Bergedorf. Sorge um Sicherheit im Straßenverkehr prägt das Jahr 1957. Neubau der Schnellstraße befeuert generelle Diskussion um ein Tempolimit.
Die Fahrer geben Vollgas im autogerecht umgestalteten Bergedorf. Fußgänger und spielende Kinder haben keine Chance, fast täglich berichtet die Bergedorfer Zeitung im Jahr 1957 von schweren, oft sogar tödlichen Unfällen auf den ersten fertiggestellten Teilstücken der neuen Schnellstraße B5 in Lohbrügge. Aber ihr Verkehr flutet auch die schmalen Straßen der Bergedorfer Altstadt, deren umstrittener Durchbruch, die heutigen Bergedorfer Straße, erst im April 1958 freigegeben werden soll.
Die Leser der Bergedorfer Zeitung lernen Schlagworte wie „Rennpiste“, „Todeskurve“ oder „Unfall-Falle“ kennen. Doch bei allem Chaos auf den neuen und alten Straßen soll das übrig gebliebene Bergedorfer Zentrum rund um die Kirche St. Petri und Pauli gemütlich gemacht werden – ganz im Stil der rigorosen Stadtplanung der 50er-Jahre: Bergedorfs Bauamtschef Werner Schlepper lässt das fast 500 Jahre alte Hotel „Stadt Hamburg“ verschieben und quasi neu bauen.
Schon 1957 wird die Umgestaltung des Sachsentors zur Fußgängerzone gefordert
Es wird jetzt sogar über den „Umzug“ des ersten Bergedorfer Bahnhofs nachgedacht, dessen 1842 gebautes Kassenhäuschen vom Neuen Weg auf den Bahnhofsvorplatz am Weidenbaumsweg versetzt werden soll: Bergedorf müsse seine „ehrwürdigen Gebäude“ an den richtigen Stellen der neu gestalteten Stadt präsentieren, argumentiert unter anderem Schlepper.
Aber auch die ersten Vorschläge, aus dem Sachsentor eine Fußgängerzone zu machen, kommen auf den Tisch: „Nur für Fußgänger!“ titelt die Bergedorfer Zeitung am 26. Juni 1957. Der Artikel stellt deutlich den Sinn der Durchbruchstraße infrage, die jetzt bereits als breite Schneise zwischen Vierlandenstraße und Mohnhof unübersehbar ist: „Ob diese Bergedorfer Tat eine glückliche genannt werden kann, steht dahin.“
Scharfe Kritik an Sinn und Kapazität der Bergedorfer Durchbruchstraße
„Macht das Sachsentor zu einer Insel in der Brandung des Verkehrs!“, heißt es im Text. „Auf ihr soll der von Fenster zu Fenster, von Geschäft zu Geschäft wandelnde Käufer Alleinherrscher sein, ungestört durch die Gefahren des rollenden Verkehrs und durch seinen Lärm.“
Was tatsächlich erst Anfang der 70er-Jahre Wirklichkeit werden soll, wäre aus Sicht der Bergedorfer Zeitung anno 1957 ein Stück Wiedergutmachung für das selbst von Oberbaurat Schlepper als „größtes Abbruchunternehmen“ in der Geschichte Bergedorfs bezeichnete Straßenprojekt: „Unseres Erachtens wäre es von vornherein zukunftsträchtiger gewesen“, schreibt der bz-Redakteur, „die Altstadt Bergedorfs unberührt zu lassen und den großen Verkehr außerhalb ihrer Mauern vorbeizuleiten. Denn man kann schon heute sagen, dass auch die Durchbruchstraße, der so viele schöne alte Häuser und der Charakter der Kleinstadt zum Opfer fallen, in allerkürzester Zeit nicht mehr ausreichen wird.“
B5 zieht so viele Autos und Lkw an wie kaum eine andere Hamburger Hauptverkehrsstraße
Klare Worte, die am 19. Oktober mit der ersten Grafik der Hamburger Verkehrsentwicklung in der Zeitung unterstrichen werden. Demnach fahren täglich 7525 Fahrzeuge auf der B5, die zu diesem Zeitpunkt nur zwischen Vierlandenstraße und Weberade in Lohbrügge sowie auf 1,6 Kilometern im Bereich Billstedt als drei- bis vierspurige Schnellstraße freigegeben ist. Boberg muss noch auf der alten Landstraße passiert werden.
Laut Zeichnung ist in ganz Hamburg nur die Wilhelmsburger Reichsstraße nach Harburg noch stärker belastet als die B5. In Bergedorfs Zentrum schiebt sich diese Blechlawine 1957 noch als Einbahnstraßen-Verkehr vom Mohnhof über das Sachsentor nach Hamburg und in umgekehrter Richtung über die Vierlandenstraße in die Rektor-Ritter-Straße und die Hassestraße. Am Mohnhof teilt sich der Verkehr auf in die Ziele Wentorf/Schwarzenbek und Geesthacht/Lauenburg. Fazit der Bergedorfer Zeitung: „Eine Straße durch die Marsch, etwa bis zur Holtenklinke, muss gebaut werden.“
Zunächst gibt es auf der Bergedorfer Straße gar kein Tempolimit
Derweil macht sich der Bundestag im Sommer 1957 daran, die überall extrem in die Höhe schnellenden Unfallzahlen mittels erstmals verbindlicher Geschwindigkeitsbegrenzungen einzudämmen. Bis dahin gibt es auf der B5 tatsächlich kein Tempo-Limit. Und dessen Einführung soll auch noch für erbitterte Diskussionen sorgen.
Am 26. Juli 1957 schreibt die Bergedorfer Zeitung: „Die einen wollen die Begrenzung auf 50 km/h, die anderen auf mindestens 80 km/h gesetzt wissen.“ Tatsächlich gibt es sogar Kritik der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein (VHH). Das 1954 aus der Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn hervorgegangene Busunternehmen fürchtet um die Attraktivität seiner Linien, sollte es auf der Schnellstraße nach Hamburg eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Busse geben.
Erste Fußgängerampeln sollen das lebensgefährliche Queren der B5 sicherer machen
Am Ende wird für die B5 ab 1. September 1957 durchgängig 70 km/h festgelegt. Auf allen anderen innerörtlichen Straßen gelten nun 50 km/h. Und auch die ersten Fußgängerampeln nehmen ihren Dienst auf. Sie machen das bis dahin lebensgefährliche Queren der Schnellstraße auf den nur sporadisch aufgemalten Zebrastreifen sicherer, wobei viele Fußgänger trotzdem noch überall und unvermittelt über die Fahrbahn laufen.
Die Lohbrügger Polizei versucht es mit einem Merkspruch: „Knöpfchen drücken, auf Grünlicht warten und wacker voranschreiten“, schreibt die Bergedorfer Zeitung am 21. Februar 1957 – und bittet darum, auch Kindern die neue Technik beizubringen, damit die Knöpfe an den Ampeln „nicht mit einem Spielzeug verwechselt werden“.
Die Angst vor den Folgen der zahlreichen Atombomben-Tests wächst
Große Angst verbreitet bei den Menschen anno 1957 der Kalte Krieg, in dem die wachsende Zahl „testweise“ gezündeter Atombomben immer bedrohlicher wird. Am 24. April widmet die Bergedorfer Zeitung dem Appell des Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer fast die ganze Titelseite. Der renommierte Arzt und Philosoph gibt dort ein „durch Tatsachen belegtes Bild vom Ausmaß der Gefährdung für Lebende und Ungeborene“ durch die von den Versuchen ausgelöste weltweit verbreitete Strahlung.
Die Gefahr scheint den Bergedorfern sogar sehr nah, hat im Geesthachter Ortsteil Krümmel doch 1956 die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schifffahrt, kurz GKSS, ihre Arbeit aufgenommen. Um Mitte der 60er-Jahre schließlich den einzigen atomgetriebenen deutschen Frachter „Otto Hahn“ in Dienst zu stellen, baut die GKSS in Krümmel 1957 einen Forschungsreaktor.
1957 bekommt Geesthacht die GKSS und damit den ersten Forschungsreaktor Deutschlands
Obwohl das Projekt im Schatten der Geesthachter Großbaustellen Pumpspeicherbecken und Elbwehr steht, gibt es in der Bergedorfer Zeitung mehrere große Artikel über das Acht-Millionen-Mark-Projekt. Tenor: „Geheim ist bei uns gar nichts“, wie am 14. Oktober 1957 auch die Überschrift nach einem Besuch auf der Baustelle lautet.
In allen Artikeln beteuert die GKSS, dass es eine „hundertprozentige Abschirmung“ gegen austretende Strahlung gebe. Auch wenn „in diesem einzigen Forschungsreaktor der Bundesrepublik“ genau diese Abschirmungsmaterialien erst erprobt werden sollen. Immerhin: Die Messtechnik funktioniert schon in der Bauphase des Reaktors angeblich so gut, dass sie „vor rund vier Wochen die Atombomben-Explosionen (es war eine ganze Versuchsreihe) in Amerika registrierte“, schreibt die bz nach dem Besuch auf der Baustelle.
Untergang der Pamir im Atlantik – und ein Geesthachter ist an Bord
Für einen Schock sorgt Ende September 1957 der Untergang des Segelschulschiffs „Pamir“ im Atlantik. Der Lübecker Dreimaster war bei einem Hurrikan gekentert und mit 90 Mann Besatzung gesunken. Unter den Matrosen befand sich der junge Geesthachter Karl-Otto Dummer.
Doch am 30. September gibt es die schon nicht mehr möglich erscheinende Nachricht: Auf der Titelseite druckt die Bergedorfer Zeitung ein Foto von den fünf unverletzt Geretteten. Einer von ihnen: Karl-Otto Dummer, Sohn des Leiters des Geesthachter Krankenhauses.
Alle blicken gebannt in den Himmel: Dort soll kreist jetzt der Satellit „Sputnik“
Derweil fasziniert ein mal nicht kriegerischer Wettstreit der Supermächte die Menschen: Der Sowjetunion gelingt es Anfang Oktober 1957 als Erste, einen Satelliten in die Erdumlaufbahn zu schießen. „Sputnik“ oder „Roter Mond“ genannt, umkreist unseren Planeten „mit fast 29.000 Kilometern in der Stunde“, wie die Bergedorfer Zeitung am 7. Oktober berichtet.
Einen Monat später begeistert beim zweiten Flug dann Hündin „Laika“ als erster lebender Weltraumpassagier – und ein russischer Wissenschaftler kommt am 5. November auf der Titelseite der Zeitung sogar zu Wort: „Flüge zu den nächsten Planeten“ seien nun Hauptziel der sowjetischen Weltraum-Experimente.
Schock über Weltraumhündin „Laika“ – für sie gab es nie eine Rückkehr
Konkurrent USA fühlt sich provoziert und versucht nachzulegen. Doch ein erster eigener Raketenstart scheitert. So müssen sich die Amerikaner, die ab jetzt fieberhaft am ersten bemannten Flug zum Mond arbeiten, mit der Schadenfreude über ein PR-Desaster der Sowjets begnügen: Es wird bekannt, dass Hündin Laika zwar lebendig in einer eigens für sie angefertigten Druckkabine ins Weltall flog. Aber an ihre Rückkehr zur Erde war nie gedacht worden.
Ein aus heutiger Sicht unglaublicher Skandal landet im Sommer 1957 auf den Titelseiten der Klatschpresse – und am Wochenende 20./21. Juli auf der bunten Seite „Blick in die Welt“ unserer Zeitung: Die 21-jährige Schönheit Leona Gage, bereits „Miss USA“, wurde bei der Wahl zur „Miss Universum“ disqualifiziert.
„Miss USA“ ist schon verheiratet – Disqualifikation beim Schönheitswettbewerb
Ihre Schwiegermutter hatte in einem Interview ausgeplaudert, dass Leona bereits verheiratet und sogar schon Mutter zweier Kinder sei. Die Folge: Sie wurde „sofort disqualifiziert“, denn die Wettbewerbsregeln erlaubten nur unverheirateten Frauen ohne Kindern, vom Titel und den damit verbundenen Filmangeboten zu träumen.
Als unsere Zeitung das alles berichtet, bereitet sich die „Bergedorfer Buchdruckerei von Ed. Wagner“ auf ihr 75-jähriges Bestehen vor: Der Verlag der bz hat seinerzeit seinen Sitz am Bergedorfer Markt – genau dort, wo heute am Zaun vor der Baugrube des ehemaligen Karstadt-Kaufhauses Titelseiten aus vergangenen Jahrzehnten zu sehen sind.
Buchdruckerei-Chef Rolf Kupfer erinnert sich an die Bergedorfer Zeitung von 1957
„Man kann sagen, der Sitz unserer Zeitung in den beiden weißen Gebäuden am Bergedorfer Markt war nicht nur räumlich, sondern auch wirtschaftlich und vor allem gesellschaftlich der Mittelpunkt Bergedorfs“, sagt Rolf Kupfer. Der heute 92 Jahre alte Maschinenmeister fing am 1. April 1957 hier gleich als Leiter des Buchdrucks an.
„Bei der bz herrschte ein tolles, sehr kollegiales Klima. Und hier kam vom Geschäftsmann bis zur Hausfrau, vom Polizisten bis Verwaltungsleiter jeder einfach mal so vorbei. Das hat mich von Anfang an begeistert“, sagt Rolf Kupfer, der von der kleinen Modeheft-Druckerei „Silberschere“ aus Billstedt nach Bergedorf gewechselt war. Hier wurde er gleich Chef von 24 der insgesamt 79 Mitarbeiter des Familienbetriebes, den Reinhard Wagner in dritter Generation führte.
Belegschaft der bz wächst kontinuierlich: 1958 wird 75-jähriges Jubiläum gefeiert
Das Unternehmen bereitet sich auf sein Jubiläum vor: 1883 hatte Eduard „Ed.“ Wagner mit der Bergedorfer Zeitung den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt, als „Lokalblatt im besten Sinne“ – nachdem er seit 1874 schon die Geschicke des Vorgängers „Nordischer Courier – Bergedorfer Zeitung“ als leitender Mitarbeiter gleitet hatte.
Rolf Kupfer blieb sein gesamtes Berufsleben bis zum Sommer 1995 der Bergedorfer Zeitung als Chef des Buchdrucks treu und erlebte den Aufstieg bis zu einem Mitarbeiterstamm von insgesamt 220 Personen. „Und 87 Prozent davon waren gewerkschaftlich organisiert. Das zeigt, wie fair hier miteinander umgegangen wurde“, sagt der Drucker, der trotz seiner Führungsposition auch bei der Gewerkschaft Verantwortung übernahm.
Beherzter Kampf um das marode, aber fast 500 Jahre alte Hotel „Stadt Hamburg“
Diese Menschlichkeit war auch Garant des rasanten Aufstiegs der Bergedorfer Zeitung nach dem Zweiten Weltkrieg, da ist sich Kupfer sicher: „Wir waren immer ein Team, aber nicht nur im Verlag, sondern auch für Bergedorf und seine Bürger.“
Das zeigt neben der deutlichen Kritik des Blattes an der unglücklich geplanten Durchbruchstraße 1957 auch der Kampf für den Erhalt des Hotels „Stadt Hamburg“. Denn das 1481 erstmals im Bergedorfer Stadtbuch erwähnte und damit vermutlich älteste erhaltene Gasthaus Norddeutschlands, verfällt zusehends. Obwohl seit 1908 im Besitz der Stadt Hamburg und unter Denkmalschutz stehend, droht diesem elementaren Bestandteil der verbliebenen Bergedorfer Altstadt der Abriss.
Hamburg gibt gut 350.000 Mark für eine Sanierung, die eigentlich ein Neubau ist
Doch diverse Artikel der Bergedorfer Zeitung halten mit der Diskussion über die Zukunft auch die Spitzhacke fern vom „Stadt Hamburg“. Am 4. Juli 1957 gibt es dann endlich Entwarnung: In ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause gibt die Hamburgische Bürgerschaft 352.600 Mark frei für das ambitionierte Projekt, der baufälligen Fachwerkkonstruktion durch Abriss und Wiederaufbau eine neue Zukunft einzuhauchen.
„1:0 für ,Stadt Hamburg‘“ titelt die Bergedorfer Zeitung am 5. Juli, um eine Woche später die längst vorliegenden Pläne des Bergedorfer Bauamtsleiters Werner Schlepper vorzustellen: Die einstigen Stallungen an der Vierlandenstraße werden abgerissen und auch der Rest erstmal dem Erdboden gleich gemacht.
Das uralte Hotel „Stadt Hamburg“ wird gedreht, versetzt und auch noch höher gelegt
Der gesamte Komplex werde dann wieder aufgebaut – und zwar „um ein paar Meter hinter die bisherige Fluchtlinie versetzt“ sowie „etwa zwanzig Zentimeter höher gelegt“. Was in seiner Dimension etwa der heutigen Terrasse des „Block House“ entspricht, ist aber noch nicht alles. Vielmehr „will man das Haus auch um einige Grad nach Westen drehen, sodass derjenige, der vom Bahnhof her sich der Vierlandenstraße nähert, nicht nur die Seitenfront vor Augen hat, sondern auch die so viel schmuckere Hauptfront am Sachsentor“.
Tatsächlich beginnen die Arbeiten gleich nach den Sommerferien Anfang September 1957 und werden von der Bergedorfer Zeitung aufmerksam verfolgt. Nach dem Abriss legen Bezirksamtsleiter Albert Schaumann und Baurat Werner Schlepper im Mai 1958 den Grundstein für den Neubau mit einigen der alten Balken. Ein weiteres Jahr später, Ende Mai 1959 wird das neue „Stadt Hamburg“ mit einem zweitägigen Fest schließlich eingeweiht.
Erst Eugen Block macht das „Stadt Hamburg“ erfolgreich, vor ihm scheitern sechs Gastwirte
Tatsächlich erfolgreich betrieben wird es aber erst ab 1974, als Gastronom Eugen Block hier nach sechs erfolglosen Gastwirten mit einem der ersten Restaurants seiner „Block House“-Kette einzieht. Wie sehr das „Stadt Hamburg“ durch die rigorose Schlepper‘sche Bauplanung umgestaltet worden ist, beschreibt Christian Römmer in seinem Aufsatz „Stadt Hamburg – erfundene Tradition aus den 1950er-Jahren“ im Lichtwark-Heft von 2018.
Der Historiker belegt, dass neben den vielen neuen Baumaterialien auch der Zuschnitt der Innenräume verändert wurde, ein neues Kellergeschoss entstand, zusätzliche Fenster eingebaut und auch das Dachgeschoss erstmals ausgebaut wurde. Selbst die Kachelwände, Stuckdecken, das Mobiliar und sogar das schmiedeeiserne Herbergszeichen am Haupteingang stammen aus anderen, oft für die Durchbruchstraße abgerissenen Gebäuden.
Restauriertes „Stadt Hamburg“ hat mit dem Original fast nichts mehr gemeinsam
Die vielen Veränderungen waren typische Kunstgriffe für die 50er-Jahre, die wenig übrig hatten für echte Baugeschichte. Dennoch bezeichneten Bezirksamtsleiter Schaumann und Oberbaurat Schlepper ihr Werk auch gegenüber der Bergedorfer Zeitung als „Erhaltung und Wiederherstellung der alten repräsentativen Ortsmitte rund um die Kirche St. Petri und Pauli“.
Ein ebenfalls erhaltenes, wenn auch kaum noch lesbares Relikt der Stadtplanung der 50er-Jahre findet sich bis heute übrigens an der Bergedorfer Straße/B5 auf Höhe der Abfahrt Mümmelmannsberg in Fahrtrichtung Bergedorf: „Berlin – 272 kam“ steht dort unter der Silhouette eines Berliner Bären auf einer großen grauen Stehle am Straßenand.
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Eingeweiht im März 1957 als Symbol der Verbindung von Hamburg und Berlin, die die neue Straße trotz der Teilung Deutschlands symbolisiert. Am 14. März berichtet die Bergedorfer Zeitung über die prominente Enthüllung: Zu den Klängen einer Polizeikapelle und „auf einem kleinen, schmucken Platz mit dem Blick vom Geesthang weit hinausgehend in die Vier- und Marschlande“ sprechen Hamburgs Bürgermeister Sieveking und Berlins Bürgermeister Amrehn.
Sämtliche Meilensteine an der gut 280 Kilometer langen Bundesstraße 5 sind damals sogar in einem Prospekt zusammengestellt worden. Deutlich besser erhalten als die Stehle bei Mümmelmannsberg sind übrigens die Steine in Geesthacht kurz vor dem Ortsausgang nach Lauenburg und der im dortigen Stadtzentrum.