Hamburg. In Hamburg sind 2023 so wenige neue Wohnungen entstanden wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Die Aussichten sind noch schlechter.
Die Zahlen sind dramatisch: Im vergangenen Jahr sind in Hamburg knapp 6000 Wohnungen fertig gebaut worden – und damit so wenige wie seit 2012 nicht mehr. Schon der Vergleich zum Vorjahr fällt drastisch aus: So wurden 35 Prozent weniger fertiggestellt als 2022, wie das Statistikamt Nord am Donnerstag in Hamburg mitteilte. Konkret bedeutet das, dass 3235 Wohnungen weniger neu gebaut wurden als noch im Vorjahr. In den vergangenen zehn Jahren lagen die Zahlen stets deutlich höher. Zwischen 2018 und 2020 waren jeweils fast oder mehr als 10.000 neue Wohnungen entstanden. Zum Vergleich: 2011 und 2012 waren es jeweils fast 3800.
Die meisten der neuen Wohnungen – exakt 5682 – sind den Angaben zufolge in neuen Gebäuden entstanden, 317 Wohnungen konnten durch Aus- und Umbau von bestehender Bausubstanz geschaffen werden. Fast 80 Prozent aller Wohnungen befinden sich in Mehrfamilienhäusern. Der Anteil von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern liegt bei fast 16 Prozent. Weitere Wohnungen entstanden in Wohnheimen und Büro- und Betriebsgebäuden. Rund 2150 der neuen Wohnungen – und damit etwa 36 Prozent sind der Stadtentwicklungsbehörde zufolge Sozialwohnungen
Immobilien Hamburg: Wohnungsbau bricht um mehr als ein Drittel ein
Gleichzeitig sind noch mehr als 20.000 Wohnungen im Bau, wie das Statistikamt weiter mitteilte. So stand der Neubau von mehr als 9500 Wohnungen Ende 2023 noch aus, fast 7800 waren schon in Arbeit und für weitere fast 5500 Wohnungen war der Rohbau bereits fertig.
Für Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein sind die Zahlen kein Grund zum Jubeln, wie sie laut Mitteilung sagte. „Die schwierige Lage der Bauwirtschaft schlägt sich wie erwartet erstmals auch in Zahlen nieder.“ Es gebe trotzdem auch Grund zur Zuversicht, denn der Einbruch sei weniger drastisch ausgefallen als von vielen erwartet. „Trotz Krise wird weiter gebaut. Das ist ein gutes Signal und bestätigt uns in unseren jüngsten Anstrengungen, durch bessere Rahmenbedingungen den Wohnungsbau weiter anzukurbeln.“ So sollen die größten Kostentreiber angepasst werden – etwa Baustandards reduziert, Verfahren beschleunigt und Planung optimiert werden.
Der Blick in die nächsten Jahre bleibt allerdings trotzdem zurückhaltend: So ist die Zahl der erfassten Baugenehmigungen deutlich gesunken. Es wurden Genehmigungen für 5257 Wohnungen erteilt – und damit fast 43 Prozent weniger als noch 2022.
Wohnen Hamburg: Ausblick ist ebenfalls bescheiden
Die wohnungspolitische Sprecherin der Linken-Bürgerschaftsfraktion, Heike Sudmann, bezeichnete die Zahlen als „erschreckend“. „Wo sollen all die Menschen, die seit Jahren verzweifelt eine neue Wohnung suchen, noch was finden?“, fragte sie. Lamentieren nütze aber nichts. Da private Investoren wegen zu niedriger Gewinne nicht bauen wollten, müsse nun endlich die Stadt selbst wieder zur Bauherrin werden. „Wie am Beispiel der Saga zu sehen ist, sind die Mieten dieser städtischen Wohnungen über Jahrzehnte hinweg vergleichsweise günstig“, so Sudmann.
Die CDU warf Rot-Grün in Hamburg vor, sich in einem „Dornröschenschlaf“ beim Wohnungsbau zu befinden. „Wo bleibt die vereinfachte Bauordnung, die Bayern bereits im März letzten Jahres verabschiedet hat?“, fragt die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Christdemokraten, Anke Frieling. „Wo bleibt Hamburgs Wohnungsbau-Booster?“
Wohnen Hamburg: Mieterverein nennt Zahlen alarmierend
Auch der Mieterverein zu Hamburg kritisierte die Entwicklung im Wohnungsbau scharf: „In Anbetracht des Bedarfs, den wir haben, des natürlichen Abgangs von Wohnungen durch Abbruch und des massiven Drucks auf den Wohnungsmarkt durch Zuzug, ist das nicht akzeptabel“, sagte die stellvertretende Vorsitzende Marielle Eifler.
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Mehr als 12.000 Personen seien in Hamburg als vordringlich wohnungssuchend registriert, 50.000 Menschen lebten als Familien in zu beengten Verhältnissen, dazu kämen noch Geflüchtete, die in Zelten und Hallen untergebracht werden müssten. „5999 fertiggestellte Wohnungen sind vor diesem Hintergrund einfach nicht genug“, so Eifler. „Der damit erreichte niedrigste Wert seit 2012 ist höchst alarmierend.“ Wenn sich der Wohnungsbau nicht kurzfristig erhole, würden die Folgen für alle Hamburgerinnen und Hamburger dramatisch sein.
Immobilienwirtschaft spricht von schwerster Krise seit Jahrzehnten
Der BFW Landesverband Nord, der die mittelständische Immobilienwirtschaft in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein vertritt, sprach angesichts der Zahlen und der ausgesprochen düsteren Aussichten sogar von der „größten Wohnungsbaukrise seit Jahrzehnten“. .„Bei den Wohnungen, die 2023 fertiggestellt wurden, handelt es sich um Projekte, die noch in der ,Vorkrisenzeit‘ geplant wurden“, sagte der Verbandsvorsitzende Kay Brahmst. „Aber für die kommenden Jahre sehen wir schwarz. Der Neubau wird praktisch zum Erliegen kommen.“
Um den Wohnungsbau anzukurbeln, fordert er unter anderem Kostensenkungen durch gesetzliche Deregulierungen. „Wir müssen von den viel zu hohen Baukosten und -standards herunterkommen. Das ist der einzige Weg, um den Wohnraum zu schaffen, den wir so dringend brauchen“, so Brahmst.