Hamburg. Bergedorfs Villengebiet gilt als Vorbild: Im historischen Gojenbergsviertel gilt bald eine Erhaltungsverordnung. Was das bedeutet.
Das Villengebiet bekommt Zuwachs: Was für Bergedorfs Vorzeige-Wohnquartier schon seit Jahrzehnten gilt, tritt jetzt auch für das benachbarte Gojenbergsviertel in Kraft: „Damit ist der Fortbestand dieses 100 Jahre alten Bergedorfer Stadterweiterungsgebiets gesichert“, jubelt sogar Denkmal-Sachverständiger Dr. Geerd Dahms, der für die FDP im Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung sitzt.
Einstimmig votierte das Gremium am Mittwoch für den Erlass einer städtebaulichen Erhaltungsverordnung nach dem Vorbild des Villengebietes. Damit wird dem Ansturm von Investoren Einhalt geboten, die vor allem entlang des Gojenbergswegs bereits mehrere der typischen Ein- und Zweifamilien-Backsteinhäuser im 20er-Jahre-Stil abgerissen und teils durch deutlich größere Mehrfamilienhäuser ersetzt haben. „Ein Verlust, der den einzigartigen Charakter massiv bedroht, weil neben den Gebäuden auch noch die typischen Gärten des Quartiers deutlich schrumpfen“, sagt Dahms, der seit Jahren für den Schutz gekämpft hat.
Gojenbergsviertel: Bergedorf stoppt unerwünschte Investoren
Auch wenn die Erhaltungsverordnung nach dem Votum des Ausschusses nun erst noch verschiedene bürokratische Schritte nehmen muss, greift der Schutz schon jetzt: Seit Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann am 14. Dezember den Aufstellungsbeschluss unterzeichnet hat, gilt für zunächst ein Jahr eine Veränderungssperre. Damit das direkt in die Verordnung mündet, muss die Bezirksversammlung spätestens in ihrer letzten Sitzung dieses Jahres den finalen Entwurf beschließen. Dass das Amt bis dahin die noch ausstehenden Hausaufgaben gemacht hat, gilt als sicher.
Wer heute durch den Gojenbergsweg Richtung Sternwarte fährt, kann die Folgen der bisherigen Rechtslage besichtigen: Gegenüber vom alten Krankenhaus, dem heutigen Cura-Seniorenheim, ist die neu gebaute Stadtvilla fast bezugsfertig. Sie hat vier statt der zwei Wohnungen ihres Vorgängers und macht sich auf der Fläche so breit, dass gerade noch Platz für Zufahrt und Eingang bleibt.
Neubau von zwei Gebäuden, wo zuvor nur ein Altbau stand
Noch deutlicher ist die Veränderung jenseits der Kreuzung mit der Justus-Brinckmann-Straße, wo statt des Altbaus in Form einer sogenannten Hamburger Kaffeemühle jetzt gleich zwei Neubauten mit vier Mietwohnungen entstehen. Bezugsfertig sind sie laut Plakat im kommenden Sommer. Und auch wenige Schritte weiter waren die Abrissbagger bereits am Werk. Hier klafft seit Monaten eine Baulücke. Ein Neubau ist beabsichtigt.
Auch dieser Neubau dürfte in seinen Dimensionen schon von der Erhaltungsordnung beeinflusst werden, sofern er nicht bereits genehmigt ist. Ihr eigentliches Ziel ist aber die Sicherung des Altbaubestandes, wie Axel Schneede von der Stadtplanung des Bezirksamts im Ausschuss ausführte: „Durch die Erhaltungsverordnung sollen künftig bauliche Veränderungen vermieden werden, welche sich nicht in die vorhandene Bebauungssituation einfügen und welche die städtebauliche Eigenart des Gebietes nachhaltig beeinträchtigen.“
Das neue Regelwerk gilt für das gesamte, rund drei Quadratkilometer große Areal zwischen Wentorfer Straße, Sternwarte, Holtenklinker Straße und Mohnhof. Lediglich das Agaplesion Bethesda Krankenhaus, das Seniorenheim Behrmann-Stift und der untere Teil der Wentorfer Straße etwa ab dem Rathaus sind ausgenommen.
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Mischung aus Mehrfamilien-, Doppel- und Einzelhäusern galt als modern
Damit umfasst die städtebauliche Erhaltungsverordnung sogar weit mehr als bloß das eigentliche Gojenbergsviertel, das ab 1920 nach den Plänen des Bergedorfer Stadtbaumeisters Wilhelm Krüger in seiner einzigartigen Backsteinarchitektur östlich der Schule Ernst-Henning-Straße entstand. Die Mischung aus Mehrfamilien-, Doppel- und Einzelhäusern galt seinerzeit als hochmodern, waren alle Wohnungen doch mit sanitären Anlagen ausgestattet. Wer hier Veränderungen plant, braucht jetzt ebenso eine Genehmigung, wie die Eigentümer der Ein- und Mehrfamilienhäuser rund um den Schulenbrooksweg sowie jene der Gründerzeitbauten im unteren Bereich von August-Bebel-Straße und Gojenbergsweg nahe dem Bergedorfer Zentrum.
Hier überall ergänzt die neue Verordnung ab sofort das gültige Baurecht, wie Axel Schneede im Stadtentwicklungsausschuss erklärte: „Zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart des Gebietes aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt bedürfen der Rückbau, die Änderung, die Nutzungsänderung sowie die Errichtung baulicher Anlagen der Genehmigung, und zwar auch dann, wenn nach den bauordnungsrechtlichen Vorschriften eine Genehmigung nicht erforderlich ist.“