Bergedorf. Ausstellung zu „Bergedorfs Kanzler“ eröffnet. Musikalische Lesung über Schmidts Geheimnis als Pianist mit Björn Engholm am 20. April.
Natürlich spielte die Musik eine große Rolle, als Helmut Schmidt am 22. Dezember 1988 im Haus im Park in Bergedorf in seinen 70. Geburtstag feierte: Justus Frantz begleitete am Flügel gleich sechs Gesangssolisten, die die Lieblingswerke des Jubilars interpretierten: Bach, Mozart und Robert Schumann ergänzten so die Schar der 300 namhaften Gratulanten nicht nur. Sie gaben der Prominenz von Heidi Kabel über Varléry Giscard d‘Estaing bis Peter Ustinov einen Rahmen, der ganz dem Geschmack des Gastgebers entsprach.
„Klassik, vor allem vom Klavier – das war nicht nur die andere Seite von Helmut Schmidt. Eigentlich bildete sie den weichen Kern des wortgewandten, schneidigen Weltpolitikers“, sagt Reiner Lehberger. „Ohne Musik wäre mein Leben anders verlaufen“, habe ihm Schmidt einmal anvertraut. Donnerstag eröffnete Lehberger die Ausstellung des Bergedorfer Fotografen Michael Zapf zu Helmut Schmidt im Haus im Park. Sie ist bis zum 9. Mai am Gräpelweg 8 zu sehen und bildet den Rahmen zur musikalischen Lesung „Helmut Schmidt am Klavier“, die am Sonnabend, 20. April, als Teil der Bergedorfer Musiktage im Theater Haus im Park zu sehen ist.
Björn Engholm und Autor Reiner Lehberger plaudern über Helmut Schmidt
Ab 19 Uhr wird Reiner Lehberger dann sein gleichnamiges Buch vorstellen, mit Björn Engholm über den Menschen Helmut Schmidt sprechen. Und natürlich wird auch die Musik nicht fehlen: Statt wie damals Justus Frantz nimmt jetzt die mehrfach ausgezeichnete Pianistin Sijia Ma am Flügel Platz. Restkarten zum Preis von 23 bis 28 Euro sind noch über die Homepage der Bergedorfer Musiktage sowie in der Geschäftsstelle unserer Zeitung an der Chrysanderstraße 1 sowie beim bz-Ticketshop im Einkaufszentrum CCB zu haben. Abonnenten unserer Zeitung erhalten die Karten bei Vorlage ihrer Treuekarte zum Vorzugspreis von 10 Euro, denn die Bergedorfer Zeitung präsentiert den Abend aus Anlass ihres 150-jährigen Jubiläums.
Kostenlos ist der Besuch der Ausstellung, bei der Michael Zapf Schwarz-Weiß-Bilder von Schmidts 70. Geburtstag im Haus im Park zeigt. Zudem gibt es Einblicke ins Haus der Schmidts in Langenhorn, wo Zapf in Farbe einfing, wie sehr sich dort alles um Kunst, Literatur und vor allem um Musik drehte: Mitten im Wohnzimmer steht Schmidts Steinway-Flügel, den er sich 1987 nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag gönnte.
Fotoausstellung gibt auch Einblicke in die Langenhorner Doppelhaushälfte der Schmidts
„Auf Besucher wirkt es, als sei die ganze Doppelhaushälfte um diesen Flügel herum entworfen worden“, sagt Reiner Lehberger. Der Erziehungswissenschaftler und Hochschullehrer gilt als einer der besten Kenner des Ehepaars Schmidt, über das er schon mehrere, teils biografische und sehr persönliche Bücher veröffentlichte. Das jüngste ist „Helmut Schmidt am Klavier“ von 2021.
„Es gibt zahlreiche Werke über den Politiker, aber eigentlich keines über den Menschen Helmut Schmidt“, sagt Reiner Lehberger. Diese unbeleuchtete hintere Bühne des Weltbürgers habe ihn gereizt, denn dort spielt buchstäblich die Musik, die klassische natürlich: „Helmut Schmidt und auch seine spätere Frau Hannelore, genannt Loki, besuchten seit Ostern 1929 die Lichtwarkschule in Winterhude. Sie hatte sich der Reformpädagogik verschrieben, mit freiem Lernen und einem großen Schwerpunkt auf Kunst, Musik, Theater und Literatur“, beschreibt der Bildungswissenschaftler den Ursprung der Musikliebe des späteren Politikers, der im Klavierspiel Entspannung und sogar neue Kraft fand.
„Beeindruckend, wie respektvoll Helmut und Loki Schmidt miteinander umgingen“
1996 sollte die Lichtwarkschule auch dafür sorgen, dass Reiner Lehberger die Schmidts kennenlernte: „Ich machte eine Ausstellung zu ihrer Reformpädagogik in der Staats- und Universitätsbibliothek und fragte bei Loki Schmidt an, ob sie zur Eröffnung kommen und vielleicht sogar eine kleine Rede halten würde. Sie sagt sofort zu.“ Und daraus entwickelte sich eine Freundschaft mit regelmäßigen Besuchen beim Ehepaar Schmidt.
„Mich begeistert bis heute, wie respektvoll und zugewandt die beiden miteinander umgingen. Nach einem sicher sehr turbulenten Leben haben sie als Siebzigjährige zu einem eindrucksvollen Miteinander gefunden“, erinnert sich Reiner Lehberger unter anderem daran, dass Helmut seiner Loki nie ins Wort fiel, dass er ihr zugestand, sich bei vielen Themen besser auszukennen, als er. „Sie war mir lange ein bis zwei Jahre voraus, Ich war ein Spätblüher und musste nachziehen“, habe er ihm anvertraut.
Selbst als Kanzler blieb Schmidt den Bergedorfern eng verbunden
Nach Bergedorf hat Helmut Schmidt die Politik geführt: 1969 gewann er den Wahlkreis als Direktkandidat mit über 61 Prozent der Stimmen und sollte das bis zu seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 1987 bleiben. Er verstand das stets als Auftrag, sich in Bonn für diese besonderen Hamburger einzusetzen. Selbst als er von 1974 bis 1982 Kanzler war, kam er regelmäßig nach Bergedorf, tauchte gern auch mal spontan bei Veranstaltungen, in Restaurants und bei der Bergedorfer Zeitung auf.
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Hinzu kam die enge Freundschaft mit Kurt A. Körber. Der Mäzen und Hauni-Gründer öffnete die Tür zu höchsten Kreisen der Kultur, für die sich Schmidt später mit Einladungen renommierter Dirigenten, Literaten und anderer Stars in den Bonner Kanzler-Bungalow revanchierte. Auch dort stand ein Flügel, der nicht mehr länger Dekoration war.
Die Nähe zu Körber öffnete natürlich auch die Tür ins Haus im Park, das der Mäzen 1976/77 im Bergedorfer Villengebiet errichten ließ. Hier spielte Schmidt bei Körbers 70. Geburtstag am 7. September 1979 selbst Klavier. Und neun Jahre später ließ er es sich nicht nehmen, hier auch seinen eigenen 70. zu feiern. „Sein Auftritt bei Körbers Feier hatte bei den Gewerkschaften übrigens für einigen Ärger gesorgt“, sagt Reiner Lehberger. „Die hatten den Bundeskanzler für den 7. September 1979 nämlich als Redner zu einem großen Gewerkschaftstags eingeladen. Doch er zog es vor bei den ,Bossen‘ zu feiern, also der Einladung Körbers nach Bergedorf zu folgen.“