Hamburg. Baugenossenschaft Bergedorf-Bille will 60er-Jahre-Viertel zu hochmodernem Zuhause bis ins hohe Alter machen. Doch es gibt Kritik.
Im Wohngebiet Wiesnerring hält die Zukunft Einzug – was nicht allen der gut 1000 Bewohner gefällt: Seit einem Jahr bereits lässt die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille die ersten Häuser dieses Quartiers energetisch sanieren, das aus den 50er- und 60er-Jahren stammt. Und ab Herbst 2025 soll hier nachverdichtet werden, durch insgesamt neun Neubauten im üppigen Grün des Wiesnerrings und auf manchen seiner Parkplatzflächen.
Es ist ein Pilotprojekt für die gut 10.000 Wohnungen große Baugenossenschaft: „Neben den üblichen Themen wie Dämmung und erneuerbare Energie steht am Wiesnerring um die Transformation des ganzen Quartiers zu einem Ort für lebenslanges Wohnen im Mittelpunkt“, sagte Bergedorf-Bille-Vorstand Marko Lohmann am Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung. „In enger Abstimmung mit unseren Mietern, die hier überwiegend schon seit Jahrzehnten leben, geht es um den Bau barrierefreier Wohnungen, um moderne Formen des miteinander Lebens in der Stadt und die Durchmischung aller Altersgruppen. Aber nicht zuletzt eben auch um betreutes Wohnen bis hin zu Pflegewohngruppen im Quartier.“
Baugenossenschaft Bergedorf-Bille: Wohnungsbau in enger Absprache mit den Mietern im Wiesnerring
Seit fast zwei Jahren schon gibt es laut Marko Lohmann einen engen Austausch zwischen den Mietern vom Wiesnerring und der Genossenschaft. Dass vor Ort dennoch längst nicht alles auf Begeisterung stößt, machte im Ausschuss eine Bewohnerin deutlich: Zwar gebe es einen breiten Konsens für die energetische Sanierung, auch wenn die laut und kaum vor 2027 beendet sei. Doch vielen Mietern falle die geplante Nachverdichtung zu üppig aus.
Tatsächlich hat sich hier in den vergangenen Monaten Grundlegendes geändert. Eigentlich wollte die Bergedorf-Bille den Großteil der drei- bis vierstöckigen Bestandsbauten aufstocken, um so die Zahl der Genossenschaftswohnungen im Quartier von derzeit knapp 500 auf fast 700 zu steigern. Für dieses Plus war zusätzlich auch der Bau von sechs neuen Wohngebäuden geplant, die – ganz im Sinne der Bewohner – fast nur auf den heutigen Parkplätzen nahe der Kita im Norden des Quartiers und im Süden entlang der Kampbille entstehen sollten. Dass die Genossenschaft jetzt aber noch drei weitere Neubauten plant und perspektivisch auch das Ersetzen der beliebten Reihenhäuser im ruhigen Westen des Wiesnerrings durch Geschosswohnungsbau in Erwägung zieht, kommt gar nicht gut an.
Statik der Altbauten aus den 50er- und 60er-Jahren lässt Aufstockung nicht zu
Der Grund für den Sinneswandel liegt in der 60 bis 70 Jahre alten Statik der Bestandsbauten: Sie trägt gar keine Aufstockung. Deshalb hat die Bergedorf-Bille umgeplant: Nun soll es drei weitere Neubauten im inneren Grün des Wiesnerrings geben, die vielen der alteingesessenen Bewohner den Sonnenuntergang und damit die gute Laune verderben. Besser kommt die zweite Planänderung an, obwohl es dabei um den Abriss der „Visitenkarte“ des gut versteckt westlich vom Weidenbaumsweg liegenden Quartiers handelt: Um ausreichend viele barrierefreie Wohnungen zu schaffen, soll der Block mit den Hausnummern Wiesnerring 2 und 20 durch einen vierstöckigen Neubau mit großer Tiefgarage ersetzt werden.
Ob dieser Neubau kommt und welche Auswirkungen die Kritik der Bewohner hat, ist bisher noch völlig offen, wie Marko Lohmann unserer Zeitung sagt: „Wir befinden uns noch in einer sehr frühen Planungsphase. Die jetzt vorliegenden Entwürfe sind eher ein fortgeschriebener Möglichkeitsrahmen, der verschiedene Optionen beschreibt, jedoch keine Automatismen. Schon in wenigen Wochen werden wir alle Bewohner des Wiesnerrings einladen, um sie zu informieren und sie aufzufordern, sich einzubringen.“
Großes Problem am Wiesnerring: Parkplatz-Suchverkehr aus benachbartem Wohnquartier Glasbläserhöfe
Auch der Stadtentwicklungsausschuss wird sich mit dem Projekt erneut befassen. Bereits in seiner nächsten öffentlichen Sitzung am Mittwoch, 6. November, ab 18 Uhr im Bergedorfer Rathaus, Wentorfer Straße 38, steht es wieder auf der Tagesordnung. Dann geht es um Ideen, wie der erhebliche Parkplatz-Suchverkehr eingedämmt werden kann. Denn seit wenige Meter entfernt, östlich des Weidenbaumswegs, das Wohnquartier Glasbläserhöfe gebaut wurde, stellen seine Bewohner ihre Pkw gern im Wiesnerring ab.
Die Lösung für dessen Bewohner soll neben der möglichen Tiefgarage unter dem angedachten Neubau ein modernes Parkhaus bieten: Die Bergedorf-Bille plant diesen Mobility-Hub gegenüber vom heutigen Edeka-Markt Halmschlag auf einem Garagenhof an der Zufahrt zum Wiesnerring. In dessen Erdgeschoss soll auch der Supermarkt übersiedeln. Dieses Projekt gehört zur ersten Neubauphase, die am Wiesnerring Ende 2025 beginnen soll.
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Bleibt alles im heute angedachten Rahmen der Wohn- und Stellplatz-Kapazitäten, wächst die Zahl der Bewohner des Quartiers nur geringfügig. Aus jetzt knapp 500 Wohnungen würden etwas mehr als 530. Die Zahl der Stellplätze würde von derzeit rund 250 auf 300 steigen. Gebaut wird von 2025 bis 2028 zunächst der moderne Nachfolger vom Wohnblock Wiesnerring 2/20, das neue Parkhaus samt Supermarktfläche und die beiden Wohnblocks nahe der Kita. Ab 2028 würden die weiteren Neubauten entstehen – und erst 2040 die Reihenhäuser im Westen des Quartiers durch zwei Wohnblocks ersetzt.