Hamburg. Immer mehr Flüchtlinge suchen Schutz in Hamburg. Doch die Kapazitäten im Bezirk sind ausgeschöpft. Wohin mit den Menschen in Not?

Wohin mit all den Menschen in Not? Zum Krieg in der Ukraine kommt jetzt der Krieg in Israel. Außerdem steht der Winter an, werden wieder viele Obdachlose eine Unterkunft brauchen. Werden wir sie alle beherbergen und gut versorgen können? „Im Bezirk Bergedorf sind aktuell keine neuen Unterkünfte zur Unterbringung Asyl- und/oder Schutzsuchender geplant“, sagt Anja Segert, Vize-Sprecherin der Hamburger Sozialbehörde.

Das mag daran liegen, dass viele Menschen in 14 Hotels und Gästehäusern im Bezirk unterkommen – und deren Verträge gehen nun in die Verlängerung: Das Hotel Sachsentor etwa sagte ebenso eine Belegung bis Ende März 2024 zu wie das Motel an der Brookkehre, das Moteleum am Weidenbaumsweg oder auch das Gästehaus Kirchwerder. Das Rcadia Hotel am Oberen Landweg hat sogar zugesagt, bis Ende 2024 Geflüchtete aufzunehmen, ebenso das nagelneue Design-Hotel NinetyNine an der Serrahnstraße.

Flüchtlinge Hamburg: Keine erneute Unterbringung im Baumarkt Max Bahr

Vier Szenarien hatte sich im Juli die Stabsstelle Flüchtlinge in der Sozialbehörde ausgedacht. Prognose Nummer 3 sieht den Worst Case vor. Demnach würden bis Juni 2024 hamburgweit 7289 Plätze fehlen – „wenn die Zugänge deutlich ansteigen, insbesondere bei Schutzsuchenden aus der Ukraine“. Dieses Szenario sei angesichts der Zugangszahlen sonstiger Asyl- und Schutzsuchender und des bevorstehenden Winters in der Ukraine „nicht ausgeschlossen“. Der Platzbedarf bleibe also unverändert hoch.

Laut Tätigkeitsbericht des Bergedorfer Bezirksamtes waren 2022 insgesamt 2261 Schutzsuchende aus der Ukraine zu betreuen. So wurde die ehemalige Lohbrügger Sonderschule An der Twiete mit 144 Plätzen eigens für Ukrainer umgestaltet und für insgesamt acht Jahre als Unterkunft ausgewiesen. Auch Am Gleisdreieck in Billwerder sind 267 Plätze vorrangig Kriegsflüchtlingen vorbehalten.

Winternotprogramm für Obdachlose startet im November

Dazu kommen insgesamt zwölf Standorte im Bezirk, die schon als öffentlich-rechtliche Unterkunft dienen, so etwa die beiden Containerdörfer an der Brookkehre mit zusammen 764 Plätzen oder die Unterkünfte am Curslacker Neuen Deich mit zusammen 636 Plätzen. Weiterhin zählen Häuser an der Kurt-A.-Körber-Chaussee (82 Plätze) und am Ladenbeker Furtweg (172) dazu, am Rahel-Varnhagen-Weg (287), am Achterdwars (124) sowie das Containerdorf „Bünt“ am Binnenfeldredder (260). Im Landgebiet finden sich zudem noch die alte Schule am Sandwisch mit 90 Plätzen sowie das Containerdorf Auf dem Sülzbrack mit 256 Plätzen.

Weniger Raum bietet der Bezirk für das Winternotprogramm, das Obdachlosen vor dem Erfrieren Schutz bieten will. Wie viele Betten angeboten werden, wird die Sozialbehörde Ende Oktober verkünden, denn schon zum 1. November beginnt traditionell die Aufnahme. In Bergedorf sind es lediglich die Baptisten am Ladenbeker Furtweg, die seit nunmehr 30 Jahren stets zehn Betten für obdachlose Männer anbieten, in Containern auf dem Parkplatz neben der evangelischen Freikirche.

Noch immer fehlt eine Tagesaufenthaltsstätte

Wenn auch neue Flächen „in Bergedorf kurzfristig nicht zur Verfügung stehen“, so Anja Segert von der Sozialbehörde, so seien aber nach wie vor helfende Ehrenamtliche willkommen. Das gilt ebenso bei den Hilfen für Obdachlosen, denen im Bezirk weiterhin keine Tagesaufenthaltsstätte zur Verfügung steht. Mit Geldspenden versucht der Verein „Bergedorfer Engel“ alljährlich, einige Betten in Hotels am Kurfürstendeich über die kalten Wintermonate zu finanzieren.

Nicht zuletzt setzt die Behörde auf baldige Gespräche auf Bundesebene: „Wir müssen das Asylrecht ändern und die Flüchtlinge fairer auf alle Bundesländer verteilen“, heißt es sehr deutlich aus Hamburg. Denn die Hansestadt hat aktuell an 244 Standorten rund 45.600 Menschen öffentlich-rechtlich untergebracht, inklusive Interimsstandorten, Notstandorten, Erstaufnahme und Ankunftszentrum. Damit seien die Kapazitäten „nahezu zu 100 Prozent ausgelastet“.

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Seit Montag werden in Hamburgs Messehallen erneut Flüchtlinge untergebracht. Und so werden weiterhin gemeinsam mit dem Betreiber Fördern und Wohnen „mit Hochdruck fortlaufend alle Möglichkeiten geprüft, Unterkünfte und Unterkunftsplätze neu zu errichten bzw. zu erhalten“, heißt es aus der Sozialbehörde, weiter: „Immobilien werden sowohl von städtischer Seite, etwa über die Bezirksämter oder den Landesbetrieb Immobilien und Grundvermögen, als auch von privaten Eigentümern angeboten, dann schnellstmöglich geprüft und Realisierungsoptionen ausgelotet.“

Nur eben aktuell nicht im Bezirk Bergedorf. Das heißt aber auch ganz konkret: Der leer stehende Baumarkt etwa an der Kurt-A.-Körber-Chaussee wird nicht erneut in Betracht gezogen. Dort hatten sich 2015 schlimme Szenen zugetragen, gab es weder genügend Toiletten noch Lärmschutz oder ausreichend Heizungen.