Hamburg. Der Schuhladen Höber kehrt Bergedorfs Innenstadt den Rücken und übt scharfe Kritik am Einzelhandels-Standort. Was andere dazu sagen.
Margarete Höber-Läer sorgt mit ihrer Kritik am Einkaufsstandort Bergedorf für reichlich Diskussionsstoff im Sachsentor. Allerdings kommt die Abrechnung der Schuhhändlerin zur Unzeit – findet zumindest Marc Wilken: „Bergedorf hat in den vergangenen Monaten und Jahren sehr viel auf den Weg gebracht für die Entwicklung seiner Innenstadt“, verweist der Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes WSB auf das angelaufene Stadtmanagement und die bereitliegenden Fördermillionen des Entwicklungsprogramms Rise. „Natürlich ist unsere City der Zukunft noch nicht sichtbar. Aber es gibt ein sehr aktives Miteinander von Wirtschaft, Politik und Verwaltung.“
Dem traditionsreichen Schuhhaus Höber aus Uelzen, das Bergedorf schon nach zwei Jahren wieder den Rücken kehrt, wünscht Wilken „alles Gute für die Zukunft seiner anderen, in Niedersachsen liegenden Filialen“. Die Probleme der Fachgeschäfte, gerade im Schuh-Segment, seien durch den wachsenden Onlinehandel aber überall ähnlich. „Bei allem Verständnis dafür, dass der langwierige Leerstand durch die Karstadt-Schließung für das östliche Sachsentor einen negativen Effekt hat, so geht es doch darum, in Bergedorf gemeinsam an der Zukunft des Einkaufsstandorts zu arbeiten.“
Geschäfte am Sachsentor: Bergedorf diskutiert über Einzelhandels-Standort
Als positive Beispiele, wo das bereits sichtbar ist, verweist Marc Wilken auf die 2022 eingeweihte Gastromeile auf der Serrahnstraße am Bergedorfer Hafen. „Auch die jüngste Beschleunigung des künftigen Wohn- und Geschäftshaus-Projekts auf dem heutigen Parkhaus-Grundstück am Schlosspark sowie die attraktiven Gastronomie-Pläne für den Neubau in der alten Karstadt-Baugrube am Bergedorfer Markt sind Lichtblicke“, meint Wilken.
Mehr Licht als Schatten sieht auch Wilkens ehemalige WSB-Vorstandskollegin Martina Willhoeft, die mit den von ihr geleiteten Geschäften Herrenausstatter Willhoeft und der Damen-Boutique Azul im offenkundig belebteren Teil des Sachsentors ansässig ist, dennoch den Blick auf die Gesamtsituation nicht verschließt. Die Kritik seitens Höber teilt die Bergedorfer Geschäftsfrau nicht, da es doch starke Zugänge im hinteren Sachsenstor gebe. So etwa das attraktive Modegeschäft Olsen, das sich im Sachsentor 50 niederlassen wird. Dazu gebe es bereits H&M, Denns Biomarkt, Cinderella Hochzeitsmoden oder Depot: „Das ist mitunter hochwertig und frequenzbringend“, meint Martina Willhoeft.
Willhoeft: „Ich habe keine Angst, dass das Sachsentor den Bach heruntergeht“
Da die Frequenz vor ihren Ladentüren ebenfalls stimme, sagt Willhoeft: „Ich habe keine Angst davor, dass das Sachsentor den Bach heruntergeht.“ Allerdings müsse auch akzeptiert werden, gerade von älteren Bergedorfern, dass sich Einkaufsstraßen eben auch wandeln würden. So lege der Besuch eines Nagelstudios nun mal bei Jüngeren voll im Trend.
Andere wiederum sehen und spüren die Probleme des Sachsentors im Bereich des Mohnhofs mehr. Aus den Statements von Geschäftsleuten und Kunden ist aber auch herauszuhören, dass das Problem offenbar nicht nur am Standort, sondern auch vom aufgebenden Schuhgeschäft hausgemacht sein könnte.
Probleme von Höber hausgemacht? „Die Leute wollen etwas Neues“
So sieht es zum Beispiel Alexandra Lessak. Die Friseurmeisterin findet: „Dort Schuhe zu verkaufen, finde ich gut – aber nicht in dieser Aufmachung. Die Leute kennen so etwas zur Genüge, wollen etwas Neues, mit Liebe und Schwung.“ Ihr Vorschlag für Vermieter Wido Schüttfort: die 540 Quadratmeter große Fläche teilen und mehrere Kleinstanbieter etablieren wie in einer Art Markthalle oder Mini-Warenhaus.
Ähnlich formuliert es Manfred Stoesky aus dem Modegeschäft Malibu in der Sachsentor-Passage. Ein „vernünftiges Schuhgeschäft mit Klasse“ sei grundsätzlich für Bergedorf schon richtig, aber sicher nicht der alleinige Füller für die Fläche im Sachsentor 75. H&M sei in dem Bereich der Fußgängerzone schön und gut, „aber das war es da dann auch“.
Anlieger fordern mehr Aufmerksamkeit für Gestaltung des östlichen Sachsentors
In seinem Geschäft Schreibkultur im Sachsentor 65 diskutiert Geschäftsführer Ralph Ottensmeyer angeregt mit Kundin Lessak. Gehört habe er von den Klagen über sinkende Umsätze und weniger Kunden um sich herum. Und ja, der hintere Teil des Sachsentors wirke manchmal wie ein Fremdkörper. Ottensmeyer versteht zum Beispiel nicht, warum WSB, Citymanagement oder Bezirksamt nicht in das Äußere des Sachsentors mehr Liebe investieren.
Da gehe es seiner Meinung nach nicht nur um Gastronomie („Ein guter Imbiss wäre schon toll“), sondern auch um dekorative Elemente wie Bänke oder Blumen – wie im Lohbrügger Teil der Alten Holstenstraße. Und noch etwas missfällt Ottensmeyer: „Wenn verkaufsoffener Sonntag ist, hören Stände und Begleitprogramm immer bei den Karstadt-Häusern auf.“
Innenstadt Bergedorf: Neubau für Karstadt-Nachfolge auf den Weg gebracht
So negativ sieht das Bezirksamt die Situation im Sachsentor keineswegs: Natürlich sei die Situation an manchen Stellen nicht einfach, „aber von einem Niedergang kann nicht die Rede sein“, sagt Rathaussprecher Lennart Hellmessen. Gerade im östlichen Sachsentor sei durch die Sanierung der Chrysanderstraße schon viel bewegt worden. „Wichtig ist aber auch zu betonen, dass die Innenstadtentwicklung nur gemeinsam funktioniert und kein Sprint, sondern ein Marathon ist. Es braucht Geduld und Ausdauer von allen Seiten.“
Auch interessant
- Röpraredder-Mord: Überraschende Wendung in neuer Verhandlung
- Baustellenatlas: Auf diesen Bergedorfer Straßen wird bald gebaut
- Von Hamburg nach Walsrode: Corinna Mönke verlässt Curslack
Das gilt auch für die Neubauten auf den ehemaligen Karstadt-Grundstücken. Aktuell arbeite das Bezirksamt an beiden Standorten mit Hochdruck. Besonders weit ist das Verfahren für den Neubau in der heutigen Baugrube am Bergedorfer Markt, sagt Lennart Hellmessen: „Hier werden anhand des vorliegenden Architektenentwurfs derzeit noch die genauen Höhen, die Verschattung und die Abstände geprüft, vor allem um das Sonnenlicht auf dem Bergedorfer Markt zu halten.“ Anschließend werde alles im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt, einschließlich des städtebaulichen Vertrags mit dem Grundeigentümer. „Wir hoffen, diese nächsten Schritte zeitnah einleiten zu können.“