Hamburg. Bezirksamt korrigiert Prognose. Politik reagiert schockiert: „Sehr bittere Nachrichten“. Wann die Bagger nun rollen sollen.

Mit Erstaunen blicken die Stadtentwicklungsexperten der Bergedorfer Politik in diesen Tagen auf die Fortschreibung des Wohnungsbauprogramms für den Bezirk: Völlig überraschend für alle Fraktionen hat das Bezirksamt den Start der Neubauten auf den ehemaligen Karstadt-Flächen an der Fußgängerzone nach hinten datiert. Statt wie bisher verkündet schon im kommenden Jahr, soll es in der Baugrube am Bergedorfer Markt nun erst 2026 losgehen. Und das Karstadt-Haus im Sachsentor knöpfen sich die Abrissbagger sogar erst 2027 vor, heißt es im 62 Seiten starken Papier, das Mittwoch dem Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung vorgelegt worden ist.

„Das sind sehr bittere Nachrichten“, ärgert sich CDU-Fraktionschef Julian Emrich. „Wir brauchen dringend einen sichtbaren Startschuss für die Entwicklung der Bergedorfer City. Auch wenn im Hintergrund ja tatsächlich schon längst die wichtigen Genehmigungsprozesse laufen, ist die Stimmung bei Grundeigentümern, den Einzelhändlern und in der Bevölkerung nicht die beste. Eine weitere Verzögerung gerade beim Thema Karstadt wird diesen Gegensatz noch verschärfen, statt Dynamik in die Zukunft unserer Innenstadt zu bringen.“

SPD: „Baustart auf Karstadt-Fläche am Bergedorfer Markt ist 2025 möglich“

Eine Begründung für die nach hinten verschobenen Realisierungsprognosen war aus dem Bergedorfer Rathaus wegen des langen Wochenendes nicht zu bekommen. Heinz Jarchow (SPD), Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, vermutet allerdings bürokratische Vorsicht hinter den neuen Daten: „Wir sprechen hier nur über eine Fortschreibung des Bergedorfer Wohnungsbauprogramms. Da muss vom Bezirksamt natürlich auch die angespannte Lage auf dem Bau mit deutlich gestiegenen Preisen und Zinsen betrachtet werden.“ Er könne sich „durchaus vorstellen, dass zumindest am Bergedorfer Markt schon 2025 die Bauarbeiter anrücken“.

Der Abriss von Karstadt am Bergedorfer Markt Ende September 2022.
Der Abriss von Karstadt am Bergedorfer Markt Ende September 2022. © Matti Noetzel | Matti Noetzel

So optimistisch ist Dieter Polkowski nicht. Der Stadtplanungsexperte der Grünen sieht die Verantwortung für die absehbaren Verzögerungen zwar auch beim Investor und nicht bei der Behörde. „Aber das eigentliche Problem liegt darin, dass Bergedorfs kleines Karstadt-Haus zu früh abgerissen wurde. Damit schauen wir am Bergedorfer Markt nun schon seit zwei Jahren in eine Baugrube und werden das mindestens noch weitere zwei Jahre ertragen müssen.“ Stünde die Immobilie noch, könnte spätestens jetzt über eine Zwischennutzung nachgedacht werden. „Kunst, Kultur oder andere kreative Ideen würden auch dem großen Karstadt-Haus am Sachsentor guttun. Eine so zentrale Immobilie muss ja nicht zwingend als Übungsfläche der Polizei genutzt werden.“

Neubau am Schlosspark wohl schon 2025 – Kommt 2026 das Stuhlrohr-Quartier?

Trotz der Fragezeichen bei Karstadt geht es an anderen Stellen der Bergedorfer City schneller voran. Besonders beim geplanten Neubau auf dem heutigen Areal des Parkhauses an der Bergedorfer Schlossstraße hatten Politik und Verwaltung im September den Turbo angeworfen. Durch Übernahme des vorliegenden Architekten-Entwurfs und Verzicht auf einen weiteren Wettbewerb kann der Neubau mit seinen fünf Meter hohen Café- und Geschäftsräumen im Erdgeschoss und den 80 Wohnungen darüber voraussichtlich schon 2025 starten – ein Jahr früher, als im Entwurf des Bergedorfer Wohnungsbauprogramms angekündigt.

Prominenter Leerstand: Das ehemalige Karstadt-Haus am Sachsentor wird derzeit von der Polizei als Übungsfläche genutzt.
Prominenter Leerstand: Das ehemalige Karstadt-Haus am Sachsentor wird derzeit von der Polizei als Übungsfläche genutzt. © Christina Rückert | Christina Rückert

Alle Details zur Fortschreibung wird der Stadtentwicklungsausschuss in seiner Sitzung Anfang Dezember besprechen. Dazu gehört dann unter anderem der jetzt für 2026 erhoffte Baustart des Stuhlrohr-Quartiers mit seinen knapp 1000 Wohnungen und 15.000 Quadratmeter Gewerbeflächen, einschließlich eines Start-up-Centers gleich südlich vom Bergedorfer Tor. Und es wird um Oberbillwerder gehen, dessen erste Häuser laut Wohnungsbauprogramm schon 2027 gebaut werden sollen.

Oberbillwerder: Wohnungsbauprogramm für Bergedorf erwartet Baustart 2027

Ob das gelingt, hängt auch am Ausgang der Bürgerschaftswahl am 2. März 2025: Stellt danach die CDU den Hamburger Bürgermeister, hat sie das Aus für Oberbillwerder versprochen. Genau das versucht die AfD jetzt schon auf Bergedorfer Ebene – obwohl eine so grundsätzliche Entscheidung wie der Planungsstopp für Hamburgs 105. Stadtteil in letzter Konsequenz nur von der Bürgerschaft getroffenen werden kann.

Generell gilt Oberbillwerder als Schlüssel dafür, dass der Bezirk Bergedorf seine im „Vertrag für Hamburg“ gegenüber dem Senat eingegangene Verpflichtung von 800 genehmigten Neubauwohnungen pro Jahr auf lange Sicht wird erfüllen können. Immerhin sind dort bis etwa ins Jahr 2040 insgesamt rund 6500 Wohnungen geplant. Im Vergleich dazu sind die Neubauten auf den beiden Karstadt-Flächen in Bergedorfs City nur winzig: Neben Geschäften und Gastronomie im Erdgeschoss sollen am Bergedorfer Markt 46 und am Sachsentor 55 Wohnungen in den oberen Stockwerken entstehen.

Wohnungsbau in Bergedorf: Flächen für 12.000 neue Wohnungen

Ob es Bergedorf in den kommenden Jahren aber tatsächlich auf 800 genehmigte Neubauwohnungen pro Jahr bringen wird, bleibt abzuwarten. Bedingt durch die Krise am Bau sind die Zahlen seit 2021 deutlich eingebrochen: zunächst auf knapp über 500, in 2023 dann auf nur noch 326 und in diesem Jahr auf bisher gerade mal 103. Für 2025 gibt sich das Bezirksamt in der Fortschreibung des Bergedorfer Wohnungsbauprogramms dennoch optimistisch: Exakt 912 Genehmigungen sollen es in 2025 sein.

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Auch beim Blick auf das Gesamtpotenzial ist von krisenhafter Zurückhaltung keine Spur: „Es gibt Flächen für den Neubau von rund 12.000 Wohneinheiten“, schreibt das Bezirksamt. „Davon sind fast 10.350 Geschosswohnungen und etwa 1650 Einfamilienhäuser in Form von Einzel-, Doppel- oder Reihenhäusern.“