Bergedorf. Anlieger am Gojenbergsweg fürchten gezielten Verkauf an Investoren, um maximalen Gewinn zu machen – und um ihre Ruhe.

In der vergangenen Woche rollten die ersten Vorboten an: Bagger pflügten über das Grundstück im Gojenbergsviertel in Hamburg-Bergedorf, entfernten innerhalb weniger Tage etwa zehn Bäume. Noch steht der rote Backsteinbau zwar. Aber das Ende des Hauses aus dem Jahr 1912 am Gojenbergsweg 45 ist bereits abzusehen. Denn das Vorhaben der Bagge Bau GmbH & Co. KG, die auf einem 1469 Quadratmeter großen Baugrundstück ein Mehrfamilienhaus mit vier Eigentumswohnungen realisieren werden, nimmt seinen Lauf.

Den ganz genauen Termin verrät Stefan Stevens von der Bagge Bau, noch nicht, „doch in der zweiten Jahreshälfte 2022 werden wir mit dem Bau beginnen.“ Daran wird die „Nachbarschaftsinitiative Gojenbergsweg 45“ auch nichts mehr ändern. Die Initiative setzt sich aus acht Anliegern rund um das Baugrundstück zusammen – 40 Anlieger gibt es insgesamt, die mehr oder minder betroffen sind.

Anwohner fragen, warum der Bezirk das Haus nicht gerettet hat

„Dieses Haus war das allererste am Gojenberg“, weiß einer der Wortführer der Initiative, Christoph Thiedig. Der Mann ist enttäuscht: „Unserer Meinung nach hätte der Bezirk so ein Haus, das in den Charakter unseres Viertels passt, auch retten können. Das bricht mir schon das Herz“, sagt der direkte Nachbar der Baustelle. Auch ein weiteres Mitglied der Initiative, Lutz Mertens, ist ein Vertreter klarer Worte: „Wir fürchten um unsere Ruhe und wollen keinen Autoverkehr auf dem Grundstück.“

Der Gojenbergsweg 45 hat eine Vorgeschichte: Das Haus wurde im Jahr 2017 zwangsversteigert, nachdem sich eine Erbengemeinschaft nicht einig wurde, und ging in den Besitz einer Eigentümerin mit Bergedorfer Wurzeln über. Die vermietete bis zum Oktober 2020 einer neunköpfige Familie ihr Haus, kündigte ihnen aber mit dem Hinweis auf Eigenbedarf – den sie aber nie wahrnahm, sondern das Haus weiterverkaufte.

Eigenbedarf wurde angekündigt, aber nicht wahrgenommen

Im Januar 2021 fand Christoph Thiedig heraus, dass das Grundstück Nummer 45 bei den Immobilienhändlern von Engel & Völkers zum Verkauf angeboten wurde. Dies sei für ihn ein glasklares Indiz dafür, „dass „gezielt an Investoren“ veräußert werden soll und niemals Eigenbedarf, sondern nur ein größtmöglicher Verkaufspreis das Motiv für den Rauswurf der Großfamilie war. Im Frühjahr 2021 bekam die Bagge Bau den Zuschlag.

Die Baugenehmigung für das Haus wurde mittlerweile erteilt. Was Thiedig, Mertens und ihre Mitstreiter anzweifeln, sind jetzt andere Dinge: Zum Beispiel die Baumfällungen in der vergangenen Woche außerhalb der Fällperiode, die am 28. Februar endet. „Durften die das?“, fragen Mertens und Thiedig. Das Bezirksamt blieb am Montag mit Verweis auf Krankheit der Sachbearbeiterin eine Antwort schuldig.

Der Bauherr plant sechs Parkplätze – Anlieger fürchten Lärm

Größer ist eh die Sorge, dass der Neubau nicht der Letzte seiner Art bleibt im eher ruhigen Gründerzeitviertel: „So ein Gebäude passt hier schon mal nicht rein, und nachher kommt in den hinteren Teil noch so ein Mehrfamilienhaus“, sagt Christoph Thiedig. Der Bauherr plant zudem sechs Parkplätze – auch das gefällt den Anliegern nicht. Lutz Mertens ist da sehr eindeutig: „Wir wollen keine Autos auf dem Nachbargrundstück haben. Das wird uns lärmmäßig nerven.“

Zumindest in einem Punkt sorgt Bauherr Stevens für Beruhigung - einen zweiten Neubau wird es nicht geben: „Aktuell ist so etwas am Gojenbergsweg 45 nicht geplant, das örtliche Baurecht gibt das nicht her.“ Veränderungen im Stadtbild beschäftigen die lokale Politik schon längere Zeit. Allerdings nicht in gleicher Art: Die CDU war in der letzten Bezirksversammlung des Jahres 2021 mit ihrem Antrag „Charakter des Bergedorfer Villenviertels“ gescheitert, als sie einen besonderen Schutz für das gründerzeitliche Wohngebiet forderte.