Hamburg. Eine neue Biografie erzählt das Leben des Politikers aus Sicht der Musik. Bergedorf war ein Sprungbrett für seine Karriere.

Um ihn herum herrscht reges Treiben, Gäste und Gastgeber sind ins Gespräch vertieft, lachen, amüsieren sich. Er selbst scheint ganz bei sich zu sein, die Menthol-Zigarette zwischen den Lippen, den Blick aufs Klavier gerichtet: Helmut Schmidt wirkt ganz und gar zufrieden, als am 7. September 1979 bei Kurt A. Körbers 70. Geburtstag dieses Foto von ihm geschossen wird.

Das Foto aus dem Haus im Park in Bergedorf ist das Coverbild des neuen Buchs „Helmut Schmidt am Klavier“, das heute, am 1. November, erscheint. Für den Autor Reiner Lehberger (73) zeigt das Foto den ehemaligen Bundeskanzler ganz in seinem Element. Denn während der Hamburger den meisten vor allem als Politiker und Publizist bekannt ist, war er auch begeisterter Pianist – und das fast 90 Jahre lang.

Neue Biographie über Helmut Schmidt und seine Beziehung zur Musik

Auf 332 Seiten erzählt der Biograf das Leben des Kanzlers aus Sicht der Musik. „Es ist eine ganz andere, aber sehr wichtige Seite Schmidts“, sagt der Autor im Gespräch mit unserer Zeitung. Bis zu seinem Tod habe Schmidt Klavier gespielt: „Das war Balsam für seine Seele.“

So auch auf besagter Geburtstagsfeier in Bergedorf. „Schmidt hatte eine lange Woche mit 15-Stunden-Tagen hinter sich, wurde dann mit Flugzeug und Helikopter nach Langenhorn geflogen und von dort nach Bergedorf eskortiert.“ Körber sei ein sehr guter Freund des Kanzlers gewesen. An diesem Tag habe der Unternehmer auch eine neue Hauni-Produktionsstätte eingeweiht, bei der Schmidt zuvor die Eröffnungsrede gehalten habe. Auch hier sei die musikalische Seite zum Vorschein gekommen: „Eine Marching Band trat auf und Schmidt versuchte sich an der Pauke.“

Helmut Schmidt spielte bereit mit sieben Jahren Klavier

Schon mit sieben Jahren begann Helmut Schmidt, Klavierunterricht zu nehmen, meldete sich dann mitten im Krieg zum Orgelunterricht bei einem Berliner Organisten an. Das war äußerst ungewöhnlich. Später nahm er zwei Schallplatten mit klassischer Musik auf, gab im kleinen Kreis Konzerte, spielte für Familie und Freunde, vor allem aber für sich selbst. „In der Politik herrscht oft ein Konkurrenzkampf, in der Musik ist das anders“, so Lehberger. Hier habe Schmidt leicht Freundschaften geschlossen.

In „Helmut Schmidt am Klavier“ offenbart der Autor eine andere, emotionale Seite des häufig kühl und rational wirkenden Politikers. Bei der Recherche hat Lehberger neue Quellen entdeckt, das Buch auch mit bisher unbekannten Fotos bestückt. 20 Archive besuchte er in dieser Zeit, interviewte 40 Musiker und Bekannte, die die musikalische Seite des wegen seiner scharfen Reden „Schmidt-Schnauze“ genannten Politikers kennenlernten. „Sie alle waren beeindruckt von seinem großen Musikinteresse.“

Bergedorf war ein wichtiges Sprungbrett für die Karriere

Auch Reiner Lehberger selbst kannte die Schmidts persönlich, war ein guter Freund von Ehefrau Loki. Bereits vier Bücher hat der gebürtige Bochumer über das Paar geschrieben – und sich zu ihren Lebzeiten häufig mit Loki Schmidt getroffen. Auch sie sei „hochmusikalisch“ gewesen. „In dem Haus in Langenhorn fiel einem als erstes der Flügel ins Auge.“

Bergedorf war für Schmidt wichtiges Sprungbrett seiner Karriere: Ab 1969 gewann er den Wahlkreis fünfmal in Folge und saß bis 1987 für Bergedorf im Bundestag in Bonn. Als „Schmidt-Bergedorf“, um von den Namensvettern unterschieden zu werden, machte er den Bezirk bundesweit berühmt. Für die Bergedorfer Zeitung schrieb Helmut Schmidt mehrere Jahre, auch noch als Bundeskanzler, regelmäßig eine Kolumne.