Hamburg. Das Online-Tool soll die Suche nach dem richtigen Krankenhaus erleichtern. Es bietet erste Informationen – und enthält kuriose Fehler.

Ein „übersichtlicher Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel in Deutschland“ soll der neue Bundes-Klinik-Atlas sein. Sagt zumindest Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Die Online-Datenbank gibt Patienten einen Überblick über das Angebot und die Leistungsfähigkeit von deutschen Krankenhäusern. Zum Start im Mai sind allerdings noch lange nicht alle Funktionen eingebaut.

Was leistet der Atlas aktuell für Nutzer aus Bergedorf und Umgebung? Neben Eckdaten, wie die Zahl der vorhandenen Betten oder der jährlich behandelten Patienten können Nutzer für jedes Krankenhaus den sogenannten Patientenpflegequotienten sehen. Dieser Wert setzt die Pflegelast, also den Aufwand der Pflegebetreuung, in Bezug zur Anzahl des Pflegepersonals. Je niedriger, desto besser.

Bundes-Klinik-Atlas: Pflegequotient beim Bethesda durchschnittlich

Praktischerweise ordnet der Atlas die Zahl direkt in einen größeren Kontext ein und gibt an, ob die abstrakte Zahl gut oder schlecht, hoch oder niedrig ist. Besonders gut schneidet im Bezirk Bergedorf und den angrenzenden Regionen des Herzogtums Lauenburg und des Kreises Stormarn das BG Klinikum Hamburg in Boberg mit einem Pflegequotienten von 46,18 (überdurchschnittlich) ab. Das Agaplesion Bethesda Krankenhaus in Bergedorf (50,12), das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht (52,20) sowie das Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift (52,53) landen bei einer durchschnittlichen Bewertung.

Behandlungsschwerpunkte und die Erfahrung einer Klinik bei der Behandlung bestimmter Krankheiten können ebenfalls bereits abgefragt werden. Potenzielle Patienten erfahren so mit wenigen Klicks, dass im Krankenhaus Reinbek zuletzt 239 Darmkrebspatienten in einem Jahr (sehr viele) behandelt wurden, die Klinik in Geesthacht dagegen nur 40 (wenige) Fälle dieser Art therapierte. Künstliche Hüftgelenke setzte das Krankenhaus in Reinbek 221 (viele) ein. Die gleiche Operation fand in Boberg (94), Geesthacht (91) und Bethesda (90) dagegen deutlich seltener statt. Im bundesweiten Vergleich sind das niedrige Zahlen.

Datenbank zeigt Schwerpunkte der Krankenhäuser

Aufgeschlüsselt sind auch die vorhandenen Fachabteilungen mit der jährlichen Anzahl der Behandlungen in jeder Abteilung. Anhand dieser Daten ist zum Beispiel der Schwerpunkt der BG Klinik Boberg mit 2526 Behandlungen in der Unfallchirurgie sowie 1249 Therapien in der plastischen Chirurgie in einem Jahr durchaus zu erkennen. Dazu kommen Zertifikate, wie für die Schlaganfall-Abteilung im Klinikum-Bethesda oder für die Behandlung verschiedener Krebsarten in Reinbek.

Der Bundes-Klinik-Atlas trägt also viele Daten aus dem Bestand der Krankenhäuser zusammen und bündelt sie auf einem Portal. Wer die Zahl der Behandlungen für eine Krankheit, Zertifikate und die Größe der jeweiligen Fachabteilungen vergleicht, kann einen ersten Eindruck von den Schwerpunkten der unterschiedlichen Kliniken erhalten. „Hohe Fallzahlen sind keine Garantie für gute Qualität. Dennoch gehen sie häufig mit einem geringeren Risiko für Komplikationen und einer höheren Patientensicherheit einher“, schreibt das Bundesgesundheitsministerium in seinen Benutzerhinweisen.

Bethesda-Sprecher kritisiert Portal als nicht ausgereift

Reichen diese Informationen für Patienten ohne Hintergrundwissen aus? Der frühere Klinik-Manager Jens Deerberg-Wittram kritisiert das Portal in einem Interview mit dem „Spiegel“: „Wer sich ohnehin schon gut auskennt, kann profitieren. Denen, den man am meisten helfen müsste, hilft die Plattform nicht.“ Kritische Informationen, wie die Komplikationsrate der einzelnen Krankenhäuser bei bestimmten Behandlungen und Eingriffen, sollen erst im Oktober zur Datenbank hinzugefügt werden.

Auch interessant

Matthias Gerwien, Sprecher des Agaplesion Bethesda Krankenhauses Bergedorf, sieht das Online-Tool bisher ebenfalls kritisch: „Insgesamt macht der Bundes-Klinik-Atlas einen sehr unausgereiften Eindruck.“ Die Darstellung der Zertifizierungen sei bisher unvollständig, die Suchfunktion sei bisher nur von Fachleuten richtig zu bedienen, die sich mit Kodierungssystemen aus dem Gesundheitssystem auskennen. Für Gerwien ist der Atlas bisher „das Gegenteil von Transparenz“.

Kurioser Fehler: Praxis-Klinik in höchster Stufe der Notfallversorgung

Dafür leistet sich der Klinik-Atlas offensichtliche Schnitzer. Die Praxis-Klinik Bergedorf an der Alten Holstenstraße wird ebenfalls in der Datenbank aufgeführt. Das kleine Krankenhaus für Wirbelsäulenchirurgie und Orthopädie mit gerade einmal 16 Betten soll laut Klinik-Atlas allerdings eine Notfallversorgung der höchsten Versorgungsstufe 3 anbieten. Laut Richtlinien wären dafür unter anderem eine Intensivstation mit 20 Betten und ein Hubschrauberlandeplatz nötig – Angebote, welche mitten in Lohbrügge nicht vorhanden sind, wie eine Sprecherin bestätigte.