Bergedorf. Im leer stehenden Kaufhaus üben Beamte den Ernstfall. Warum das große Gebäude in der Fußgängerzone dafür so geeignet ist.
Einsatz im Bergedorfer Sachsentor. Die Polizei stürmt Karstadt – und das mittlerweile fast jede Woche. Die seit Februar 2021 leer stehende Immobilie wird als Trainingsstätte genutzt. Es ist der perfekte Ort, um „realistische Übungsszenarien“ darzustellen, wie sie der polizeiliche Alltag mit sich bringen kann. Passanten bekommen davon so gut wie nichts mit. Obwohl zwischendurch auch mal geschossen wird….
Seit Oktober 2022 nutzt die Polizei das dreistöckige und knapp 6000 Quadratmeter große Gebäude. Das Polizeibanner weist dann über die Gesamtbreite des Kaufhauseingangs darauf hin, dass drinnen gerade der Ernstfall geprobt wird – und verhindert auch allzu neugierige Blicke. Es wäre ohnehin nur eine komplett leer geräumte Fläche im Parterre zu erkennen, weil die Beamten über die längst stillgelegte Rolltreppe in die oberen Stockwerke gehen.
Polizei stürmt Karstadt Bergedorf: Drei Mannschaftswagen in der Schlossstraße
So wie ganz aktuell am Mittwoch, als drei Mannschaftswagen mit voll fokussierten Beamten in voller Montur am Hintereingang des verwaisten Warenhauses an der Bergedorfer Schlossstraße vorfahren und ihr Equipment, auch ganz offensichtlich Schusswaffen, auspacken und hineintragen. Hier wird um 9 Uhr keine Zeit verloren, die Einsatzleitung weist daraufhin, dass die Einsatzfahrzeuge schleunigst aus dem Halteverbot weggefahren werden.
Immerhin das ist herauszuhören: Vier bis fünf Stunden dauert die Übungseinheit der etwa zehnköpfigen Einheit der Bereitschaftspolizei, die mit verschiedenen Trupps genauso hier trainiert wie Beamte des Bergedorfer PK 43. Letztere koordinieren die Trainingseinsätze auch, die keinem festen zeitlichen Turnus folgen.
Polizei stürmt Karstadt Bergedorf: „Taktisches Vorgehen in Gebäuden“ auf dem Lehrplan
„Aufgrund des Leerstands und der Größe kommen Gebäude dieser Art für Übungszwecke für uns infrage“, bestätigt Polizeisprecher Florian Abbenseth die Wahl eines der signifikantesten Leerstände im Bergedorfer Zentrum. Und wie sehen diese Übungen denn nun genau aus? Da möchten sich die „Zwischennutzer“ nicht zu sehr in die Karten schauen lassen, zumal es Außenstehenden nicht erlaubt ist, das Training zu beobachten oder gar Fotos zu machen.
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Nur so viel: Die von Abbenseth beschriebene „Darstellung realistischer Übungsszenarien“ spiegele „Erfahrungen aus verschiedenen Einsatzlagen“ wider, wie sie die Beamten beispielsweise bei Hausdurchsuchungen oder Bedrohungslagen in einem mehrstöckigen Haus auch real vorfinden. Vorstellbar wäre etwa das Verhalten bei einem Geiselszenario – die Polizei bestätigt allerdings nicht, dass genau solche Situationen trainiert werden. Es gehe primär um „taktisches Vorgehen in Gebäuden“. Mehr Details werden nicht verraten, „da diese Fragen die Einsatztaktik der Polizei berührt“.
Nur wenige Gebäude kommen für Polizeitraining infrage
Bei den Übungen seien stets etwa ein Dutzend Einsatzkräfte dabei. Das Besondere: „Sie trainieren verschiedene Situationen in immer neuen Gebäuden außerhalb des Trainingszentrums in Alsterdorf, die sie vorab nicht kennen“, ergänzt Florian Abbenseth. Überhaupt soll die Außenwelt bis auf das Banner und vielleicht mal das eine oder andere Polizeiauto nicht allzu viel bis gar nichts von den Trainingseinheiten im Sachsentor mitbekommen. „Die Teilnehmer des Einsatztrainings sind ständig angehalten, die Geräuschkulisse auf ein Minimum zu reduzieren sowie Störungen und Irritationen Unbeteiligter weitestgehend zu verhindern“, sagt Abbenseth. Immerhin soll dort gelegentlich auch Übungs- beziehungsweise Farbmunition benutzt werden.
Der alte Karstadt im Sachsentor ist derzeit das einzige Gebäude im Bezirk Bergedorf, das die Polizei für derartiges Training nutzt. Grundsätzlich sollen es eine Handvoll von Objekten im gesamten Stadtgebiet sein, die dafür ständig infrage kämen. Das Gebäudeangebot wechsele jedoch permanent. Dementsprechend ist unklar, wie lange die Beamten im alten Bergedorfer Karstadt ihr taktisches und praktisches Training bestreiten werden.