Bergedorf. Carl Eduard „Ed.“ Wagner und seine Bergedorfer Buchdruckerei: Ein Wagnis von 1874 wird zur Erfolgsgeschichte.
Fast wäre die Geschichte unserer Zeitung zu Ende gewesen, bevor sie überhaupt richtig begann: Das Jahr 1874 – heute unser offizielles Gründungsdatum – wäre mit Sicherheit das letzte gewesen. Jedenfalls dann, wenn es nicht zufällig Carl Eduard Wagner aus Leipzig nach Bergedorf verschlagen hätte, den späteren Gründer unseres Verlages, der „Bergedorfer Buchdruckerei von Ed. Wagner“.
Dem 32 Jahre jungen Buchdrucker und Übersetzer wurde die Leitung der winzigen Filiale des „Nordischen Couriers – Bergedorfer Zeitung“ am Kuhberg gleich neben dem Bergedorfer Markt angeboten. Kein besonders attraktiver Arbeitsplatz, wie unsere Zeitung später schrieb: „Es war in dieser ,kleinen Bude’ nichts weiter vorhanden als ein paar Setzkästen mit Buchstaben und eine kleine Handpresse, auf der die wenigen damals benötigten Drucksachen hergestellt wurden.“
Industrialisierung legt wirtschaftliche Grundlage für die Bergedorfer Zeitung
Doch Carl Eduard Wagner entschied sich trotzdem dafür, seine Wanderschaft durch die Druckereien im In- und Ausland abzubrechen und in das damals kaum 3800 Einwohner kleine „Städtchen“ zu kommen. Vielleicht sah er die Chancen, die die gerade einsetzende Industrialisierung Bergedorfs auch der Zeitung bieten wird. Denn tatsächlich sollte die Einwohnerzahl ab 1874 so rasant nach oben schießen, dass sie sich bis 1890 verdoppelt, zur Jahrhundertwende verdreifacht und bis zum Ersten Weltkrieg (1914-1918) mit rund 17.000 Menschen sogar mehr als vervierfacht hat.
Das Bergedorf des Jahres 1874 war indes eine noch ziemlich verschlafene Landgemeinde, die im April aber immerhin per Gemeindestatut im offiziellen Sprachgebrauch vom „Städtchen“ zur eigenständigen „Stadt“ im Land Hamburg wurde. Aus heutiger Sicht war das die Initialzündung für Bergedorfs selbstbestimmte rasante Entwicklung der folgenden knapp sieben Jahrzehnte – bis es mit dem Groß-Hamburg-Gesetz 1938 zu einem Verwaltungsbezirk Hamburgs degradiert wird.
Am Anfang war Carl Eduard Wagner einziger Mitarbeiter
Damit auch die Zeitung ihren Teil zum Aufschwung und vor allem zum neuen Selbstbewusstsein der Bergedorfer beitragen konnte, musste Carl Eduard Wagner allerdings noch einige Hindernisse aus dem Weg räumen. So nahm er seine Arbeit am Kuhberg doch bloß als angestellter Filialleiter auf – und als vermutlich einziger in Bergedorf verbliebener Mitarbeiter der Buchdruckerei von Friedrich Bleidorn.
Der hatte den „Nordischen Courier“ zwar 1868 mitsamt seiner erfolglosen, zwei Jahre zuvor gegründeten Genossenschaftsdruckerei übernommen. Aber trotz des Untertitels „Bergedorfer Zeitung“ verlegte Bleidorn seine Druckerei schon 1873 in die damals schon aufstrebende Industriestadt Wandsbek, wo er fortan auch die „Wandsbeker Zeitung“ herausgab.
Pleite führt zur Gründung der „Bergedorfer Buchdruckerei von Ed. Wagner“
Keine leichte Stellung also für Carl Eduard Wagner in Bergedorf. Doch dem jungen Mann kam neben der Aufbruchstimmung hier auch die Tradition zugute. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Städten im frisch gegründeten Deutschen Reich konnte Bergedorf damals bereits auf eine 60-jährige Zeitungsgeschichte zurückblicken. Besonders der streitbare Redakteur, Drucker und Verleger Christoph Marquard Ed hatte bis zu seinem Umzug 1865 nach Lübeck hier eine Zeitung herausgegeben, zuletzt sogar täglich.
Hinterlassen hatte er in den Köpfen der Bergedorfer so offenbar das Verlangen nach einem „eigenen“ Blatt. Nur brauchte es fast ein Jahrzehnt, bis es einen würdigen Nachfolger ins „Städtchen“ verschlug. Carl Eduard Wagner jedenfalls legte sich mächtig ins Zeug und konnte den „Nordischen Courier“ trotz seines nach Wandsbek übergesiedelten Chefs Bleidorn († 1881) tief in Bergedorf verwurzeln. So tief sogar, dass ihn die Pleite der „Wandsbeker Zeitung“ unter Bleidorns Erben am 12. September 1883 nicht mitriss.
Hommage an den Urvater unserer Zeitung, Christoph Marquard Ed
„Er fand einen kleinen Kreis von Freunden, die sein Unternehmen unterstützten, eine neue Bergedorfer Zeitung ins Leben zu rufen. Und so konnte schon am 15. September 1883 die erste Probenummer des neuen Blattes erscheinen. In einem Aufruf an die Leser wurde betont, dass von vielen Seiten die Aufforderung ergangen sei, hier eine eigene Zeitung herauszugeben“, heißt es 50 Jahre später in der Jubiläumsausgabe unserer Zeitung.
Dass der neue Verlag den Namen „Bergedorfer Buchdrucker von Ed. Wagner“ trug, könnte als Hommage an Christoph Marquard Ed gedacht sein. Der Urvater unserer Zeitung wird das mitbekommen haben, hielt er doch bis zu seinem Tod im April 1885 den Kontakt nach Bergedorf. Er ist hier auf dem Gojenbergs-Friedhof begraben.
Herausgeber, Redakteur, Korrektor, Setzer und Drucker in einer Person
Die neue Bergedorfer Zeitung wuchs aus den winzigen Anfängen zunächst langsam und dann, zusammen mit der rasanten Industrialisierung Bergedorfs, immer schneller. „Carl Eduard Wagner war zunächst Herausgeber, Redakteur, Korrektor, Setzer und Drucker in einer Person“, schreibt unsere Zeitung 1933 im Jubiläumsrückblick. „Immerhin schaffte der neue Besitzer eine Schnellpresse mit Fußbetrieb an.“ Und als „der Betrieb erfreulich rasch aufblühte“, wurden zwei Setzer angestellt. Wagners Sohn Richard trat 1884 als Lehrling in den väterlichen Betrieb ein.
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Es folgten zwei Umzüge, bis Buchdruckerei und Zeitung vermutlich schon 1884 an den Bergedorfer Markt kamen und eine ehemalige Bäckerei bezogen. Direkt neben der bis heute erhaltenen Immobilie des Herrenausstatters Willhoeft, wo bis vor Kurzem Karstadt stand, wurde aus diesen kleinen Anfängen für mehr als 80 Jahre der Stammsitz unserer Zeitung.
Carl Eduard Wagner starb am 20. August 1909
Der Betrieb wuchs durch verschiedenen Neu- und Anbauten schließlich bis zur Straße Hinterm Graben. Ab Juli 1894 erschien die Bergedorfer Zeitung täglich statt wie zuvor nur dreimal pro Woche. Das Unternehmen zählte bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs mehr als 40 Mitarbeiter. Die Auflage der Zeitung lag damals bei 13.000 Exemplaren.
Carl Eduard Wagner erlebte das allerdings nicht mehr. Er starb am 20. August 1909, knapp ein Jahr nach dem 25-jährigen Jubiläum seiner Buchdruckerei. Die Geschäftsführung übernahmen jetzt sein Sohn Richard und Chefredakteur Wilhelm Bauer, der Wagners Tochter Martha geheiratet hatte. Sie führten Buchdruckerei und Zeitung durch die Wirren des Ersten Weltkriegs und in die wilden 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts.