, Wertschöpfung und Beschäftigung andererseits.“
In Zukunft, so das Papier der Wirtschaftsbehörde, solle es darum gehen, die bestehenden Stärken zu stärken und neue Wege zu beschreiten. Dabei geht es nicht nur um Hafen und das Luftfahrtcluster, das bezogen auf den Gesamtexport Hamburg 58,3 Prozent zum Export beiträgt.
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Potenziale sieht die Wirtschaftsbehörde auch in der Gesundheitsbranche, dem Klimaschutz und dem Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. Ausdrücklich will der Senat die Unternehmen im Wandel unterstützen und eine bessere Vernetzung mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen ermöglichen. Und auch ein Klassiker hat es in das 84-Seiten starke Konzept geschafft: Das Leitbild ist ein „ehrbarer, hanseatischer Kaufmann“.