Bergedorf. Angehörige bewerten acht Pflegeeinrichtungen, wobei eine nur zu 36,4 Prozent empfohlen wird. Das sind die Gründe
Niemand möchte sein Lebensende bevorzugt in einem Pflegeheim verbringen. Doch wenn die Knochen müde sind und alles wehtut, geht es manchmal nicht anders. Welches Seniorenheim, möglichst in der Nähe der Familie, kommt dann aber für die Pflege infrage? Das überlegen dann Angehörige, die sich zeitlich und fachgerecht nicht ausreichend kümmern können.
Wo werden die Betten oft genug frisch bezogen? Wo könnte Mutti Klön-Freundinnen finden? Wo darf Papi noch rauchend durch einen Park spazieren? Wie oft werden ihre Nachthemden gewaschen, ihre Brillen geputzt, ihre Verbände gewechselt? Nicht zuletzt: Wie häufig gibt es einen Personalwechsel, müssen sich die Eltern täglich auf ein neues Gesicht in ihrem Zimmer einstellen?
Pflegekompass: So schneiden Bergedorfer Seniorenheime ab
Abgesehen davon, dass zunächst nach freien Plätzen geforscht werden muss, sorgen sich die Angehörigen um das Wohlbefinden ihrer Eltern. Dabei kann ihnen der Hamburger Pflegekompass helfen, der nicht geschönt oder geschmeichelt daherkommt: Hamburg gibt als einziges Bundesland den Angehörigen von Bewohnerinnen und Bewohnern der 144 stationären Pflegeeinrichtungen die Möglichkeit, sich anonym zur Qualität der Pflege zu äußern.
Es ist eine Momentaufnahme: Von Ende März bis Ende Mai 2023 Jahres haben 22 Prozent der Angehörigen von Hamburger Pflegeheimbewohnern an der Befragung der Sozialbehörde teilgenommen – erstmals online waren 31 Fragen zu beantworten, etwa zur Sicherheit, Verpflegung, zur Selbstbestimmung und zum respektvollen Umgang mit verwirrten Menschen. (2019 beteiligten sich übrigens noch 34 Prozent). Die im Dezember veröffentlichten Ergebnisse zeigen insgesamt ein positives Bild, machen aber auch auf Verbesserungsmöglichkeiten aufmerksam, insbesondere im Bereich „Selbstbestimmung und Selbstständigkeit“ oder bei der fachspezifischen Versorgung (etwa mit funktionierenden Hörgeräten und Rollstühlen).
Cura Seniorencentrum mit vielen „Schwächen“
Genau diese beiden Bereiche werden für das Bergedorfer Cura Seniorencentrum als „Schwäche“ ausgelegt. Es ist das mit Abstand am schlechtesten bewertete Haus im Bezirk Bergedorf. Noch im November 2023 konnte – wie in vielen Häusern – nicht die erforderliche Fachkraftquote von 50 Prozent erreicht werden. Der Personalmangel ist allerorts gravierend, doch immerhin ist inzwischen die behördliche Beanstandung zurückgezogen worden, die bis Mitte 2019 noch zu einem Aufnahmestopp am Gojenbergsweg geführt hatte.
Wichtig ist es, dass Senioren genügend Flüssigkeit bekommen, auch hier fällt das Haus aktuell hinten ab: Als „schwach“ wird im Cura-Centrum der Bereich Essen und Trinken beschrieben, werden die Erwartungen zu 28,1 Prozent nicht erfüllt. Nun könnte man meinen, dass gern über die Küche gemeckert wird, doch hamburgweit liegt dieser Wert bei nur 7,1 Prozent.
Angehörige wünschen mehr Freizeitangebote
Die Unzufriedenheit geht noch weiter: Ist in der ganzen Stadt jeder zehnte Bewohner (10 %) mit den Freizeitangeboten (Beschäftigung, Ausflüge, Feiern) unzufrieden, wurden im Bergedorfer Cura-Haus 22,7 Prozent angegeben. Tatsächlich wird auf der Homepage unter „Aktuelles“ zuletzt ein Geburtstagsfest angekündigt – im Februar 2023.
Ein Drittel (34,1 %) der Befragten gab zudem an, nicht mit der Selbstbestimmung der Cura-Senioren zufrieden zu sein. Immerhin noch bis zum 7. November 2022 galt hier eine behördliche Anordnung zur Behebung von Mängeln im Bereich „Selbstbestimmung und Teilhabe“.
Insgesamt würden tatsächlich nur 36,4 Prozent der 22 Cura-Angehörigen, die an der Befragung teilgenommen haben, das Haus mit seinen 131 Plätzen am Gojenbergsweg weiterempfehlen. Das ist das schlechteste Ergebnis unter allen acht Bergedorfer Häusern. Mit großem Abstand folgen das Malteserstift Haus Johannes XXIII. am Bornbrook mit 50 Prozent, das Moosbergheim (60%), das Seniorencentrum Elim Am Güterbahnhof (66,7%), das Seniorenzentrum Dr. Carl Kellinghusen an der Saarstraße (75 %) und St. Klara am Reinbeker Weg (76 %). Absolute Spitzenreiter sind das Georg-Behrmann-Stift (88%) und die Altenpension Philipps an der Wentorfer Straße 70 mit 94,4 Prozent.
Cura AG verspricht Verbesserungen
Was aber lässt sich möglichst bald bei der Cura verbessern? Man führe fortlaufend eigene Qualitätskontrollen durch, versichert Marketingleiter Sven Hirschler: „So haben wir auch unmittelbar mit den zu der Zeit verantwortlichen Leitungskräften vor Ort die Herausforderungen genau analysiert und Verbesserungen angestoßen und durchgeführt.“ Das Team in der Küche sei teilweise ausgetauscht worden, eine regionale Qualitätsbeauftragte zusätzlich eingestellt. Und als Konsequenz musste auch manches Personal gehen, so Hirschler: „Um kurzfristig weitere Verbesserungen zu erzielen, haben wir eine neue Einrichtungsleitung unseres Unternehmens sowie eine Interims-Pflegedienstleitung in dem Seniorencentrum installiert, welche die Kolleginnen und Kollegen vor Ort schulen und begleiten, gemeinsam die Prozesse optimieren und sich alle Abläufe noch einmal genau anschauen.“
Die Kritik soll Neuerungen anschieben, Verbesserungen erzielen. „Zum Jahreswechsel haben wir mit einem weiteren, umfassenden Veränderungsprozess auf Leitungsebene begonnen. Eine sehr erfahrene Kollegin hat nun die Leitung des Seniorencentrums übernommen und wird das Haus erfolgreich in das Jahr 2024 führen“, hofft der Cura-Unternehmenssprecher.
Besonders wertschätzendes Personal an der Saarstraße
Hamburgs Pflegekompass listet alle Preise auf, besondere Versorgungsangebote und die Zahl der Betreuungsplätze. Zur Transparenz gehören auch behördliche Prüfergebnisse, Personalkennzahlen sowie ordnungsrechtliche Maßnahmen der bezirklichen Wohn-Pflege-Aufsicht. Wer sich unter www.hamburg.de/pflegekompass genauer einliest, kann etwa entdecken, dass das Kellinghusenheim an der Saarstraße besonders wertschätzendes Personal hat oder dass das Bergedorfer Moosbergheim in 50 ausgefüllten Fragebögen mit „sehr stark“ bewertet wurde – wobei es bis August 2023 noch einen vorläufigen Aufnahmestopp aufgrund von „Mängeln im Personal- und Qualitätsmanagement“ gab. Im Haus Elim indes gab es bei einem Rücklauf von 33 Fragebögen nur wenig Lob für die Themen Respekt, Selbstbestimmung und Sicherheit – das Haus mit seinen 128 Plätzen hat sich auf Menschen mit Demenz spezialisiert.
Während das Haus Johannes in Lohbrügge „keine Auffälligkeiten“ aufweist, werden im Behrmannstift an der Justus-Brinckmann-Straße sogar viele „Erwartungen übertroffen“. Absolutes Vorbild ist offenkundig die kleine, aber feine Altenpension Philipps mit ihren bloß 46 Pflegeplätzen, die in sämtlichen Kategorien mit „Stärken“ gelobt wird. Hier geben 66,7 Prozent der zwölf Befragten sogar an, ein Bewohner könne das Heim „als eine Art Zuhause betrachten“. In ganz Hamburg ist dies nur in 34,7 Prozent aller stationären Pflegeeinrichtungen so.
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Kommenden Mai und April möchte Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer erneut die Angehörigen von Pflegebedürftigen befragen, denn „sie kennen die Wünsche, Bedürfnisse und früheren Lebensgewohnheiten der Bewohnerinnen und Bewohner am besten“. Durch die Ergebnisse ließe sich mehr Qualität und Transparenz gewinnen. Aber die SPD-Politikerin verweist auch auf den eklatanten Personalmangel: „Es ist der große Verdienst der in den Einrichtungen engagierten Pflegekräfte, dass trotz aller Herausforderungen Pflege und Betreuung auf hohem Niveau erbracht werden.“