Bergedorf. Bezirksamtsleiterin Cornelia Schmidt-Hoffmann kündigt im Interview endlich Fortschritte an – und blickt auf Bergedorfs Zukunftsthemen.
Seit zwei Jahren ist Cornelia Schmidt-Hoffmann Chefin im Bergedorfer Bezirksamt. Die 59 Jahre alte Sozialdemokratin, die seit mehr als 25 Jahren mit ihrer Familie in Neuallermöhe wohnt, spricht im Interview mit unserer Zeitung über ihre Arbeit als Bezirksamtsleiterin, wagt einen Blick in die Zukunft und bezieht Stellung zu Großprojekten wie Oberbillwerder oder Körbers „Fabrik der Zukunft“.
Ihren Arbeitsplatz im historischen Bürgermeisterzimmer des Rathauses an der Wentorfer Straße hat Cornelia Schmidt-Hoffmann übrigens gerade etwas modernisiert: Die Juristin, die nach Christine Steinert (1983-2001) erst die zweite Frau an der Spitze des aktuell 654 Mitarbeiter zählenden Bezirksamts ist, lockerte das dunkle Holzambiente mit weißen Möbeln auf, darunter auch ihr Schreibtisch: „Ein bisschen helle Modernität tut diesem geschichtsträchtigen Raum gut“, meint Bergedorfs „Bürgermeisterin“.
Macht der Job als Bergedorfs „Bürgermeisterin“ auch nach gut zwei Jahren noch Spaß? Wie viel Zeit und Energie kostet es, Bezirksamtsleiterin zu sein?
Cornelia Schmidt-Hoffmann: Mich begeistert die Vielfalt dieser Aufgabe bis heute. Auch wenn es im Vergleich zu meiner vorherigen Tätigkeit im Planungsstab der Hamburger Senatskanzlei deutlich mehr Zeit und auch deutlich mehr Energie kostet, Bezirksamtsleiterin zu sein. Aber die Themenfülle ist viel, viel spannender. Und was der entscheidende Unterschied ist: Hier habe ich nicht nur Kontakt zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung, sondern insbesondere auch zu den Menschen im Bezirk. Ich erfahre unmittelbar aus ihren Rückmeldungen, was gut läuft, was schlecht und wo es Probleme gibt.
Was war für Sie der größte Erfolg in 2023, worauf hätten Sie lieber verzichten können?
Der größte Erfolg für mich ist, dass wir es jetzt im Dezember tatsächlich geschafft haben, für den Körber-Konzern ein Grundstück zum Bau der neuen Hauni, also der „Fabrik der Zukunft“, im Innovationspark an der A25 zur Verfügung zu stellen. Ich hatte im September 2022 in der Bezirksversammlungsversammlung versprochen, alles zu tun, um bis zum Ende dieses Jahres die Planung fertigzustellen. Und das ist gelungen, dank toller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Bezirkspolitik, die geschlossen hinter uns stand. Und so konnte dann am 21. Dezember der Bebauungsplan in der Bezirksversammlung beschlossen werden.
Dazu ist es wichtig zu wissen, dass es Überlegungen für einen Gewerbe- beziehungsweise Logistikpark am Curslacker Neuen Deich und erste Planungsideen bereits vor über zehn Jahren gab. Dann wurde die Fläche lange Zeit für einen Umzug des Unfallkrankenhauses Boberg vorgehalten. Nach dessen Absage haben wir die Bebauungsplanung für den Körber-Konzern konkretisieren und finalisieren können. Und das haben wir tatsächlich innerhalb von kaum mehr als einem Jahr geschafft – sensationell! Mit Unterstützung der Bergedorferinnen und Bergedorfer und der Belegschaft der Hauni, die jetzt Körber Technologies heißt, konnte Bergedorfs Traditionsunternehmen so von seinen bereits sehr konkreten Abwanderungsplänen abgebracht werden. Ein tolles Ergebnis.
Verzichtet hätte ich gern auf manche Baustelle. Vor allem solche, die viel länger dauern, als geplant. Und die in ihrer Masse so die gesamte Bergedorfer City lahmlegen. Das darf nicht wieder passieren, auch wenn wir es als Bezirksamt leider nicht immer in der Hand haben.
Wie sieht ein „normaler Arbeitstag“ im schönsten Arbeitszimmer Bergedorfs aus? Oder verbringt man als Rathauschefin gar nicht viel Zeit am Schreibtisch?
Unterschiedlich und tatsächlich abwechslungsreich. In der Regel viele, viele Besprechungen, viele davon online. Aber zum Glück kommen mittlerweile auch wieder Kolleginnen und Kollegen in mein Büro zur Besprechung und auch viele Besucher, das war zum Beginn meiner Amtszeit bedingt durch Corona ja anders und jetzt ist es sehr viel schöner. Besonders freut mich auch die große Resonanz auf meine regelmäßigen Kinder- und Jugendsprechstunden.
Aber ich bin auch häufig unterwegs und fahre zu Terminen nach Hamburg. Die meiste Zeit nimmt leider die Abstimmung von Themen der Verwaltungsorganisation in Anspruch, also der inneren Organisation des Bezirksamtes und der Abstimmung mit den anderen sechs Bezirksämtern, dazu den diversen Fachbehörden und dem Senat selbst. Ich hätte viel lieber mehr Zeit für Treffen mit den Menschen, die sich hier im Bezirk engagieren.
Wie sieht Cornelia Schmidt-Hoffmann Bergedorf heute – und wohin soll es sich entwickeln?
Bergedorf ist zwar nur ein Bezirk. Doch es fühlt sich an wie eine Stadt. Mit eigener Identität, die sich gerade auf den Weg in die Zukunft macht. Das sieht man etwa in unserer Innenstadt, dort gibt es viele Impulse, und ich nehme einen Aufbruch wahr. Etwa bei Veranstaltungen im „Plietsch“, unserem Künstler- und Handwerkerhaus, das ein Ort für die Entwicklung unserer Innenstadt sein soll. Viele wollen sich beteiligen, und daraus kann eine Stimmung entstehen, die die Weiterentwicklung zu einer modernen Innenstadt möglich macht.
Zudem sind viele Entwicklungsvorhaben in der Pipeline, die neue Entwicklungschancen eröffnen. Etwa der Innovationspark rund um die künftige Hauni, der sich zu einem Zentrum für Start-ups und innovative Unternehmen entwickeln kann. Dort wird an den Themen der Zukunft gearbeitet.
Bergedorf sollte sich aus meiner Sicht diese Eigenheiten in der Metropole Hamburg bewahren, da es hieraus Kraft und Identität schöpft. Wir können hier im Kleinen zeigen, dass eine Kommune von künftig 150.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ein lebenswerter Kosmos sein kann, in dem man arbeiten und leben kann. Das sind Rahmenbedingungen, die an anderer Stelle als politische Zielvorstellung ausgegeben werden, etwa wenn in Paris die 15-Minuten-Stadt zum Maßstab des guten Lebens gemacht wird. Also innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß alles erreichen zu können. Genau das kann Bergedorf, wir müssen es nur umsetzen.
Was sind Bergedorfs Stärken, was seine Schwächen?
Bergedorf hat Wissenschaftsstandorte und auch Unternehmen, die sich der Entwicklung von Zukunftstechnologien widmen. Zugleich gibt es hier aber auch die Menschen, die Traditionen pflegen und diesem Lebensort besonders verbunden sind. Welche Stärke sich aus diesem Dualismus entwickeln kann, haben wir etwa bei Körbers Standortentscheidung für Bergedorf gesehen. Aber auch bei unserer Wirtschaftskonferenz, bei der wir zwei junge Unternehmer gehört haben, die genau dieses Bergedorf als richtigen Ort für ihre Zukunft sehen.
Doch unser Bezirk kämpft wie alle Orte mit den Herausforderungen der Zukunft. In meinen Augen müssen wir deshalb noch stärker darauf schauen, dass wir Bergedorf als Ganzes sehen. Auch Quartiere, die nicht unmittelbar an unsere City grenzen, müssen einbezogen werden. Wie etwa Bergedorf-West, Neuallermöhe oder die Randbereiche von Lohbrügge und auch die Randbereiche unseres Landgebiets, etwa Altengamme und Spadenland.
Was ist Ihre Zukunftsvision für das Jahr 2034? Und wie könnte Bergedorf in 50 Jahren aussehen, welche Rolle könnte es spielen?
Im Jahr 2034 sehe ich einen neuen innovativen Hochschulstandort in Bergedorf mit einem Gesundheitscampus, der im neuen Stadtteil Oberbillwerder eingebettet ist und damit ein lebendiges Lebens- und Forschungsumfeld schafft. Außerdem natürlich einen Hotspot für die Entwicklung von Zukunftstechnologien – besonders im Innovationspark beiderseits des Curslacker Neuen Deichs. Und wir werden dann ein Motor der Energiewende sein. Zugleich werden wir einen in der Struktur modernen Stadtkern haben, in dem man etwas erleben kann, aber auch wohnen und arbeiten.
Bergedorfs Vielfalt bietet zudem die einzigartige Chance, der gesamten Bundesrepublik zu zeigen, dass eine Mobilitätswende auch im ländlichen Raum gelingen kann, indem wir moderne Mobilitätsangebote wie Carsharing oder die sogenannten On-Demand-Verkehre auch dort etablieren. In 50 Jahren sehe ich sogar eine U-Bahn-Anbindung, die den ÖPNV in unserem Bezirk natürlich nachhaltig bereichern wird, weil Schnellbahnanschlüsse zweifellos der wichtigste Schlüssel zur Senkung des Anteils des motorisierten Individualverkehrs sind.
Was hat aus Sicht unserer Bürgermeisterin in 2024 absolute Priorität, darf nicht auf die lange Bank geschoben werden?
Es müssen die großen Planungen für Bergedorf-West endlich in die Realisierung gehen. Zudem müssen wir dringend unsere „soziale Infrastruktur“ instandsetzen. Das klingt technisch, aber dahinter verbergen sich so wichtige Einrichtungen wie die Renovierungen der Jugendeinrichtungen Clippo Boberg oder Juzena in Neuallermöhe-West. Aber auch das Bürgerhaus in Neuallermöhe-Ost muss endlich an die Reihe kommen. Und natürlich muss es weiterhin darum gehen, die Voraussetzungen für Wohnungsbau im Bezirk Bergedorf zu schaffen. Ein weiterer Bereich, der keinen Aufschub erlaubt, ist die Entwicklung unserer Innenstadt.
Wann geht es denn endlich mit dem leidigen Thema Karstadt weiter? Wo hakt es jetzt noch beim längst abgerissenen „kleinen Karstadt“?
Das ist sehr komplex. Beim „kleinen Karstadt“ am Bergedorfer Markt ist aufgrund der Dezember 2022 im Stadtentwicklungsausschuss vorgestellten Lösung, die im Architekturwettbewerb prämiert wurde, eine umfangreiche Überprüfung erforderlich. Es geht um die Höhenentwicklung der Neubauplanung, ihre Verschattung und die erforderlichen Abstandsflächen. Die Fragen nach der Besonnung des Bergedorfer Marktplatzes sind ein weiteres Thema. Ebenso die Belange der Feuerwehr bei einem Neubau in unserer historisch gewachsenen Altstadt. Zudem müssen Wege für Warenanlieferung, die Müllabfuhr und dergleichen festgelegt werden.
An all diesen und weiteren Themen arbeiten der Wettbewerbssieger, weitere von der Grundeigentümerin beauftragte Fachplaner und natürlich das Bezirksamt in mehreren Dienststellen. Wir gehen davon aus, dass die Funktionsplanung, die die technische und rechtliche Umsetzbarkeit des Entwurfes umfasst, in der ersten Hälfte 2024 abgeschlossen wird. Damit wäre das erforderliche Bebauungsplanverfahren vorgeklärt, und alles kommt wieder in den Stadtentwicklungsausschuss der Bezirksversammlung. Hierzu gehört auch ein noch abzuschließender Vertrag mit dem Bauherrn über die Zusammenarbeit. Durch die inzwischen begonnene Durcharbeitung sind wir zuversichtlich, dass die nächsten Schritte bald gegangen werden können.
Und welche Verfahrensschritte stehen jetzt für den noch vorhandenen „großen Karstadt“ an?
Auch für dieses Grundstück ist der Wettbewerbssieger mit der Funktionsplanung beauftragt und erarbeitet zurzeit die entsprechenden Themen. Eine grundsätzliche Vereinbarkeit mit dem bereits öffentlich vorgestellten Wettbewerbsergebnis scheint gegeben. Aber die Prüfung ist vergleichsweise aufwendig, sodass dieses Verfahren noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.
Blicken wir nach Oberbillwerder: Wie kann Bergedorf vom Zukunftsstadtteil profitieren? Welchen Kunstgriff braucht es, um die Neubürger von dort nach Bergedorf zu ziehen – und nicht nach Hamburg?
Oberbillwerder wird ein Teil von Bergedorf werden, unser 15. Stadtteil. Von diesem wird der gesamte Bezirk profitieren. Denn fest steht: Oberbillwerder wird kein in sich geschlossener Kosmos sein, sondern ein für alle offener Stadtteil mit Sportangeboten, Grünflächen und Erholungsangeboten, wie beispielsweise einem Schwimmbad.
Und die Frage, wie wir Bergedorf attraktiv für Neubürger machen, stellen wir uns bereits seit längerer Zeit – auch unabhängig von Oberbillwerder. Ein wichtiger Baustein ist in diesem Kontext die Stärkung unserer Innenstadt. Das gehen wir seit Längerem mit verschiedenen Projekten an und intensivieren unsere Bemühungen mit dem neuen Rise-Gebiet Zentrum und dem Projekt Bergedorf Now. Dort sind wir auf einem guten Weg, und genau die erforderliche Vernetzung mit dem gesamten Bezirk sollte unser Anspruch sein und unser Fokus.
Wird dabei auch an Lohbrügge gedacht? Wie realistisch sind die zuletzt vorgestellten großen Umgestaltungsprojekte im Lohbrügger Zentrum für den Sander Markt, den Lohbrügger Bahnhofsvorplatz und den Neubau für einen Lidl-Supermarkt auf der heutigen Parkhaus-Fläche am Hein-Möller-Weg?
Das Innenstadtkonzept, das gerade beschlossen wurde, zeigt für den Sander Markt und den Lohbrügger Bahnhofsvorplatz diese spannenden und teils visionären Vorschläge auf. Sie sind grundsätzlich plausibel und werden damit auch entsprechend weiterverfolgt. Mit der P+R-Gesellschaft finden klärende Gespräche statt, um eine mögliche Projektentwicklung auszuloten. Am Hein-Möller-Weg ist eine mehrgeschossige Garage mit darüber liegendem Handel und Wohnen projektiert. Die Handelsflächen sind schon aufgrund der notwendigen Treppen kleinflächig. In die Projektierung des Neubaus für einen Discounter ist der Bezirk nicht einbezogen.
Was ist aus dem Lindwurm-Projekt in Lohbrügge-Nord geworden, der Erweiterung der 60er-Jahre-Wohnanlage um Anbauten zum Röpraredder?
Die Baugenehmigung für das Projekt wurde im 4. Quartal 2023 erteilt. Es können nun 123 Neubauwohnungen entstehen. Zudem ist die Sanierung des Bestandsbaukörpers und die Aufwertung neuer und bestehender privater Freiflächen geplant.
Wie viele Sozialwohnungen wurden 2023 tatsächlich im Bezirk gebaut? Wie viele sind aus der Sozialbindung gefallen?
Zum Jahresende 2023 werden voraussichtlich 130 Wohnungen in Bergedorf aus der Bindung fallen. Die Zahl der tatsächlich gebauten Wohnungen in 2023 wird erst im kommenden Jahr von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen veröffentlicht. Insgesamt hatten wir im Jahr 2023 auf Bauanträge für weitere geförderte Wohnungen gehofft. Diese Hoffnung hat sich aufgrund des allgemeinen Trends im Wohnungsbau leider nicht realisiert. Das wird sich hoffentlich im nächsten Jahr noch ändern.
Welche konkreten Pläne gibt es für das geschlossene Spielhaus am Kurt-Adams-Platz?
Wir sind zurzeit in Gesprächen mit verschiedenen Beteiligten, ganz konkrete Pläne können wir allerdings noch nicht benennen.
Ein großes Thema ist immer wieder die Sicherheit an Bergedorfs Badeseen. Wie steht es hier im kommenden Sommer? Welche Retter übernehmen welches Gewässer, wo gibt es weiterhin keine Aufsicht?
Wir haben einen dringenden Bedarf für mehr Sicherheit an den Badeseen, das haben die tragischen Badeunfälle dieses Jahres wieder einmal gezeigt. Doch wir brauchen verlässliche Partner, die dann auch wirklich mit bereitstehenden Rettungsschwimmern die Badeaufsicht übernehmen können. Die gibt es nicht im Überfluss. Nach aktuellem Stand werden wir die Aufsicht wieder für die Badestellen am Allermöher See und Hohendeicher See ausschreiben.
Wünschenswert wäre aber natürlich, alle freigegebenen Badeseen besser zu bewachen, besonders auch den beliebten See Hinterm Horn in Allermöhe. Aber dafür fehlen uns als Bezirk die Mittel. Da die Seen von allen Hamburgerinnen und Hamburgern genutzt werden, handelt es sich um eine gesamtstädtische Aufgabe, die aus dem Gesamthaushalt bzw. der fachlich zuständigen Behörde zu finanzieren wäre. Hierzu ist das Bezirksamt in haushaltsmäßig schwierigen Zeiten im Gespräch.
Immer mehr Bergedorfern fehlt das Grün in ihrer City und bei Neubauprojekten, die stets bis an die Grundstücksgrenze bebaut werden. Gleichzeitig sterben auch noch viele Alleebäume, etwa an der Vierlandenstraße beim Kirchenplatz. Wie steuert Bergedorf angesichts sich immer mehr aufheizender Innenstädte gegen?
In der Tat müssen leider immer wieder Bäume gefällt werden, insbesondere im Straßenraum. Das angesprochene Problem ist natürlich eines von grundlegender Art, mit dem viele Städte konfrontiert sind. Wir haben in Bergedorf jedoch gute Grundvoraussetzungen und viel Grün um uns herum. Um den Bestand an Bäumen zu erhalten bzw. zu erweitern, wird möglichst jeder Straßenbaum ersetzt. Aufgrund der örtlichen Situation kann es jedoch sein, dass dies nicht immer gelingt.
Bei der Auswahl der Baumarten und bei der Vorbereitung der Baumgrube gehen wir auf die immer schwierigeren Standortverhältnisse der Bäume ein. So werden heutzutage besonders große und tiefgründige Baumgruben hergestellt, um den Bäumen mehr Wurzelraum zu geben als man dies noch vor einigen Jahren für nötig gehalten hat. Weiterhin versuchen wir, durch die Verwendung von sogenannte „Zukunftsbäumen“ einen stabilen Baumbestand zu entwickeln. Diese Bäume sind über Jahre an extremen Standorten beobachtet worden und haben sich bewährt. Hinzu fließen dabei unsere eigenen Erfahrungen mit den Baumarten in Bergedorf ein. Darüber hinaus sind Themen wie Entsiegelung und Grünflächen immer ein Thema in allen städtebaulichen Verfahren. In diesen wollen wir dafür Sorge tragen, dass sich die angesprochenen Probleme nicht zuspitzen.
Der neuerdings mit vielen Ideen angekurbelte Tourismus hat das Potenzial, nicht nur neue Gäste anzulocken, sondern auch den Bergedorfern die Augen für die schönen Seiten ihres Bezirks zu öffnen und damit die „Marke Bergedorf“ nachhaltig zu stärken. Sieht man das im Rathaus als so wichtiges Zukunftsthema, dass es eine feste Stelle für die Tourismusförderung geben wird?
Die Betonung auf Tourismus als Mittel zur Stärkung der Identität und Attraktivität eines Bezirks wie Bergedorf ist sicherlich ein wichtiger Aspekt für die zukünftige Entwicklung. Eine dedizierte Stelle für die Tourismusförderung wäre wünschenswert, und die Politik möchte diese auch. Tatsächlich sind wir aber als Bezirk darauf angewiesen, dass uns die Mittel von Bürgerschaft und Senat zur Verfügung gestellt werden. Und das ist aktuell leider nicht der Fall. Daran werden wir im Rahmen der Planungen für die nächsten Jahre aber weiter arbeiten. Das heißt also keinesfalls, dass wir das Thema nicht bewegen. Mit unseren vorhandenen Ressourcen tun wir das auch gemeinsam mit Akteuren aus Bergedorf und der Metropolregion, seien es der WSB oder auch die Gemeinschaft für die Vier- und Marschlande.
Wie sieht der Bezirk die Entwicklung im Haus im Park? Gibt es hier Potenzial für eine zweite Bergedorfer Theater-Bühne – etwa für Bergedorfs Schülertheater oder Amateurtheater?
Der Nutzungsvertrag mit dem Haus im Park schließt aus, dass es konkurrierende Nutzungen zur Bühne des Lichtwarktheaters gibt. Wir wollen ja, dass unser Lichtwarktheater dauerhaft erfolgreich bleibt und auch weiterhin so hochprofessionelles Theater in Bergedorf anbieten kann, wie in der Premieren-Saison. Auch unser Nachwuchs findet auf der neuen tollen Bühne im Körberhaus beste Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Jugendtheatertage und einen erfolgreichen Jugendmusikantenwettstreit vor.
Insofern ist eine zweite große Bühne nicht vorgesehen. Letztlich geht es darum, dass Anbieterstrukturen harmonisiert werden, um bestmögliche Synergien zu erzielen. Kommerzielle und programmhafte Aufführungen im Haus im Park soll es daher nicht geben. Dass es darüber hinaus jedoch Nutzungsmöglichkeiten für das alte Theater geben kann, ist klar. Wir sind zu den Details dazu gerade in der Abstimmung mit dem Begegnungszentrum.
Lässt sich Kultur auch als Anziehungspunkt der City der Zukunft nutzen? Gibt es da konkrete Ansätze bzw. Vorbilder?
Absolut, Kultur kann definitiv ein bedeutender Anziehungspunkt für die Entwicklung der City der Zukunft sein. Denken wir beispielsweise an das Körberhaus, das nicht nur architektonisch ein Ausrufezeichen setzt, sondern Bergedorf zu einem kulturellen Ziel der Hamburger Metropolregion gemacht hat. Dabei ist das Körberhaus nicht wirklich nach einem Vorbild entstanden. Die Zusammenarbeit von Körber-Stiftung und Bezirksamt ist ziemlich einmalig.
Was wird aus dem „Plietsch“, wenn das Förderprojekt City-Management 2025 ausgelaufen ist? Könnte etwa das Kultur- & Geschichtskontor hier einziehen, das ja schon seit Jahren zentrale und vor allem größere Räume als jetzt am Reetwerder sucht?
Das Kultur- & Geschichtskontor ist neben der Lola eines von zwei institutionell geförderten Einrichtungen der Stadtteilkultur im Bezirk Bergedorf. Das Fördervolumen der Rahmenzuweisung der Kulturbehörde ist begrenzt, sodass ein Umzug und damit Förderung der Mietkosten nur im bisherigen Umfang erfolgen könnte. Zusätzliche Mittel zur Deckung einer höheren Miete stehen dem Bezirksamt nicht zur Verfügung. Das City-Management hat übrigens auch zur Aufgabe zu prüfen, ob und wie ein dauerhaftes Konzept für ein Künstler- und Handwerkerhaus in der Innenstadt umsetzbar sein kann. Ob das an dem jetzigen Standort möglich ist, wird man dann sehen.
Zu Schluss der Blick auf ein Sorgenkind: Fällt Lohbrügges Zentrum bei der jetzt anlaufenden Neuerfindung der Bergedorfer City hinten runter? Welche Rolle könnte Lohbrügges Fußgängerzone bis hinauf zum Lohbrügger Markt künftig übernehmen, was wäre ihr Markenkern?
Lohbrügge wird nicht „hinten runterfallen“, im Gegenteil. Unser Innenstadtkonzept, ebenso wie das Ende 2022 vom Senat festgelegte Rise-Fördergebiet Zentrum, stellen im Unterschied zur bisherigen Förderung am Serrahn und in Bergedorf-Süd einen Handlungsrahmen für die ganze Innenstadt, also neben dem Sachsentor auch das gesamte Lohbrügger Zentrum. Dabei geht es uns auch um die Lohbrügger Fußgängerzone mit den Bereichen Bahnhofsvorplatz, Sander Markt und den geplanten Neubauten Lohbrügger Markt 2-4 und Hein-Möller-Weg.
Wir schauen hier aber auch auf die Stärkung der Wohnfunktion, natürlich bei gleichzeitiger Aktivierung der Erdgeschosse mit zeit- und nachfragegerechten gewerblichen Nutzungskonzepten. Und das übrigens mit einem Fokus auf Dachgärten, um das kritisierte Thema des vorgeblich fehlenden Grüns im Zuge von Verdichtungen noch einmal aufzugreifen. Auch in den für Sander Markt und Lohbrügges Bahnhofsvorplatz entwickelten Konzepten wurden Freiflächen und Begrünung integriert, sind Entsiegelung und Aufenthaltsqualität integrale Bestandteile. Kurzum: Hier ersteht jeweils mehr Grün als im Status quo – bei gleichzeitiger Entwicklung und Verdichtung.
Außerdem finden sich in Lohbrügge so wichtige und tolle kulturelle Einrichtungen wie die Lola und das Kiku, die wir in die Betrachtung einbeziehen können. Wir verstehen das als ganzheitlichen Ansatz, der schließlich auch durch den 2024 beginnenden Bau der neuen Stadtteilschule abgerundet wird. Sie soll hier gleich neben dem Lohbrügger Markt an der Leuschnerstraße im Jahr 2027 eingeweiht werden.