Hamburg. Gestalttherapeutin Christiane Leptien stellt bis Mitte August großformatige Werke aus, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Ist das nicht der betagte Nachbar, der immer am Gartenzaun. . .? Und dieses Gesicht da erinnert mich an. . . Mit genau solchen Gedanken lässt sich durch die neue Ausstellung im Bergedorfer Schloss gehen. Doch die Gesichter hier tragen keine Namen, wohl aber oft eine schwere Lebensgeschichte. „Kontakt“ ist die Überschrift für gut 30 Kunstwerke, die Christiane Leptien in ihrem Geesthachter Atelier gemalt hat – zumeist mit Acrylfarben im Großformat 1,40 x 1 Meter.

„Die Menschen sind fiktiv, aber ich kann mich in sie hineinfühlen und trete in einen Dialog“, sagt die Künstlerin und steht vor den „Sprechenden Händen“. Sie könnten von Ibrahim Arslan stammen, der 1992 den rassistischen Brandanschlag von Mölln überlebt hat, als Siebenjähriger. „Er erzählt die Geschichte in öffentlichen Workshops und kämpft gegen das Vergessen“, erfuhr Christiane Leptien, die mit dieser Inspiration auch „Die letzte Berührung“ malte: Es war Ibrahims Oma Bahide (51), die ihn aus den Flammen rettete, in denen sie selbst umkam.

Ausstellung Bergedorfer Schloss: Großformate, die den Menschen ins Zentrum stellen

Da hilft es ungemein, dass die in Trittau aufgewachsene Werbegestalterin und Industriekauffrau zusätzlich Gestalttherapeutin wurde. „Ich habe auch beim Verein Dunkelziffer gearbeitet und in einem Pflegeheim für junge Erwachsene “, sagt die heute selbstständige Kunsttherapeutin, die Menschen dabei helfen will, „Konflikte sichtbar zu machen und vielleicht etwas zu verändern“.

„Altwerden kann auch heißen, den Halt zu verlieren“, glaubt die Künstlerin, die den Handkuss als liebenswerte Geste malte.
„Altwerden kann auch heißen, den Halt zu verlieren“, glaubt die Künstlerin, die den Handkuss als liebenswerte Geste malte. © bgz | Anne Strickstrock

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Manchmal aber bleibt es auch bei Sprachlosigkeit, wenn sie etwa eine Hand vor dem Mund malt. Ab und zu sind es geschlossene Augen, denn manche Erinnerung tut weh. Jeden Montag malt sie zusammen mit Geflüchteten aus der Ukraine. Vertreibung und Flucht lassen sich meist besser abstrakt malen. Zum Glück könne sie gut zuhören, meint Christiane Leptien: „Sonst würde ich Blumen malen.“

Hände und alternde Haut

Keine wertschätzende Geste, kein dankbares Nicken, keine Unsicherheit scheint ihrem Blick zu entgehen. „Ich male auch sehr gern Hände und mag die alternde Haut. Ich mag das Faltige und Unperfekte“, sagt die Frau, die zwei Tage nach der Vernissage ihren 60. Geburtstag feiert.

„Man muss im richtigen Moment aufhören. Das Bild ist fertig so, mit seinen angedeuteten Skizzen“, sagt Christiane Leptien.
„Man muss im richtigen Moment aufhören. Das Bild ist fertig so, mit seinen angedeuteten Skizzen“, sagt Christiane Leptien. © bgz | Anne Strickstrock

Wer den Kontakt als Bindung, Beziehung und Berührung erkennen möchte, kommt am Sonnabend, 6. April, um 14 Uhr an die Bergedorfer Schlossstraße 4, wo Hausherrin Dr. Schanett Riller die neue Ausstellung eröffnen wird: „Wir haben wirklich ein gutes Qualitätslevel von zeigenswerter Kunst und sind bis Ende 2025 ausgebucht.“

Zunächst aber können die Großformate aus Geesthacht bis zum 18. August bewundert werden. Wer die Kunsttherapeutin persönlich kennenlernen will, kommt zur Langen Nacht der Museen: Am 27. April freut sie sich von 19 Uhr an auf gute Gespräche im Bergedorfer Schloss.