Hamburg. Seit zehn Jahren lässt Möbelriese XXXLutz den Baumarkt in Bergedorf leerstehen. Doch die Verzögerungstaktik könnte zum Bumerang werden.
Dass hier Farben, Schrauben, Holz oder Bauwerkzeuge verkauft wurden, ist lange her: Mit einem großen Abverkauf endete im Februar 2014 die Ära des Max-Bahr-Baumarktes an der Kurt-A.-Körber-Chaussee in Bergedorf. Möbelriese XXXLutz sicherte sich kurz darauf mehrere Standorte der insolventen Kette. Erklärtes Ziel: auch in Bergedorf ein Möbelhaus der eigenen Marke „Mömax“ auf dem Baumarktgelände zu errichten.
Doch es blieb bei der Absicht: Weil es das Baurecht hier nicht vorsieht und die Bezirkspolitik zudem fürchtete, dass ein Möbelhaus an dieser Stelle Kunden aus der Bergedorfer City abziehen könnte, hieß die Antwort Nein. Seitdem liegt das Gelände fast durchgängig brach; XXXLutz spielt offenkundig auf Zeit. Doch die Strategie könnte nun zum Bumerang werden – wenn dem Eigentümer Entscheidungen abgenommen werden.
Alter Max-Bahr-Baumarkt Bergedorf doch für Flüchtlinge?
Denn hinter den Kulissen ist einiges in Bewegung. Zutage tritt das jetzt mit den Plänen der Bergedorferin Nicole Gerdes, die den alten Max-Bahr-Baumarkt für einige Jahre gerne zwischennutzen möchte. Ihre Idee für den Standort: ein inklusiver Indoorspielplatz namens „Das grüne Puzzle“. Ein Platz für Fantasie, Entdecken und Gemeinsamkeit soll es sein, zudem ein Ort, den auch Kinder und Jugendliche mit Handicaps nutzen können – etwa Gehörlose, Menschen mit Sehbehinderung oder Rollifahrer. „Eine fantasievoll gestaltete Begegnungsstätte für alle Generationen“, nennt die einstige Pandino-Betriebsleiterin ihr „Herzensprojekt“.
Eigentümer XXXLutz scheint nicht abgeneigt – und nutzte offenbar die Gunst der Stunde, um Nicole Gerdes als Vermittlerin zur Bezirkspolitik einzusetzen. In der Bezirksversammlung legte die Bergedorferin jedenfalls in der Einwohnersprechstunde ein gutes Wort für den Möbelriesen ein und fragte, warum es „keine Lösungsmöglichkeiten, keine Kompromissbereitschaft“ in Sachen Möbelmarkt gebe.
Die gebe es aus gutem Grund nicht, machten Politiker quer durch die Fraktionen deutlich. Die bisherigen Bedenken bleiben: Baurecht und City-Konkurrenz sind nicht erwünscht, erinnerte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Lenka Brodbeck. Vor allem aber bekommt das Max-Bahr-Gelände durch eine andere Tatsache ganz neues Gewicht: dem Wegzug der Hauni, die in den Innovationspark an der A25 umziehen und an der Kurt-A.-Körber-Chaussee ein riesiges Gelände freimachen wird. „Wir müssen uns überlegen: Was wollen wir da an der Stelle?“, formulierte Brodbeck eine der ganz großen Stadtentwicklungsfragen, die der Bezirk in den kommenden Jahren lösen muss. Und die dann wohl auch das Umfeld mit dem nahegelegenen Max-Bahr-Grundstück in den Blick nimmt – Ausgang offen.
Ein Möbelmarkt mit eingeschränktem Sortiment wollte der Eigentümer nicht
Zwar gibt es durchaus Zwischentöne in der Frage, wo die Reise hingeht und ob es wirklich keinen Möbelmarkt an dieser Stelle geben könnte. Ein neues, aktualisiertes Innenstadtkonzept sei durch die Veränderungen der vergangenen Jahre, wie dem Karstadt-Wegzug aus Bergedorf, durchaus notwendig, sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Kramer. Jedoch werde das nicht in kurzer Zeit hinzubekommen sein. Die CDU, so machte wiederum Fraktionschef Julian Emrich deutlich, habe auch eigentlich gar nichts gegen einen Möbelmarkt – aber sehr wohl gegen ein Sortiment, das der Innenstadt die Kunden abziehe.
Gemeint sind hier kleinteilige Artikel wie etwa Geschirr, Kerzen oder Deko. Doch XXXLutz habe bei Einschränkungen im Sortiment des Möbelmarktes gar nicht mit sich reden lassen: „Der Eigentümer hat sehr deutlich gemacht, dass es so geht, wie er selber das möchte – oder gar nicht“, kritisierte Emrich. Das Ende vom Lied: Leerstand. Seitdem ist die Lage der Bergedorfer Innenstadt eher noch schwieriger geworden. Trotz großer Zustimmung zu den Plänen für einen inklusiven Indoorspielplatz als Zwischennutzung könne es deshalb keine Zusagen geben, die einen Möbelmarkt in fünf oder zehn Jahren in Aussicht stellen, so Emrich: „Das wäre ein fauler Deal.“
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Doch das Ende der Debatte müsse das für Nicole Gerdes und ihre Pläne nicht sein, machte der CDU-Fraktionschef deutlich: Denn der Eigentümer tue gut daran, den alten Max-Bahr-Markt endlich einer neuen Nutzung zuzuführen. Grund: Weil Hamburg zunehmend Not hat, die hohe Zahl der Geflüchteten unterzubringen, hat der Senat Ende März beschlossen, dass die Stadt künftig auf leer stehende Immobilien auch gegen den Willen der Eigentümer zugreifen kann. Emrich: „Der Eigentümer läuft Gefahr, wenn er dort keine sinnvolle Nutzung vorweisen kann, dass da Flüchtlinge untergebracht werden.“
Schon einmal, von Herbst 2015 bis Frühjahr 2016, war der alte Baumarkt kurzzeitig für bis zu 600 Flüchtlinge genutzt worden. Weil die Verhältnisse dort prekär waren, es auch immer wieder Ärger mit den Anwohnern gab, hat die Bezirkspolitik wenig Sympathien für eine Unterbringung an der Stelle. Die Sozialbehörde aktuell auch nicht: „Nach derzeitigem Stand“ gebe es keine Pläne für den Standort, schreibt Pressereferentin Stefanie Lambernd auf bz-Anfrage. „Derzeit“? Ein klares Nein für die Zukunft klingt anders.