Hamburg. Nach dem Streit mit E.on über explodierende Heizkosten haben viele Haushalte in Lohbrügge-Nord nun ihre Jahresabrechnung bekommen.

Der befürchtete Preisschock ist ausgeblieben, viele Lohbrügger haben sich sogar über kleine Rückerstattungen von ihrem Energieversorger gefreut, weil sie beim Verbrauch von Fernwärme offenbar besonders sparsam waren. Das ist eine erste, noch unvollständige Bestandsaufnahme, nachdem E.on seit September 2023 dabei ist, Jahresabrechnungen für das Jahr 2022 an etwa 7500 Fernwärmekunden zu verschicken. Doch ein wenig trübt sich das Bild für Lohbrügge-Nord dann doch ein: Denn eine bestimmte Gruppe der Fernwärme-Bezieher muss noch länger auf die Abrechnungen warten.

Nach eigener Schätzung hat Ali Simsek, SPD-Bürgerschaftsabgeordneter aus Lohbrügge, etwa 100 Rechnungen der Betroffenen gesichtet. Mehrfach kamen leicht irritierte Bürger in seinem Büro im SerrahnEins vorbei, die das Fehlen der von E.on zugesagten Gutschriften in einer Gesamthöhe von 4,5 Millionen Euro vermissten. Ein Missverständnis, welches Politiker Simsek aufklären möchte.

Heizkosten in Lohbrügge-Nord: Manche Fernwärmekunden bekommen Geld zurück

„Jeder bekommt eine Gutschrift, auch wenn am Ende eine Nachzahlung geleistet werden muss. Die Gutschrift wird je nach Verbrauch mit der Gesamtsumme verrechnet und wird nicht extra ausbezahlt“, erklärt Simsek und verweist auf den Rechnungspunkt nach Paragraf 5 des Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz (EWSG), der die individuelle Gutschrift ausweise. Genau so wollte es auch ausdrücklich die Interessengemeinschaft Wir (IG Wir), die sich nach den Energie-Turbulenzen im Herbst 2022 gegründet hatte.

Auch der nächste Preishammer ging offenbar am leidgeprüften Lohbrügger Norden vorbei. Nach Simseks Recherchen und Berechnungen aus den gesichteten Rechnungen sind monatliche „Horror“-Abschläge (im Vorjahr für das Abrechnungsjahr 2021 noch 400 bis 800 Euro) und jährliche Nachzahlungen (800 bis 2000 Euro) erst einmal passé, die Abschläge größtenteils halbiert worden. Im Durchschnitt müsse jeder Verbraucher etwa 200 Euro monatlich für die gelieferte Energie aus dem Holzheizkraftwerk Lohbrügge ausgeben, aus Nachzahlungen sind sogar kleinere Rückerstattungen bis zu 200 Euro möglich geworden.

Ein besonders schönes Beispiel schildert Simsek so: „Eine ältere Dame, die Eigentümerin einer Reihenhaushälfte ist, hatte mir vor Kurzem erzählt, dass sie 2000 Euro vorsorglich zurückgelegt habe, um im Fall der Fälle die Abrechnung für 2022 bezahlen zu können. Jetzt freut sie sich über Rückzahlung von 170 Euro“, berichtet Ali Simsek. Wie er hörte, plant die Rentnerin jetzt, von dem Geld in Urlaub zu fahren.

Wie Lohbrügge-Nord im Vergleich zu anderen Stadtteilen davonkommt

Prinzipiell sei E.on bei seinen Preisforderungen „vorsichtiger“ geworden, findet SPD-Mann Ali Simsek, was er als Effekt des Einschreitens seiner Partei und der Bürgerinitiative wertet. Ein durchschnittliches Praxisbeispiel: Ein Ehepaar mit Kind, das in einem Reihenhaus mit vier Zimmern (110 Quadratmetern) noch zwischen 500 und 600 an monatlichen Beiträgen zu zahlen hatte, kommt jetzt mit 174 Euro im Monat aus.

Lohbrügge-Nord soll im Preisvergleich durch die Wirkung der Preisgleitklausel ohnehin kostentechnisch besser abgeschnitten haben: Demnach sei der Preis pro verbrauchter Kilowattstunde auf 10,7 Cent festgesetzt worden, während Bewohner von Mümmelmannsberg, Barmbek und in Teilen von Bergedorf-West spürbarer mit 30 Cent pro Kilowattstunde zur Kasse gebeten wurden. Allerdings: „Das ist nicht zu 100 Prozent vergleichbar, weil die Abrechnungszeiträume teilweise nicht übereinstimmen und andere Klauseln gelten“, sagt Ali Simsek,

Alles gut also zwischen Energieriesen und Energieprotestlern? Nicht so ganz: Denn voraussichtlich bis Ende Januar müssen sich diejenigen Wohnungsmieter noch gedulden, die einen Direktversorgungsvertrag mit E.on abgeschlossen haben. Bislang erhielten nur Hauseigentümer sowie Mieter von Baugenossenschaftswohnungen wie der Saga oder der Bergedorf Bille ihre Abrechnungsdokumente.

Wer einen Direktversorgungsvertrag mit E.on hat, muss sich noch gedulden

Es gebe bei dieser Gruppe bestimmte rechtliche Fragestellungen zu klären, wie etwa die Wahrung des Mieterschutzes, hat Ali Simsek auf Nachfrage erfahren. Auch der genaue Verschickungstermin und die Anzahl der betroffenen Haushalte wurden ihm nicht genannt. Der 50-Jährige glaubt aber: „Das können, wie ich es mir zusammenrechne, nicht mehr als 1500 Haushalte sein.“ Nach Informationen des SPD-Politikers seien allein 3000 Mieter der Saga bereits mit der Fernwärmerechnung bedacht worden.

Überhaupt nicht glücklich mit der erneuten Verzögerung sind hingegen die Mitglieder der IG Wir. Manuel Mrochem aus deren Reihen, selbst Eigentümer einer Reihenhaushälfte, hat seine 2022er-Abrechnung zwar schon und bekam auch 120 Euro zurück, reagiert aber mehr als empört auf die Warterei. Seiner Kenntnis nach dürfte die Zahl der noch ausstehenden Abrechnungen deutlich höher als 1500 sein, zumal wohl auch nicht alle genossenschaftlichen Mieter wie zum Beispiel Mitglieder der Hansa Baugenossenschaft bisher berücksichtigt worden seien.

So wisse er beispielsweise, dass viele Anwohner der Korachstraße noch keine Post von E.on bekommen hätten. Mrochem weiter: „In dieser Sache überwiegt bei uns der Frust, für diese erneute Verzögerung muss man E.on auch in Zukunft weiter hart rannehmen.“ Die IG Wir hatte immer wieder eine nicht vorhandene Verlässlichkeit beim Energielieferanten kritisiert.

Verbraucherzentrale Bundesverband hat Klage gegen E.on eingereicht

Sowieso wollen Politik und Verbrauchervertreter genau damit nicht aufhören. Manuel Mrochem weist nochmals auf die Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Bundesverband gegen die E.on Energy Solitions GmbH hin. Basis dieser Sammelklage sind die aus Sicht der Verbraucherschützer ungerechtfertigten, massiven Preiserhöhungen für Fernwärme. Wer von eventuellen Rückerstattungen des Energieriesen profitieren möchte, muss sich dafür anmelden.

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Mit Spannung werden außerdem die Vertragsverhandlungen zwischen der Saga und E.on gesehen, ihre bisherige Partnerschaft zum Lohbrügger Fernwärmenetz läuft noch bis 2028. Die Saga ist Eigentümerin des Fernwärmenetzes. Sollte es keine Einigung geben, müsse Fernwärme nach Meinung der SPD in jedem Fall „bezahlbar, nachhaltig und sozial“ bleiben.