Hamburg. Die Pächter müssen zum Jahresende ihre Parzellen für den Körber-Konzern räumen. Den Gärtnern fällt der Abschied von ihrer Idylle schwer.
Wer am Pfingstmontag in Bergedorf über die gekiesten Wege der Kleingartenanlage Curslacker Neuer Deich stampft, trifft nicht viele Menschen. Gleich am Eingang toben ein paar Kinder unter der Aufsicht der Eltern über den Rasen, ansonsten ist es still. Frösche quaken, am Horizont drehen sich die Windräder, und dunkle Wolken ballen sich am Himmel zusammen. Einige Parzellen wirken verlassen. Das Gras wächst teilweise hüfthoch. Kein Wunder. Die Kleingärten wird es nur noch bis zum Jahresende geben. Danach kommen die Bagger.
Die 96 Pächter auf der Anlage müssen gehen, damit an dieser Stelle der von der Bergedorfer Politik heiß ersehnte Innovationspark des Körber-Konzerns gebaut werden kann. Günstig gelegen an der Autobahn 25, die inmitten der Schrebergartenidylle im Hintergrund stetig rauscht. Anfang Februar erhielten die Kleingärtner ihre Kündigungen. 2024 wird für die Pächter der letzte Sommer auf ihren Parzellen.
Curslacker Neuer Deich: Kleingärtner nehmen Abschied von ihren Parzellen
Arslan Hüseyins Rasen ist gemäht, die Buchsbäume vor dem Holzhäuschen sind sauber gestutzt. Seit 24 Jahren pflegt der Rentner sein Grundstück, das er jetzt aufgeben muss. Wie er den Abschied empfindet? „Es ist ein beschissenes Gefühl“, sagt er. Und lächelt wehmütig. Der langjährige Landschaftsgärtner will nicht von Arbeit sprechen, die er in seine Parzelle investiert hat: „Es war viel Liebe.“ Trotz aller Mühen verbindet er sein Gärtchen vor allem mit Erholung.
Dass der Körber-Konzern den neuen Standort in Bergedorf bekommen habe, findet Hüseyin gut. „Die Leute brauchen ja Arbeit, um über die Runden zu kommen“, betont er. Und die Hauni habe immer viel für Bergedorf getan. Doch ihn treibt die Sorge um, am Ende mit einer zu geringen Entschädigung abgespeist zu werden.
„Ich weiß, was die Bäume auf meinem Grundstück wert sind“
Die einzelnen Parzellen der Pächter werden derzeit von einem Schätzer begutachtet. Der soll festlegen, wie viel die Bäume, Büsche und Blumen sowie die Schuppen und Häuschen auf den Grundstücken wert sind – damit die für die Innovationsparkplanung zuständige Hamburg Invest (HIE) entsprechende Entschädigungen zahlen kann.
Arslan Hüseyin hatte noch keinen Besuch vom Schätzer, doch er hat von Nachbarn gehört, dass der Wert der Pflanzen auf den Parzellen sehr niedrig angesetzt werde. „Ich weiß, was die Bäume auf meinem Grundstück wert sind“, sagt der ehemalige Landschaftsgärtner. Seine Nachbarin Erika Warmbold schaltet sich über den Zaun ins Gespräch ein und beruhigt Hüseyin. „Ich hatte schon Besuch vom Schätzer und er hat einen netten Eindruck gemacht.“ Wie viel Geld sie am Ende von der HIE bekommen wird, weiß Warmbold aber noch nicht.
Gemeinschaft in der Anlage sei schon seit Längerem ein bisschen verloren gegangen
Die 81-Jährige betreibt ihre Parzelle schon seit 30 Jahren: „Ich bin sehr traurig über das Ende. Aber ich hätte aus gesundheitlichen Gründen sowieso zum Jahresende aufgehört.“ Die Gemeinschaft in der Kleingartenanlage sei schon seit Längerem ein bisschen verloren gegangen, sagt Warmbold. Sie ärgert sich über Pächter, die ihre Grundstücke nicht richtig pflegen und über die teilweise zugewucherten Wege.
Für die Rentnerin kommt es dagegen nicht infrage, ihre Parzelle nur mit halber Kraft zu bearbeiten: „Ich habe dieses Jahr wieder Kartoffeln gepflanzt“, berichtet Warmbold und trauert den Sträuchern nach, die den heftigen Regen in diesem Winter nicht überstanden haben. Jahrelang haben die Mieter befürchtet, dass ihre geliebten Gärten einem großen Gewerbeprojekt zum Opfer fallen könnten. Jetzt hat die Unsicherheit ein Ende. „Ich bin auch ein bisschen froh“, sagt Erika Warmbold. Zum Jahresende ist für sie Schluss.
Die Pächter am Curslacker Neuen Deich haben eigentlich die Chance auf eine neue Parzelle. An der Rothenhauschaussee und am Speckenweg könnten Flächen zur Verfügung gestellt werden. Doch der dafür nötige B-Plan ist noch lange nicht fertig. Einen direkten Umzug zur neuen Saison wird es also kaum geben. Auch hat nicht jeder einzelne Pächter Anspruch auf ein neues Grundstück. Die Gesetzgebung sieht lediglich vor, dass die Gesamtzahl der Parzellen in Hamburg nicht sinken darf.
Arslan Hüseyin wird sich nicht um eine neue Parzelle auf einer möglichen Ersatzfläche bemühen. „Wenn ich ein neues Grundstück bekomme und alles neu machen muss, kostet das Tausende Euro“, sagt der Kleingärtner und deutet auf die Bäume und das Holzhäuschen auf seinem Gelände.
„Die Preise für Holz, für Baumaterialien und für Pflanzen sind so stark gestiegen, das kann ich mir nicht mehr leisten“, bedauert Hüseyin. Seine Liebe für Pflanzen wird er in Zukunft in dem kleinen Garten vor seiner Mietwohnung ausleben.
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Seine Gartengeräte wird er wohl verschenken. Auch Erika Warmbold macht sich keine Illusionen: „Niemand möchte meinen alten Rasenmäher kaufen – auch wenn er für mich noch ein paar Jahre gereicht hätte.“ Die Buchsbäume, die Arslan Hüseyin mühsam vor den gierigen Raupen des invasiven Buchsbaumzünslers schützt, will er mitnehmen, für die Familie: „Meine Tochter hätte gern ein Bäumchen.“
Sein Blick schweift noch einmal über sein Grundstück. Im Hintergrund rauscht die A25. Die Frösche quaken. Die Windräder drehen sich. „Ich habe hier im Garten immer zur Ruhe gefunden. Es ist nicht schön, wenn das einem Rentner einfach weggenommen wird.“